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Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855.

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kommt gar nicht mehr zu mir zur Zech', und das ist mir ein empfind¬
licher Verlust.

Es ist aber auch keine geringe Last für die Leute, sagte der Amt¬
mann. Darin hat der Kreuzwirth Recht, daß Sein entarteter Sohn
dem Flecken einen horrenden Schaden zufügt. Wenn Alle leiden müssen,
so darf Er am wenigsten zurückstehen. Es wäre vielleicht doch ge¬
scheider gewesen, Er hätte Fünfe gerade sein lassen und die Mariage
zugegeben.

Der Sonnenwirth fühlte sich wie zu Boden geschmettert. Derselbe
Mann der Autorität, der sich so durchgreifend gegen diese Heirath er¬
klärt und seinen Arm zu ihrer Hintertreibung hergeliehen hatte, machte
ihm jetzt Vorwürfe, daß er seinem Sohne nicht den Willen gelassen
habe. Er sah den Amtmann mit einer stehenden Jammermiene an,
verstummte aber unter der Bürde, die ihn niederdrückte.

Die Amtmännin kam ihm zu Hilfe und erinnerte ihren Mann,
daß, wenn sein Vorwurf begründet wäre, er ihn nach seinem eigenen Ge¬
ständniß eben so gut und noch stärker treffen würde, als den Sonnenwirth.

Ach Gott! sagte dieser, dankbar für den Beistand: wenn Sie er¬
lauben, Herr Amtmann und Frau Amtmännin, ich hab' überhaupt
schon lange Zeit keine gute Stunde mehr in meiner Familie. Seit
mein Sohn amtlich für einen Erzböswicht erklärt worden ist und jetzt
natürlich nichts mehr an mir erben kann, wenn ich ihn auch einsetzen
wollt', seitdem ist der Hader zwischen meinem Weib und meinen Tochter¬
männern los. Sie liegt mir immer an, ich soll' ein Testament zu
ihren Gunsten machen, und das müssen die beiden andern, der Chirur¬
gus voran, gemerkt haben.

Sie hat ja keine Kinder, bemerkte der Amtmann.

Wohl 'geben, aber sie hat Verwandtschaft, die sie auf die Sonne
bringen möcht'.

Da würde ich vor Allen den Chirurgus bedenken, rieth der Amt¬
mann. Der Mann hat savoir vivre, gibt einen gewandten Wirth
und wäre wohl am meisten geeignet, die Sonne im Flor zu erhalten.

Der Sonnenwirth versprach diesen guten Rath in Erwägung zu
ziehen, gegen welchen die Amtmännin keine Einsprache that. Als er
sich empfehlen wollte, hieß ihn der Amtmann noch bleiben und unter¬
redete sich mit ihm über den Hauptzweck, wegen dessen er ihn hatte

kommt gar nicht mehr zu mir zur Zech', und das iſt mir ein empfind¬
licher Verluſt.

Es iſt aber auch keine geringe Laſt für die Leute, ſagte der Amt¬
mann. Darin hat der Kreuzwirth Recht, daß Sein entarteter Sohn
dem Flecken einen horrenden Schaden zufügt. Wenn Alle leiden müſſen,
ſo darf Er am wenigſten zurückſtehen. Es wäre vielleicht doch ge¬
ſcheider geweſen, Er hätte Fünfe gerade ſein laſſen und die Mariage
zugegeben.

Der Sonnenwirth fühlte ſich wie zu Boden geſchmettert. Derſelbe
Mann der Autorität, der ſich ſo durchgreifend gegen dieſe Heirath er¬
klärt und ſeinen Arm zu ihrer Hintertreibung hergeliehen hatte, machte
ihm jetzt Vorwürfe, daß er ſeinem Sohne nicht den Willen gelaſſen
habe. Er ſah den Amtmann mit einer ſtehenden Jammermiene an,
verſtummte aber unter der Bürde, die ihn niederdrückte.

Die Amtmännin kam ihm zu Hilfe und erinnerte ihren Mann,
daß, wenn ſein Vorwurf begründet wäre, er ihn nach ſeinem eigenen Ge¬
ſtändniß eben ſo gut und noch ſtärker treffen würde, als den Sonnenwirth.

Ach Gott! ſagte dieſer, dankbar für den Beiſtand: wenn Sie er¬
lauben, Herr Amtmann und Frau Amtmännin, ich hab' überhaupt
ſchon lange Zeit keine gute Stunde mehr in meiner Familie. Seit
mein Sohn amtlich für einen Erzböswicht erklärt worden iſt und jetzt
natürlich nichts mehr an mir erben kann, wenn ich ihn auch einſetzen
wollt', ſeitdem iſt der Hader zwiſchen meinem Weib und meinen Tochter¬
männern los. Sie liegt mir immer an, ich ſoll' ein Teſtament zu
ihren Gunſten machen, und das müſſen die beiden andern, der Chirur¬
gus voran, gemerkt haben.

Sie hat ja keine Kinder, bemerkte der Amtmann.

Wohl 'geben, aber ſie hat Verwandtſchaft, die ſie auf die Sonne
bringen möcht'.

Da würde ich vor Allen den Chirurgus bedenken, rieth der Amt¬
mann. Der Mann hat savoir vivre, gibt einen gewandten Wirth
und wäre wohl am meiſten geeignet, die Sonne im Flor zu erhalten.

Der Sonnenwirth verſprach dieſen guten Rath in Erwägung zu
ziehen, gegen welchen die Amtmännin keine Einſprache that. Als er
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redete ſich mit ihm über den Hauptzweck, wegen deſſen er ihn hatte

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[331/0347] kommt gar nicht mehr zu mir zur Zech', und das iſt mir ein empfind¬ licher Verluſt. Es iſt aber auch keine geringe Laſt für die Leute, ſagte der Amt¬ mann. Darin hat der Kreuzwirth Recht, daß Sein entarteter Sohn dem Flecken einen horrenden Schaden zufügt. Wenn Alle leiden müſſen, ſo darf Er am wenigſten zurückſtehen. Es wäre vielleicht doch ge¬ ſcheider geweſen, Er hätte Fünfe gerade ſein laſſen und die Mariage zugegeben. Der Sonnenwirth fühlte ſich wie zu Boden geſchmettert. Derſelbe Mann der Autorität, der ſich ſo durchgreifend gegen dieſe Heirath er¬ klärt und ſeinen Arm zu ihrer Hintertreibung hergeliehen hatte, machte ihm jetzt Vorwürfe, daß er ſeinem Sohne nicht den Willen gelaſſen habe. Er ſah den Amtmann mit einer ſtehenden Jammermiene an, verſtummte aber unter der Bürde, die ihn niederdrückte. Die Amtmännin kam ihm zu Hilfe und erinnerte ihren Mann, daß, wenn ſein Vorwurf begründet wäre, er ihn nach ſeinem eigenen Ge¬ ſtändniß eben ſo gut und noch ſtärker treffen würde, als den Sonnenwirth. Ach Gott! ſagte dieſer, dankbar für den Beiſtand: wenn Sie er¬ lauben, Herr Amtmann und Frau Amtmännin, ich hab' überhaupt ſchon lange Zeit keine gute Stunde mehr in meiner Familie. Seit mein Sohn amtlich für einen Erzböswicht erklärt worden iſt und jetzt natürlich nichts mehr an mir erben kann, wenn ich ihn auch einſetzen wollt', ſeitdem iſt der Hader zwiſchen meinem Weib und meinen Tochter¬ männern los. Sie liegt mir immer an, ich ſoll' ein Teſtament zu ihren Gunſten machen, und das müſſen die beiden andern, der Chirur¬ gus voran, gemerkt haben. Sie hat ja keine Kinder, bemerkte der Amtmann. Wohl 'geben, aber ſie hat Verwandtſchaft, die ſie auf die Sonne bringen möcht'. Da würde ich vor Allen den Chirurgus bedenken, rieth der Amt¬ mann. Der Mann hat savoir vivre, gibt einen gewandten Wirth und wäre wohl am meiſten geeignet, die Sonne im Flor zu erhalten. Der Sonnenwirth verſprach dieſen guten Rath in Erwägung zu ziehen, gegen welchen die Amtmännin keine Einſprache that. Als er ſich empfehlen wollte, hieß ihn der Amtmann noch bleiben und unter¬ redete ſich mit ihm über den Hauptzweck, wegen deſſen er ihn hatte

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Zitationshilfe: Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855, S. 331. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855/347>, abgerufen am 21.11.2024.