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Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855.

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Sie kannte ihn wohl und hatte die rechte Saite getroffen. Wenn
Ihr eine gute Ahne seid, sagte er, so will ich Fünfe grad' sein lassen.
Aber fahret mir säuberlich mit den Kindern, das sag' ich Euch. Wo
ich auch bin, mein Aug' zielt immer daher und ich weiß immer wie's
bei Euch steht, so gut als wenn ich gegenwärtig wär'.

Er küßte die Kinder, von welchen das kleinere ruhig fortschlief,
und wandte sich zum Gehen.

Ich will noch einmal mit dem Sonnenwirth wegen der Auswan¬
derung reden, rief ihm die Alte nach. Wo Er sich mit der Christine
aufhält, will ich nicht fragen, damit Er nicht wieder mißtrauisch wird.
Er kann sich ja von Zeit zu Zeit erkundigen oder durch vertraute
Leut' anfragen lassen. Und halt' Er sich nicht hier auf, das Klima
ist nicht gesund für Ihn.

Schon recht, aber erst thu' ich noch einen Tuck, antwortete er
und war verschwunden. Die Alte fuhr unter die Decke und murmelte
ein langes Dankgebet für ihr glückliches Entrinnen.

Am andern Tage gerieth der Flecken in eine unaussprechliche Auf¬
regung, als man die Begebenheiten der verflossenen Nacht erfuhr.
Außer dem Besuche bei dem Bäcker, der in Folge der erlittenen Schreck¬
nisse krank darniederlag, hatte der Sonnenwirthle noch ein weit tolleres
Stück verübt. Er war auf unerklärliche Weise in das Haus seines
Todfeindes, des Fischers, eingedrungen, hatte diesen nebst dessen Frau
aus ihrem zweischläfrigen Bette aufgescheucht, sich's auf demselben be¬
quem gemacht und das Ehepaar mit vorgehaltenem Gewehr gezwungen,
ihm die ganze Nacht Gesellschaft zu leisten. Kochend vor Wuth hatte
der Fischer es gleichwohl nicht wagen dürfen, einen Fuß zu rühren
oder einen Laut von sich zu geben, und war der Gewehrmündung des
schwergereizten Feindes, so wie seinem bitter höhnenden Witze eine end¬
lose Nacht hindurch preisgegeben gewesen, während nicht weit davon
auf dem Rathhause für die allgemeine Sicherheit gewacht wurde.
Vor Tagesanbruch hatte der Eindringling das Haus unter den grä߬
lichsten Drohungen und mit feierlicher Wiederholung des Schwures,
daß er den nächsten Angriff unnachsichtlich mit einer Kugel bestrafen
werde, verlassen, ohne jedoch dem Fischer ein Haar gekrümmt zu haben,
und zufrieden mit der Angst, die er ihn hatte ausstehen lassen. Im
Fortgehen aus dem Flecken hatte er sich sodann noch dem obern

Sie kannte ihn wohl und hatte die rechte Saite getroffen. Wenn
Ihr eine gute Ahne ſeid, ſagte er, ſo will ich Fünfe grad' ſein laſſen.
Aber fahret mir ſäuberlich mit den Kindern, das ſag' ich Euch. Wo
ich auch bin, mein Aug' zielt immer daher und ich weiß immer wie's
bei Euch ſteht, ſo gut als wenn ich gegenwärtig wär'.

Er küßte die Kinder, von welchen das kleinere ruhig fortſchlief,
und wandte ſich zum Gehen.

Ich will noch einmal mit dem Sonnenwirth wegen der Auswan¬
derung reden, rief ihm die Alte nach. Wo Er ſich mit der Chriſtine
aufhält, will ich nicht fragen, damit Er nicht wieder mißtrauiſch wird.
Er kann ſich ja von Zeit zu Zeit erkundigen oder durch vertraute
Leut' anfragen laſſen. Und halt' Er ſich nicht hier auf, das Klima
iſt nicht geſund für Ihn.

Schon recht, aber erſt thu' ich noch einen Tuck, antwortete er
und war verſchwunden. Die Alte fuhr unter die Decke und murmelte
ein langes Dankgebet für ihr glückliches Entrinnen.

Am andern Tage gerieth der Flecken in eine unausſprechliche Auf¬
regung, als man die Begebenheiten der verfloſſenen Nacht erfuhr.
Außer dem Beſuche bei dem Bäcker, der in Folge der erlittenen Schreck¬
niſſe krank darniederlag, hatte der Sonnenwirthle noch ein weit tolleres
Stück verübt. Er war auf unerklärliche Weiſe in das Haus ſeines
Todfeindes, des Fiſchers, eingedrungen, hatte dieſen nebſt deſſen Frau
aus ihrem zweiſchläfrigen Bette aufgeſcheucht, ſich's auf demſelben be¬
quem gemacht und das Ehepaar mit vorgehaltenem Gewehr gezwungen,
ihm die ganze Nacht Geſellſchaft zu leiſten. Kochend vor Wuth hatte
der Fiſcher es gleichwohl nicht wagen dürfen, einen Fuß zu rühren
oder einen Laut von ſich zu geben, und war der Gewehrmündung des
ſchwergereizten Feindes, ſo wie ſeinem bitter höhnenden Witze eine end¬
loſe Nacht hindurch preisgegeben geweſen, während nicht weit davon
auf dem Rathhauſe für die allgemeine Sicherheit gewacht wurde.
Vor Tagesanbruch hatte der Eindringling das Haus unter den grä߬
lichſten Drohungen und mit feierlicher Wiederholung des Schwures,
daß er den nächſten Angriff unnachſichtlich mit einer Kugel beſtrafen
werde, verlaſſen, ohne jedoch dem Fiſcher ein Haar gekrümmt zu haben,
und zufrieden mit der Angſt, die er ihn hatte ausſtehen laſſen. Im
Fortgehen aus dem Flecken hatte er ſich ſodann noch dem obern

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[357/0373] Sie kannte ihn wohl und hatte die rechte Saite getroffen. Wenn Ihr eine gute Ahne ſeid, ſagte er, ſo will ich Fünfe grad' ſein laſſen. Aber fahret mir ſäuberlich mit den Kindern, das ſag' ich Euch. Wo ich auch bin, mein Aug' zielt immer daher und ich weiß immer wie's bei Euch ſteht, ſo gut als wenn ich gegenwärtig wär'. Er küßte die Kinder, von welchen das kleinere ruhig fortſchlief, und wandte ſich zum Gehen. Ich will noch einmal mit dem Sonnenwirth wegen der Auswan¬ derung reden, rief ihm die Alte nach. Wo Er ſich mit der Chriſtine aufhält, will ich nicht fragen, damit Er nicht wieder mißtrauiſch wird. Er kann ſich ja von Zeit zu Zeit erkundigen oder durch vertraute Leut' anfragen laſſen. Und halt' Er ſich nicht hier auf, das Klima iſt nicht geſund für Ihn. Schon recht, aber erſt thu' ich noch einen Tuck, antwortete er und war verſchwunden. Die Alte fuhr unter die Decke und murmelte ein langes Dankgebet für ihr glückliches Entrinnen. Am andern Tage gerieth der Flecken in eine unausſprechliche Auf¬ regung, als man die Begebenheiten der verfloſſenen Nacht erfuhr. Außer dem Beſuche bei dem Bäcker, der in Folge der erlittenen Schreck¬ niſſe krank darniederlag, hatte der Sonnenwirthle noch ein weit tolleres Stück verübt. Er war auf unerklärliche Weiſe in das Haus ſeines Todfeindes, des Fiſchers, eingedrungen, hatte dieſen nebſt deſſen Frau aus ihrem zweiſchläfrigen Bette aufgeſcheucht, ſich's auf demſelben be¬ quem gemacht und das Ehepaar mit vorgehaltenem Gewehr gezwungen, ihm die ganze Nacht Geſellſchaft zu leiſten. Kochend vor Wuth hatte der Fiſcher es gleichwohl nicht wagen dürfen, einen Fuß zu rühren oder einen Laut von ſich zu geben, und war der Gewehrmündung des ſchwergereizten Feindes, ſo wie ſeinem bitter höhnenden Witze eine end¬ loſe Nacht hindurch preisgegeben geweſen, während nicht weit davon auf dem Rathhauſe für die allgemeine Sicherheit gewacht wurde. Vor Tagesanbruch hatte der Eindringling das Haus unter den grä߬ lichſten Drohungen und mit feierlicher Wiederholung des Schwures, daß er den nächſten Angriff unnachſichtlich mit einer Kugel beſtrafen werde, verlaſſen, ohne jedoch dem Fiſcher ein Haar gekrümmt zu haben, und zufrieden mit der Angſt, die er ihn hatte ausſtehen laſſen. Im Fortgehen aus dem Flecken hatte er ſich ſodann noch dem obern

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Zitationshilfe: Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855, S. 357. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855/373>, abgerufen am 27.11.2024.