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Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855.

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Weise bildet das Kleid einen großen Sack, in den eine tüchtige Schotten¬
fellerin zwei, drei Ballen von je zwanzig Ellen und mehr nach ein¬
ander hineinprakticiren kann, ohne daß Jemand eine Spur davon sieht.
Ist das Gepolster zu groß, so deckt man's mit dem breiten Strohhut
zu. Der Krämer muß sich's gefallen lassen, daß man vor seine Bude
tritt und seine Waaren prüft. In der Regel hütet er nur die klei¬
nerm Stücke und denkt nicht daran, daß ihm so ein großer Pack ver¬
schwinden kann. Wenn er aber etwas merkt, so zieht man nur den
Faden auf, daß die Waare durch die Säume auf den Boden fällt,
hebt sie auf als ob man sie zufällig vom Tisch gestreift hätte, und
überreicht sie mit dem größten Anstand von der Welt, so daß er noch
höflich danken muß.

Das Schottenfellen, bemerkte der Gast, scheint mir also bloß ein
Geschäft für die Frauenzimmer zu sein. Da haben ja die Männer
das Zusehen.

Ein rechtes Frauenzimmer wird sich's stets als ein Glück anrechnen,
für ihren Geliebten arbeiten zu dürfen, sagte die Aeltere der beiden
Schwestern zärtlich zu ihm.

Die Weiber sind flinker und gescheider als die Männer, bemerkte
die Jüngere stolz. Was die mit ihren plumpen Fingern bei einem
Einbruch davontragen, reicht oft nicht um einen Tag zu leben, wäh¬
rend ich auf einem guten Markt, wie sie am Rhein drüben sind, ein
paar hundert Gulden an einem einzigen Tag verdienen will.

Vom Weibsverdienst zu leben, das wär' nicht nach meinem Ge¬
schmack, versetzte der Gast.

Und ich, erwiderte sie, möcht' mich nicht von einem Mann erhalten
lassen. Lieber will ich ihn erhalten, wenn mir Einer gefällt.

Die Männer sind nicht so müßig dabei, wie man meint, sagte die
Alte. Sie haben auf dem Markt einen wichtigen Dienst zu versehen.
Einmal müssen sie ihren Schottenfellerinnen die Waaren in Sicherheit
bringen, damit diese, wenn gerade ein guter Tag ist, wieder ihrer
Arbeit nachgehen können. Dann müssen sie den Markt bewachen,
nicht bloß gegen die Fleischmänner, die dort Aufsicht halten, sondern oft
auch gegen Bekannte, die sich einen Antheil vom Ertrag nehmen wollen
und vorgeben, man habe ihnen den Markt verderbt. Ein Mann hat
also oft alle Hände voll zu thun, wenn der Markt glücklich ausfallen

Weiſe bildet das Kleid einen großen Sack, in den eine tüchtige Schotten¬
fellerin zwei, drei Ballen von je zwanzig Ellen und mehr nach ein¬
ander hineinprakticiren kann, ohne daß Jemand eine Spur davon ſieht.
Iſt das Gepolſter zu groß, ſo deckt man's mit dem breiten Strohhut
zu. Der Krämer muß ſich's gefallen laſſen, daß man vor ſeine Bude
tritt und ſeine Waaren prüft. In der Regel hütet er nur die klei¬
nerm Stücke und denkt nicht daran, daß ihm ſo ein großer Pack ver¬
ſchwinden kann. Wenn er aber etwas merkt, ſo zieht man nur den
Faden auf, daß die Waare durch die Säume auf den Boden fällt,
hebt ſie auf als ob man ſie zufällig vom Tiſch geſtreift hätte, und
überreicht ſie mit dem größten Anſtand von der Welt, ſo daß er noch
höflich danken muß.

Das Schottenfellen, bemerkte der Gaſt, ſcheint mir alſo bloß ein
Geſchäft für die Frauenzimmer zu ſein. Da haben ja die Männer
das Zuſehen.

Ein rechtes Frauenzimmer wird ſich's ſtets als ein Glück anrechnen,
für ihren Geliebten arbeiten zu dürfen, ſagte die Aeltere der beiden
Schweſtern zärtlich zu ihm.

Die Weiber ſind flinker und geſcheider als die Männer, bemerkte
die Jüngere ſtolz. Was die mit ihren plumpen Fingern bei einem
Einbruch davontragen, reicht oft nicht um einen Tag zu leben, wäh¬
rend ich auf einem guten Markt, wie ſie am Rhein drüben ſind, ein
paar hundert Gulden an einem einzigen Tag verdienen will.

Vom Weibsverdienſt zu leben, das wär' nicht nach meinem Ge¬
ſchmack, verſetzte der Gaſt.

Und ich, erwiderte ſie, möcht' mich nicht von einem Mann erhalten
laſſen. Lieber will ich ihn erhalten, wenn mir Einer gefällt.

Die Männer ſind nicht ſo müßig dabei, wie man meint, ſagte die
Alte. Sie haben auf dem Markt einen wichtigen Dienſt zu verſehen.
Einmal müſſen ſie ihren Schottenfellerinnen die Waaren in Sicherheit
bringen, damit dieſe, wenn gerade ein guter Tag iſt, wieder ihrer
Arbeit nachgehen können. Dann müſſen ſie den Markt bewachen,
nicht bloß gegen die Fleiſchmänner, die dort Aufſicht halten, ſondern oft
auch gegen Bekannte, die ſich einen Antheil vom Ertrag nehmen wollen
und vorgeben, man habe ihnen den Markt verderbt. Ein Mann hat
alſo oft alle Hände voll zu thun, wenn der Markt glücklich ausfallen

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[377/0393] Weiſe bildet das Kleid einen großen Sack, in den eine tüchtige Schotten¬ fellerin zwei, drei Ballen von je zwanzig Ellen und mehr nach ein¬ ander hineinprakticiren kann, ohne daß Jemand eine Spur davon ſieht. Iſt das Gepolſter zu groß, ſo deckt man's mit dem breiten Strohhut zu. Der Krämer muß ſich's gefallen laſſen, daß man vor ſeine Bude tritt und ſeine Waaren prüft. In der Regel hütet er nur die klei¬ nerm Stücke und denkt nicht daran, daß ihm ſo ein großer Pack ver¬ ſchwinden kann. Wenn er aber etwas merkt, ſo zieht man nur den Faden auf, daß die Waare durch die Säume auf den Boden fällt, hebt ſie auf als ob man ſie zufällig vom Tiſch geſtreift hätte, und überreicht ſie mit dem größten Anſtand von der Welt, ſo daß er noch höflich danken muß. Das Schottenfellen, bemerkte der Gaſt, ſcheint mir alſo bloß ein Geſchäft für die Frauenzimmer zu ſein. Da haben ja die Männer das Zuſehen. Ein rechtes Frauenzimmer wird ſich's ſtets als ein Glück anrechnen, für ihren Geliebten arbeiten zu dürfen, ſagte die Aeltere der beiden Schweſtern zärtlich zu ihm. Die Weiber ſind flinker und geſcheider als die Männer, bemerkte die Jüngere ſtolz. Was die mit ihren plumpen Fingern bei einem Einbruch davontragen, reicht oft nicht um einen Tag zu leben, wäh¬ rend ich auf einem guten Markt, wie ſie am Rhein drüben ſind, ein paar hundert Gulden an einem einzigen Tag verdienen will. Vom Weibsverdienſt zu leben, das wär' nicht nach meinem Ge¬ ſchmack, verſetzte der Gaſt. Und ich, erwiderte ſie, möcht' mich nicht von einem Mann erhalten laſſen. Lieber will ich ihn erhalten, wenn mir Einer gefällt. Die Männer ſind nicht ſo müßig dabei, wie man meint, ſagte die Alte. Sie haben auf dem Markt einen wichtigen Dienſt zu verſehen. Einmal müſſen ſie ihren Schottenfellerinnen die Waaren in Sicherheit bringen, damit dieſe, wenn gerade ein guter Tag iſt, wieder ihrer Arbeit nachgehen können. Dann müſſen ſie den Markt bewachen, nicht bloß gegen die Fleiſchmänner, die dort Aufſicht halten, ſondern oft auch gegen Bekannte, die ſich einen Antheil vom Ertrag nehmen wollen und vorgeben, man habe ihnen den Markt verderbt. Ein Mann hat alſo oft alle Hände voll zu thun, wenn der Markt glücklich ausfallen

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Zitationshilfe: Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855, S. 377. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855/393>, abgerufen am 25.11.2024.