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Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855.

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dem Bergsträßle da anvertrauen, sagte er. Sie thaten es, indem sie
die Ortschaften, die ihnen in den Weg kamen, auf den durch die Felder
führenden Fußpfaden umgingen. Die Sonne begann für einen Herbst¬
tag ungewöhnlich heiß zu brennen und ihre scheitelrechte Stellung zeigte
den Mittag an. Ich wollt', ich hätt' was zu trinken, seufzte Friedrich,
und wär's auch nur ein Schoppen Most oder Aeppelwein, wie sie am
Main drunten sagen.

Und mir thät ein Löffele Warm's noch nöther, seufzte Christine
ebenfalls.

Gelt, arm's Weible, sagte er, dir ist's ungewohnt, mit langem
kaltem Magen zu wandern? Da hast Geld, geh' du in das Ort da
hinein und laß dir eine Suppe geben, kannst mir dann etwas zu
trinken und ein Brod dazu herausbringen, das genügt für mich. Das
Geld, das ich mir in dem halben Jahr zu Sachsenhausen erspart
hab', muß für uns und die Kinder reichen. Ich will mich derweil
unter den Baum in Schatten legen.

Meinst, es hab' kein' Gefahr? fragte sie.

Ich kenn' mich so weit in der Gegend aus, erwiderte er, daß der
Berg da über uns die Teck ist. Da herum sind wir ja ganz unbe¬
kannt. Du siehst aus, wie wenn du aus der Nachbarschaft wär'st,
und wenn ich in meiner städtischen Tracht zurückbleibe, so fällst du
niemand auf.

Er gab ihr Geld und seine leere Feldflasche und streckte sich be¬
quem unter dem Baum aus, indem er sein dreieckiges Hütchen neben
sich legte. In diesem Augenblicke kam ein Mann vorüber, der den
gleichen Weg mit ihnen zu haben schien. Er blickte das fremde Paar
mißtrauisch an und mäßigte seinen Gang, so daß er Christinen, die
jetzt auf das Dorf vor ihnen zuschritt, immer auf dem Fuße folgte.
Friedrich sah nach und die Begegnung wollte ihm nicht recht gefallen;
doch schien sie auch keine ernste Besorgniß einflößen zu können. Seine
Augen begleiteten Christinen, bis sie in dem Dorfe verschwunden war;
auch ihren Nachfolger verdeckten jetzt die Häuser. Er legte sich auf den
Rücken zurück, sah in das falbe Laub und durch dieses zum blauen
Himmel empor. Dabei vergegenwärtigte er sich, wie Christine auf ihre
Suppe wartete, wie sie dann dieselbe empfing, und wie sie sich end¬
lich mit der gefüllten Flasche auf den Weg machte. Jetzt mußte sie

dem Bergſträßle da anvertrauen, ſagte er. Sie thaten es, indem ſie
die Ortſchaften, die ihnen in den Weg kamen, auf den durch die Felder
führenden Fußpfaden umgingen. Die Sonne begann für einen Herbſt¬
tag ungewöhnlich heiß zu brennen und ihre ſcheitelrechte Stellung zeigte
den Mittag an. Ich wollt', ich hätt' was zu trinken, ſeufzte Friedrich,
und wär's auch nur ein Schoppen Moſt oder Aeppelwein, wie ſie am
Main drunten ſagen.

Und mir thät ein Löffele Warm's noch nöther, ſeufzte Chriſtine
ebenfalls.

Gelt, arm's Weible, ſagte er, dir iſt's ungewohnt, mit langem
kaltem Magen zu wandern? Da haſt Geld, geh' du in das Ort da
hinein und laß dir eine Suppe geben, kannſt mir dann etwas zu
trinken und ein Brod dazu herausbringen, das genügt für mich. Das
Geld, das ich mir in dem halben Jahr zu Sachſenhauſen erſpart
hab', muß für uns und die Kinder reichen. Ich will mich derweil
unter den Baum in Schatten legen.

Meinſt, es hab' kein' Gefahr? fragte ſie.

Ich kenn' mich ſo weit in der Gegend aus, erwiderte er, daß der
Berg da über uns die Teck iſt. Da herum ſind wir ja ganz unbe¬
kannt. Du ſiehſt aus, wie wenn du aus der Nachbarſchaft wär'ſt,
und wenn ich in meiner ſtädtiſchen Tracht zurückbleibe, ſo fällſt du
niemand auf.

Er gab ihr Geld und ſeine leere Feldflaſche und ſtreckte ſich be¬
quem unter dem Baum aus, indem er ſein dreieckiges Hütchen neben
ſich legte. In dieſem Augenblicke kam ein Mann vorüber, der den
gleichen Weg mit ihnen zu haben ſchien. Er blickte das fremde Paar
mißtrauiſch an und mäßigte ſeinen Gang, ſo daß er Chriſtinen, die
jetzt auf das Dorf vor ihnen zuſchritt, immer auf dem Fuße folgte.
Friedrich ſah nach und die Begegnung wollte ihm nicht recht gefallen;
doch ſchien ſie auch keine ernſte Beſorgniß einflößen zu können. Seine
Augen begleiteten Chriſtinen, bis ſie in dem Dorfe verſchwunden war;
auch ihren Nachfolger verdeckten jetzt die Häuſer. Er legte ſich auf den
Rücken zurück, ſah in das falbe Laub und durch dieſes zum blauen
Himmel empor. Dabei vergegenwärtigte er ſich, wie Chriſtine auf ihre
Suppe wartete, wie ſie dann dieſelbe empfing, und wie ſie ſich end¬
lich mit der gefüllten Flaſche auf den Weg machte. Jetzt mußte ſie

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[318/0334] dem Bergſträßle da anvertrauen, ſagte er. Sie thaten es, indem ſie die Ortſchaften, die ihnen in den Weg kamen, auf den durch die Felder führenden Fußpfaden umgingen. Die Sonne begann für einen Herbſt¬ tag ungewöhnlich heiß zu brennen und ihre ſcheitelrechte Stellung zeigte den Mittag an. Ich wollt', ich hätt' was zu trinken, ſeufzte Friedrich, und wär's auch nur ein Schoppen Moſt oder Aeppelwein, wie ſie am Main drunten ſagen. Und mir thät ein Löffele Warm's noch nöther, ſeufzte Chriſtine ebenfalls. Gelt, arm's Weible, ſagte er, dir iſt's ungewohnt, mit langem kaltem Magen zu wandern? Da haſt Geld, geh' du in das Ort da hinein und laß dir eine Suppe geben, kannſt mir dann etwas zu trinken und ein Brod dazu herausbringen, das genügt für mich. Das Geld, das ich mir in dem halben Jahr zu Sachſenhauſen erſpart hab', muß für uns und die Kinder reichen. Ich will mich derweil unter den Baum in Schatten legen. Meinſt, es hab' kein' Gefahr? fragte ſie. Ich kenn' mich ſo weit in der Gegend aus, erwiderte er, daß der Berg da über uns die Teck iſt. Da herum ſind wir ja ganz unbe¬ kannt. Du ſiehſt aus, wie wenn du aus der Nachbarſchaft wär'ſt, und wenn ich in meiner ſtädtiſchen Tracht zurückbleibe, ſo fällſt du niemand auf. Er gab ihr Geld und ſeine leere Feldflaſche und ſtreckte ſich be¬ quem unter dem Baum aus, indem er ſein dreieckiges Hütchen neben ſich legte. In dieſem Augenblicke kam ein Mann vorüber, der den gleichen Weg mit ihnen zu haben ſchien. Er blickte das fremde Paar mißtrauiſch an und mäßigte ſeinen Gang, ſo daß er Chriſtinen, die jetzt auf das Dorf vor ihnen zuſchritt, immer auf dem Fuße folgte. Friedrich ſah nach und die Begegnung wollte ihm nicht recht gefallen; doch ſchien ſie auch keine ernſte Beſorgniß einflößen zu können. Seine Augen begleiteten Chriſtinen, bis ſie in dem Dorfe verſchwunden war; auch ihren Nachfolger verdeckten jetzt die Häuſer. Er legte ſich auf den Rücken zurück, ſah in das falbe Laub und durch dieſes zum blauen Himmel empor. Dabei vergegenwärtigte er ſich, wie Chriſtine auf ihre Suppe wartete, wie ſie dann dieſelbe empfing, und wie ſie ſich end¬ lich mit der gefüllten Flaſche auf den Weg machte. Jetzt mußte ſie

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Zitationshilfe: Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855, S. 318. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855/334>, abgerufen am 21.11.2024.