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Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855.

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übel erzogenen Sohnes viele Posten prästiren müssen, sondern auch
neben diesem mußte die ganze Burgerschaft wegen einer solchen schönen
Frucht nicht allein fatigiret werden, sondern auch noch großen Scha¬
den leiden. Der Schwan hat immerdar nach einer Post getrachtet
-- -- -- jetzt hat er das Postreiten, aber nicht nach seinem Sinn
-- -- -- eigennützige Concessionen im Metzgerhandwerk -- -- --
durch Geld und Arglist seinen Mitmeistern das Brod aus dem Mund
genommen" --. Ein unverschämter Calumniant! unterbrach sich der
Amtmann: was die Obrigkeit anordnet, das soll ihr durch Geld
und Arglist abgedrungen worden sein?

Das murmelt er beständig an alle Nachbarn hin, wie mir erzählt
worden ist, sagte der Sonnenwirth.

"Dieses Postrittprästiren", las der Amtmann weiter, "zeugt von
seines Herzens heimlicher Bosheit; der Sohn zeugt vom Vater; da
dieser damals im Beisein meiner sagen dörfen, sein Sohn habe mir
Recht gethan, so möchte ich nun wissen, ob er auch Recht gethan, da
er vor etlich Jahren seines Vaters Haus bestiegen, sich noch rühmte,
wie künstlich und geschickt er wäre, jedoch ein schlechtes Jubiläum von
den Zuschauern erhielte, sondern von männiglich als ein erschreckliches
Exempel angesehen wurde" -- und so weiter. Dummes Zeug! Ich
werde den Briefschreiber für seine unverständigen Lästerworte um einen
kleinen Frevel strafen. Ist Er damit zufrieden?

Aufzuwarten, Herr Amtmann, ich sag' meinen gehorsamen Dank,
antwortete der Sonnenwirth und verbeugte sich.

Hat Er ihn denn zum Reiten beordert?

Da der Herr Amtmann befohlen haben, daß ein für allemal auf jeden
Tag in der Woche ein berittener Mann als Erpreßpostillion parat sein solle,
so hab' ich als Obermeister dem Kreuzwirth den nächsten Ritt auferlegt.

Da er eine wenig erbauliche Figur zu Pferd machen wird, so ist
er dieser Prästation zu entlassen, verfügte der Amtmann.

Wenn's der Herr Amtmann nicht ungnädig nehmen wollten, wagte
der Sonnenwirth einzuwenden, es ist auch das eine von meinen vielen
Sorgen und Verlegenheiten. Die ganze Metzgerzunft wird mir auf¬
sässig wegen des beständigen Reitenmüssens, so daß ich nächstens nicht
mehr weiß, wem ich den Tag ansetzen soll. Sie klagen, es koste sie
so gar viele Zeit und bringe sie im Verdienst zurück. Ein Mancher

übel erzogenen Sohnes viele Poſten präſtiren müſſen, ſondern auch
neben dieſem mußte die ganze Burgerſchaft wegen einer ſolchen ſchönen
Frucht nicht allein fatigiret werden, ſondern auch noch großen Scha¬
den leiden. Der Schwan hat immerdar nach einer Poſt getrachtet
— — — jetzt hat er das Poſtreiten, aber nicht nach ſeinem Sinn
— — — eigennützige Conceſſionen im Metzgerhandwerk — — —
durch Geld und Argliſt ſeinen Mitmeiſtern das Brod aus dem Mund
genommen“ —. Ein unverſchämter Calumniant! unterbrach ſich der
Amtmann: was die Obrigkeit anordnet, das ſoll ihr durch Geld
und Argliſt abgedrungen worden ſein?

Das murmelt er beſtändig an alle Nachbarn hin, wie mir erzählt
worden iſt, ſagte der Sonnenwirth.

„Dieſes Poſtrittpräſtiren“, las der Amtmann weiter, „zeugt von
ſeines Herzens heimlicher Bosheit; der Sohn zeugt vom Vater; da
dieſer damals im Beiſein meiner ſagen dörfen, ſein Sohn habe mir
Recht gethan, ſo möchte ich nun wiſſen, ob er auch Recht gethan, da
er vor etlich Jahren ſeines Vaters Haus beſtiegen, ſich noch rühmte,
wie künſtlich und geſchickt er wäre, jedoch ein ſchlechtes Jubiläum von
den Zuſchauern erhielte, ſondern von männiglich als ein erſchreckliches
Exempel angeſehen wurde“ — und ſo weiter. Dummes Zeug! Ich
werde den Briefſchreiber für ſeine unverſtändigen Läſterworte um einen
kleinen Frevel ſtrafen. Iſt Er damit zufrieden?

Aufzuwarten, Herr Amtmann, ich ſag' meinen gehorſamen Dank,
antwortete der Sonnenwirth und verbeugte ſich.

Hat Er ihn denn zum Reiten beordert?

Da der Herr Amtmann befohlen haben, daß ein für allemal auf jeden
Tag in der Woche ein berittener Mann als Erpreßpoſtillion parat ſein ſolle,
ſo hab' ich als Obermeiſter dem Kreuzwirth den nächſten Ritt auferlegt.

Da er eine wenig erbauliche Figur zu Pferd machen wird, ſo iſt
er dieſer Präſtation zu entlaſſen, verfügte der Amtmann.

Wenn's der Herr Amtmann nicht ungnädig nehmen wollten, wagte
der Sonnenwirth einzuwenden, es iſt auch das eine von meinen vielen
Sorgen und Verlegenheiten. Die ganze Metzgerzunft wird mir auf¬
ſäſſig wegen des beſtändigen Reitenmüſſens, ſo daß ich nächſtens nicht
mehr weiß, wem ich den Tag anſetzen ſoll. Sie klagen, es koſte ſie
ſo gar viele Zeit und bringe ſie im Verdienſt zurück. Ein Mancher

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[330/0346] übel erzogenen Sohnes viele Poſten präſtiren müſſen, ſondern auch neben dieſem mußte die ganze Burgerſchaft wegen einer ſolchen ſchönen Frucht nicht allein fatigiret werden, ſondern auch noch großen Scha¬ den leiden. Der Schwan hat immerdar nach einer Poſt getrachtet — — — jetzt hat er das Poſtreiten, aber nicht nach ſeinem Sinn — — — eigennützige Conceſſionen im Metzgerhandwerk — — — durch Geld und Argliſt ſeinen Mitmeiſtern das Brod aus dem Mund genommen“ —. Ein unverſchämter Calumniant! unterbrach ſich der Amtmann: was die Obrigkeit anordnet, das ſoll ihr durch Geld und Argliſt abgedrungen worden ſein? Das murmelt er beſtändig an alle Nachbarn hin, wie mir erzählt worden iſt, ſagte der Sonnenwirth. „Dieſes Poſtrittpräſtiren“, las der Amtmann weiter, „zeugt von ſeines Herzens heimlicher Bosheit; der Sohn zeugt vom Vater; da dieſer damals im Beiſein meiner ſagen dörfen, ſein Sohn habe mir Recht gethan, ſo möchte ich nun wiſſen, ob er auch Recht gethan, da er vor etlich Jahren ſeines Vaters Haus beſtiegen, ſich noch rühmte, wie künſtlich und geſchickt er wäre, jedoch ein ſchlechtes Jubiläum von den Zuſchauern erhielte, ſondern von männiglich als ein erſchreckliches Exempel angeſehen wurde“ — und ſo weiter. Dummes Zeug! Ich werde den Briefſchreiber für ſeine unverſtändigen Läſterworte um einen kleinen Frevel ſtrafen. Iſt Er damit zufrieden? Aufzuwarten, Herr Amtmann, ich ſag' meinen gehorſamen Dank, antwortete der Sonnenwirth und verbeugte ſich. Hat Er ihn denn zum Reiten beordert? Da der Herr Amtmann befohlen haben, daß ein für allemal auf jeden Tag in der Woche ein berittener Mann als Erpreßpoſtillion parat ſein ſolle, ſo hab' ich als Obermeiſter dem Kreuzwirth den nächſten Ritt auferlegt. Da er eine wenig erbauliche Figur zu Pferd machen wird, ſo iſt er dieſer Präſtation zu entlaſſen, verfügte der Amtmann. Wenn's der Herr Amtmann nicht ungnädig nehmen wollten, wagte der Sonnenwirth einzuwenden, es iſt auch das eine von meinen vielen Sorgen und Verlegenheiten. Die ganze Metzgerzunft wird mir auf¬ ſäſſig wegen des beſtändigen Reitenmüſſens, ſo daß ich nächſtens nicht mehr weiß, wem ich den Tag anſetzen ſoll. Sie klagen, es koſte ſie ſo gar viele Zeit und bringe ſie im Verdienſt zurück. Ein Mancher

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Zitationshilfe: Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855, S. 330. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855/346>, abgerufen am 22.11.2024.