Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855.

Bild:
<< vorherige Seite

soll, und Einer allein ist nicht immer Manns genug, denn wenn's
Lärmen gibt, die Fleischmänner über die Weiber herfallen und sie
gefangen nehmen wollen, so müssen die Männer sie oft mit Gefahr
ihres Lebens befreien.

Das läßt sich eher hören, sagte der Gast.

Ja, fiel der Zigeuner ein, da ist im Pfälzischen drüben so ein
vermaledeiter Kerl, der Kastor, der's mit der Kostenbärbel und ihrer
Tochter hält. Der führt eine schöne Polizei auf den pfälzischen Märkten,
läßt die beiden Canaillen unter seiner Aufsicht stehlen so viel sie wollen;
aber andern ehrlichen Leuten, die ein Geschäft machen wollen, paßt er
um so schärfer auf und jagt ihnen Alles wieder ab, nicht für das
Amt, sondern für seinen eignen Sack. Auf dem Bruchsaler Markt,
weißt, Margarethe, wie wir einmal mit einander dort gewesen sind,
da hat er mich auf einmal mit meinem Namen angeredet und hat mir
mit Verhaftung gedroht, wenn ich ihm nicht sechs Carolin gebe. Unser
ganzes Vermögen bestand damals in einem Schwertthaler und einem
Stückchen Wollendamast. Das hat er uns Alles abgejagt und der
Margarethe noch obendrein ihre Haube mit feinen Spitzen, die nicht
einmal vom Markt und wenigstens fünf Gulden werth war, und hat
uns versprochen, daß er's uns auf dem Germersheimer Markt wieder
geben wolle, wenn wir uns gut halten und ihm die Hälfte unsres
dortigen Ertrages abtreten wollen. Hätt' ich einen einzigen entschlosse¬
nen Mann bei mir gehabt, wie ihr Drei seid, da hätten dem infamen
Kerl die Ohren sausen sollen.

Bei einem Nachtgang, bemerkte Schwamenjackel, ist doch mehr Mann¬
haftigkeit und auch mehr Spaß.

Die Mutter meint ja nicht, daß man die Branche ganz aufgeben
soll. Zur Abwechslung kannst du dir immer wieder einen Spaß
machen. Aber Recht hat sie: es kommt nicht viel dabei heraus und
macht ein Aufsehen, daß gleich eine ganze Gegend davon voll ist und
daß man viel Berg' und Thäler zwischen sich und den Ort schieben
muß. Warum haben wir Geld? Warum können wir herrlich und
in Freuden leben, heut und alle Tage? Weil wir auf den rheini¬
schen Märkten gute Geschäfte gemacht haben. Es ist nur Schade,
daß man nicht immerfort in der einen Gegend bleiben kann. Wenn
aber vier zuverlässige Männer, wie wir, mit unsern Weibern zusammen¬

ſoll, und Einer allein iſt nicht immer Manns genug, denn wenn's
Lärmen gibt, die Fleiſchmänner über die Weiber herfallen und ſie
gefangen nehmen wollen, ſo müſſen die Männer ſie oft mit Gefahr
ihres Lebens befreien.

Das läßt ſich eher hören, ſagte der Gaſt.

Ja, fiel der Zigeuner ein, da iſt im Pfälziſchen drüben ſo ein
vermaledeiter Kerl, der Kaſtor, der's mit der Koſtenbärbel und ihrer
Tochter hält. Der führt eine ſchöne Polizei auf den pfälziſchen Märkten,
läßt die beiden Canaillen unter ſeiner Aufſicht ſtehlen ſo viel ſie wollen;
aber andern ehrlichen Leuten, die ein Geſchäft machen wollen, paßt er
um ſo ſchärfer auf und jagt ihnen Alles wieder ab, nicht für das
Amt, ſondern für ſeinen eignen Sack. Auf dem Bruchſaler Markt,
weißt, Margarethe, wie wir einmal mit einander dort geweſen ſind,
da hat er mich auf einmal mit meinem Namen angeredet und hat mir
mit Verhaftung gedroht, wenn ich ihm nicht ſechs Carolin gebe. Unſer
ganzes Vermögen beſtand damals in einem Schwertthaler und einem
Stückchen Wollendamaſt. Das hat er uns Alles abgejagt und der
Margarethe noch obendrein ihre Haube mit feinen Spitzen, die nicht
einmal vom Markt und wenigſtens fünf Gulden werth war, und hat
uns verſprochen, daß er's uns auf dem Germersheimer Markt wieder
geben wolle, wenn wir uns gut halten und ihm die Hälfte unſres
dortigen Ertrages abtreten wollen. Hätt' ich einen einzigen entſchloſſe¬
nen Mann bei mir gehabt, wie ihr Drei ſeid, da hätten dem infamen
Kerl die Ohren ſauſen ſollen.

Bei einem Nachtgang, bemerkte Schwamenjackel, iſt doch mehr Mann¬
haftigkeit und auch mehr Spaß.

Die Mutter meint ja nicht, daß man die Branche ganz aufgeben
ſoll. Zur Abwechslung kannſt du dir immer wieder einen Spaß
machen. Aber Recht hat ſie: es kommt nicht viel dabei heraus und
macht ein Aufſehen, daß gleich eine ganze Gegend davon voll iſt und
daß man viel Berg' und Thäler zwiſchen ſich und den Ort ſchieben
muß. Warum haben wir Geld? Warum können wir herrlich und
in Freuden leben, heut und alle Tage? Weil wir auf den rheini¬
ſchen Märkten gute Geſchäfte gemacht haben. Es iſt nur Schade,
daß man nicht immerfort in der einen Gegend bleiben kann. Wenn
aber vier zuverläſſige Männer, wie wir, mit unſern Weibern zuſammen¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0394" n="378"/>
&#x017F;oll, und Einer allein i&#x017F;t nicht immer Manns genug, denn wenn's<lb/>
Lärmen gibt, die Flei&#x017F;chmänner über die Weiber herfallen und &#x017F;ie<lb/>
gefangen nehmen wollen, &#x017F;o mü&#x017F;&#x017F;en die Männer &#x017F;ie oft mit Gefahr<lb/>
ihres Lebens befreien.</p><lb/>
        <p>Das läßt &#x017F;ich eher hören, &#x017F;agte der Ga&#x017F;t.</p><lb/>
        <p>Ja, fiel der Zigeuner ein, da i&#x017F;t im Pfälzi&#x017F;chen drüben &#x017F;o ein<lb/>
vermaledeiter Kerl, der Ka&#x017F;tor, der's mit der Ko&#x017F;tenbärbel und ihrer<lb/>
Tochter hält. Der führt eine &#x017F;chöne Polizei auf den pfälzi&#x017F;chen Märkten,<lb/>
läßt die beiden Canaillen unter &#x017F;einer Auf&#x017F;icht &#x017F;tehlen &#x017F;o viel &#x017F;ie wollen;<lb/>
aber andern ehrlichen Leuten, die ein Ge&#x017F;chäft machen wollen, paßt er<lb/>
um &#x017F;o &#x017F;chärfer auf und jagt ihnen Alles wieder ab, nicht für das<lb/>
Amt, &#x017F;ondern für &#x017F;einen eignen Sack. Auf dem Bruch&#x017F;aler Markt,<lb/>
weißt, Margarethe, wie wir einmal mit einander dort gewe&#x017F;en &#x017F;ind,<lb/>
da hat er mich auf einmal mit meinem Namen angeredet und hat mir<lb/>
mit Verhaftung gedroht, wenn ich ihm nicht &#x017F;echs Carolin gebe. Un&#x017F;er<lb/>
ganzes Vermögen be&#x017F;tand damals in einem Schwertthaler und einem<lb/>
Stückchen Wollendama&#x017F;t. Das hat er uns Alles abgejagt und der<lb/>
Margarethe noch obendrein ihre Haube mit feinen Spitzen, die nicht<lb/>
einmal vom Markt und wenig&#x017F;tens fünf Gulden werth war, und hat<lb/>
uns ver&#x017F;prochen, daß er's uns auf dem Germersheimer Markt wieder<lb/>
geben wolle, wenn wir uns gut halten und ihm die Hälfte un&#x017F;res<lb/>
dortigen Ertrages abtreten wollen. Hätt' ich einen einzigen ent&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;<lb/>
nen Mann bei mir gehabt, wie ihr Drei &#x017F;eid, da hätten dem infamen<lb/>
Kerl die Ohren &#x017F;au&#x017F;en &#x017F;ollen.</p><lb/>
        <p>Bei einem Nachtgang, bemerkte Schwamenjackel, i&#x017F;t doch mehr Mann¬<lb/>
haftigkeit und auch mehr Spaß.</p><lb/>
        <p>Die Mutter meint ja nicht, daß man die Branche ganz aufgeben<lb/>
&#x017F;oll. Zur Abwechslung kann&#x017F;t du dir immer wieder einen Spaß<lb/>
machen. Aber Recht hat &#x017F;ie: es kommt nicht viel dabei heraus und<lb/>
macht ein Auf&#x017F;ehen, daß gleich eine ganze Gegend davon voll i&#x017F;t und<lb/>
daß man viel Berg' und Thäler zwi&#x017F;chen &#x017F;ich und den Ort &#x017F;chieben<lb/>
muß. Warum haben wir Geld? Warum können wir herrlich und<lb/>
in Freuden leben, heut und alle Tage? Weil wir auf den rheini¬<lb/>
&#x017F;chen Märkten gute Ge&#x017F;chäfte gemacht haben. Es i&#x017F;t nur Schade,<lb/>
daß man nicht immerfort in der einen Gegend bleiben kann. Wenn<lb/>
aber vier zuverlä&#x017F;&#x017F;ige Männer, wie wir, mit un&#x017F;ern Weibern zu&#x017F;ammen¬<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[378/0394] ſoll, und Einer allein iſt nicht immer Manns genug, denn wenn's Lärmen gibt, die Fleiſchmänner über die Weiber herfallen und ſie gefangen nehmen wollen, ſo müſſen die Männer ſie oft mit Gefahr ihres Lebens befreien. Das läßt ſich eher hören, ſagte der Gaſt. Ja, fiel der Zigeuner ein, da iſt im Pfälziſchen drüben ſo ein vermaledeiter Kerl, der Kaſtor, der's mit der Koſtenbärbel und ihrer Tochter hält. Der führt eine ſchöne Polizei auf den pfälziſchen Märkten, läßt die beiden Canaillen unter ſeiner Aufſicht ſtehlen ſo viel ſie wollen; aber andern ehrlichen Leuten, die ein Geſchäft machen wollen, paßt er um ſo ſchärfer auf und jagt ihnen Alles wieder ab, nicht für das Amt, ſondern für ſeinen eignen Sack. Auf dem Bruchſaler Markt, weißt, Margarethe, wie wir einmal mit einander dort geweſen ſind, da hat er mich auf einmal mit meinem Namen angeredet und hat mir mit Verhaftung gedroht, wenn ich ihm nicht ſechs Carolin gebe. Unſer ganzes Vermögen beſtand damals in einem Schwertthaler und einem Stückchen Wollendamaſt. Das hat er uns Alles abgejagt und der Margarethe noch obendrein ihre Haube mit feinen Spitzen, die nicht einmal vom Markt und wenigſtens fünf Gulden werth war, und hat uns verſprochen, daß er's uns auf dem Germersheimer Markt wieder geben wolle, wenn wir uns gut halten und ihm die Hälfte unſres dortigen Ertrages abtreten wollen. Hätt' ich einen einzigen entſchloſſe¬ nen Mann bei mir gehabt, wie ihr Drei ſeid, da hätten dem infamen Kerl die Ohren ſauſen ſollen. Bei einem Nachtgang, bemerkte Schwamenjackel, iſt doch mehr Mann¬ haftigkeit und auch mehr Spaß. Die Mutter meint ja nicht, daß man die Branche ganz aufgeben ſoll. Zur Abwechslung kannſt du dir immer wieder einen Spaß machen. Aber Recht hat ſie: es kommt nicht viel dabei heraus und macht ein Aufſehen, daß gleich eine ganze Gegend davon voll iſt und daß man viel Berg' und Thäler zwiſchen ſich und den Ort ſchieben muß. Warum haben wir Geld? Warum können wir herrlich und in Freuden leben, heut und alle Tage? Weil wir auf den rheini¬ ſchen Märkten gute Geſchäfte gemacht haben. Es iſt nur Schade, daß man nicht immerfort in der einen Gegend bleiben kann. Wenn aber vier zuverläſſige Männer, wie wir, mit unſern Weibern zuſammen¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855/394
Zitationshilfe: Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855, S. 378. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855/394>, abgerufen am 25.11.2024.