Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855.

Bild:
<< vorherige Seite

bis auf wenige Schritte genähert hatte. Es war die blonde Christine,
die ihn vergebens im Walde gesucht hatte und nun auf der Rückkehr
begriffen war. Sie befand sich aber in einer Laune, die nicht nach
den Würzgärten Salomo's schmeckte. Deine Zigeunerin hat mir schon
gesagt, wo du seiest, warf sie mürrisch hin, sie ist mir begegnet.

Sie wird dir gesagt haben, daß ich dich hab' besuchen wollen.

Läßst mich den halben Tag um dich 'rumlaufen.

Nun, jetzt hast mich ja.

Bist mit deiner Zigeunerin 'rumzogen?

Ja.

Gib mir nur mein Halstüchle, mein Müffle und mein' Schurz
wieder. Ich brauch's.

Gereizt durch ihren zänkischen Ton, öffnete er den Büchsenranzen
und gab ihr die gepfändeten Gegenstände zurück. Ich hab' dir auch
einen getüpfelten Schurz mitgebracht, setzte er verdrießlich hinzu: wenn
du aber so widerwärtig bist, ist nichts mit dir anzufangen. Da!

Ich brauch' ihn nicht, sagte sie trutzig.

Nein, du mußt ihn nehmen, rief er. Man kann ja nirgends mit
dir hin in deinem schwarzen leinenen Schurz; wo du hinkommst, sehen
dich die Leut' für ein Baurenmensch an.

Ich bin dir in meinen Kleidern lang gut gnug gewesen, sagte sie
und zog die Hand zurück.

Er warf ihr das Geschenk über die Schulter.

Ich will nichts von deinen gestohlenen Sachen haben! rief sie und
warf es zu Boden.

Wart', ich will dir so unartig sein! rief er zornig und hob die
Hand gegen sie auf. Ich sollt' dich nur --

Schlag' mich nur in dem Zustand, in dem ich bin! rief sie, in
Weinen ausbrechend. Die Liebe ist dir ja doch vergangen. Laß du
mich heim, ich kann schaffen und dienen, ich hab' nicht nöthig gestohlen
Brod zu essen. Geh' du, wo dich dein Herz hin zieht, zu deinem
Zigeunermensch.

Wenn du mir's so machst, erwiderte er, so kann mir die Wahl
nicht weh thun. Aber bis jetzt hast du keinen Grund zur Eifersucht,
das kann ich dir schwören. Uebrigens ist die Zigeunerin christlicher
gesinnt als du. Sie sagt, wenn du mit mir zu ihnen übertretest, so

bis auf wenige Schritte genähert hatte. Es war die blonde Chriſtine,
die ihn vergebens im Walde geſucht hatte und nun auf der Rückkehr
begriffen war. Sie befand ſich aber in einer Laune, die nicht nach
den Würzgärten Salomo's ſchmeckte. Deine Zigeunerin hat mir ſchon
geſagt, wo du ſeieſt, warf ſie mürriſch hin, ſie iſt mir begegnet.

Sie wird dir geſagt haben, daß ich dich hab' beſuchen wollen.

Läßſt mich den halben Tag um dich 'rumlaufen.

Nun, jetzt haſt mich ja.

Biſt mit deiner Zigeunerin 'rumzogen?

Ja.

Gib mir nur mein Halstüchle, mein Müffle und mein' Schurz
wieder. Ich brauch's.

Gereizt durch ihren zänkiſchen Ton, öffnete er den Büchſenranzen
und gab ihr die gepfändeten Gegenſtände zurück. Ich hab' dir auch
einen getüpfelten Schurz mitgebracht, ſetzte er verdrießlich hinzu: wenn
du aber ſo widerwärtig biſt, iſt nichts mit dir anzufangen. Da!

Ich brauch' ihn nicht, ſagte ſie trutzig.

Nein, du mußt ihn nehmen, rief er. Man kann ja nirgends mit
dir hin in deinem ſchwarzen leinenen Schurz; wo du hinkommſt, ſehen
dich die Leut' für ein Baurenmenſch an.

Ich bin dir in meinen Kleidern lang gut gnug geweſen, ſagte ſie
und zog die Hand zurück.

Er warf ihr das Geſchenk über die Schulter.

Ich will nichts von deinen geſtohlenen Sachen haben! rief ſie und
warf es zu Boden.

Wart', ich will dir ſo unartig ſein! rief er zornig und hob die
Hand gegen ſie auf. Ich ſollt' dich nur —

Schlag' mich nur in dem Zuſtand, in dem ich bin! rief ſie, in
Weinen ausbrechend. Die Liebe iſt dir ja doch vergangen. Laß du
mich heim, ich kann ſchaffen und dienen, ich hab' nicht nöthig geſtohlen
Brod zu eſſen. Geh' du, wo dich dein Herz hin zieht, zu deinem
Zigeunermenſch.

Wenn du mir's ſo machſt, erwiderte er, ſo kann mir die Wahl
nicht weh thun. Aber bis jetzt haſt du keinen Grund zur Eiferſucht,
das kann ich dir ſchwören. Uebrigens iſt die Zigeunerin chriſtlicher
geſinnt als du. Sie ſagt, wenn du mit mir zu ihnen übertreteſt, ſo

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0436" n="420"/>
bis auf wenige Schritte genähert hatte. Es war die blonde Chri&#x017F;tine,<lb/>
die ihn vergebens im Walde ge&#x017F;ucht hatte und nun auf der Rückkehr<lb/>
begriffen war. Sie befand &#x017F;ich aber in einer Laune, die nicht nach<lb/>
den Würzgärten Salomo's &#x017F;chmeckte. Deine Zigeunerin hat mir &#x017F;chon<lb/>
ge&#x017F;agt, wo du &#x017F;eie&#x017F;t, warf &#x017F;ie mürri&#x017F;ch hin, &#x017F;ie i&#x017F;t mir begegnet.</p><lb/>
        <p>Sie wird dir ge&#x017F;agt haben, daß ich dich hab' be&#x017F;uchen wollen.</p><lb/>
        <p>Läß&#x017F;t mich den halben Tag um dich 'rumlaufen.</p><lb/>
        <p>Nun, jetzt ha&#x017F;t mich ja.</p><lb/>
        <p>Bi&#x017F;t mit deiner Zigeunerin 'rumzogen?</p><lb/>
        <p>Ja.</p><lb/>
        <p>Gib mir nur mein Halstüchle, mein Müffle und mein' Schurz<lb/>
wieder. Ich brauch's.</p><lb/>
        <p>Gereizt durch ihren zänki&#x017F;chen Ton, öffnete er den Büch&#x017F;enranzen<lb/>
und gab ihr die gepfändeten Gegen&#x017F;tände zurück. Ich hab' dir auch<lb/>
einen getüpfelten Schurz mitgebracht, &#x017F;etzte er verdrießlich hinzu: wenn<lb/>
du aber &#x017F;o widerwärtig bi&#x017F;t, i&#x017F;t nichts mit dir anzufangen. Da!</p><lb/>
        <p>Ich brauch' ihn nicht, &#x017F;agte &#x017F;ie trutzig.</p><lb/>
        <p>Nein, du mußt ihn nehmen, rief er. Man kann ja nirgends mit<lb/>
dir hin in deinem &#x017F;chwarzen leinenen Schurz; wo du hinkomm&#x017F;t, &#x017F;ehen<lb/>
dich die Leut' für ein Baurenmen&#x017F;ch an.</p><lb/>
        <p>Ich bin dir in meinen Kleidern lang gut gnug gewe&#x017F;en, &#x017F;agte &#x017F;ie<lb/>
und zog die Hand zurück.</p><lb/>
        <p>Er warf ihr das Ge&#x017F;chenk über die Schulter.</p><lb/>
        <p>Ich will nichts von deinen ge&#x017F;tohlenen Sachen haben! rief &#x017F;ie und<lb/>
warf es zu Boden.</p><lb/>
        <p>Wart', ich will dir &#x017F;o unartig &#x017F;ein! rief er zornig und hob die<lb/>
Hand gegen &#x017F;ie auf. Ich &#x017F;ollt' dich nur &#x2014;</p><lb/>
        <p>Schlag' mich nur in dem Zu&#x017F;tand, in dem ich bin! rief &#x017F;ie, in<lb/>
Weinen ausbrechend. Die Liebe i&#x017F;t dir ja doch vergangen. Laß du<lb/>
mich heim, ich kann &#x017F;chaffen und dienen, ich hab' nicht nöthig ge&#x017F;tohlen<lb/>
Brod zu e&#x017F;&#x017F;en. Geh' du, wo dich dein Herz hin zieht, zu deinem<lb/>
Zigeunermen&#x017F;ch.</p><lb/>
        <p>Wenn du mir's &#x017F;o mach&#x017F;t, erwiderte er, &#x017F;o kann mir die Wahl<lb/>
nicht weh thun. Aber bis jetzt ha&#x017F;t du keinen Grund zur Eifer&#x017F;ucht,<lb/>
das kann ich dir &#x017F;chwören. Uebrigens i&#x017F;t die Zigeunerin chri&#x017F;tlicher<lb/>
ge&#x017F;innt als du. Sie &#x017F;agt, wenn du mit mir zu ihnen übertrete&#x017F;t, &#x017F;o<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[420/0436] bis auf wenige Schritte genähert hatte. Es war die blonde Chriſtine, die ihn vergebens im Walde geſucht hatte und nun auf der Rückkehr begriffen war. Sie befand ſich aber in einer Laune, die nicht nach den Würzgärten Salomo's ſchmeckte. Deine Zigeunerin hat mir ſchon geſagt, wo du ſeieſt, warf ſie mürriſch hin, ſie iſt mir begegnet. Sie wird dir geſagt haben, daß ich dich hab' beſuchen wollen. Läßſt mich den halben Tag um dich 'rumlaufen. Nun, jetzt haſt mich ja. Biſt mit deiner Zigeunerin 'rumzogen? Ja. Gib mir nur mein Halstüchle, mein Müffle und mein' Schurz wieder. Ich brauch's. Gereizt durch ihren zänkiſchen Ton, öffnete er den Büchſenranzen und gab ihr die gepfändeten Gegenſtände zurück. Ich hab' dir auch einen getüpfelten Schurz mitgebracht, ſetzte er verdrießlich hinzu: wenn du aber ſo widerwärtig biſt, iſt nichts mit dir anzufangen. Da! Ich brauch' ihn nicht, ſagte ſie trutzig. Nein, du mußt ihn nehmen, rief er. Man kann ja nirgends mit dir hin in deinem ſchwarzen leinenen Schurz; wo du hinkommſt, ſehen dich die Leut' für ein Baurenmenſch an. Ich bin dir in meinen Kleidern lang gut gnug geweſen, ſagte ſie und zog die Hand zurück. Er warf ihr das Geſchenk über die Schulter. Ich will nichts von deinen geſtohlenen Sachen haben! rief ſie und warf es zu Boden. Wart', ich will dir ſo unartig ſein! rief er zornig und hob die Hand gegen ſie auf. Ich ſollt' dich nur — Schlag' mich nur in dem Zuſtand, in dem ich bin! rief ſie, in Weinen ausbrechend. Die Liebe iſt dir ja doch vergangen. Laß du mich heim, ich kann ſchaffen und dienen, ich hab' nicht nöthig geſtohlen Brod zu eſſen. Geh' du, wo dich dein Herz hin zieht, zu deinem Zigeunermenſch. Wenn du mir's ſo machſt, erwiderte er, ſo kann mir die Wahl nicht weh thun. Aber bis jetzt haſt du keinen Grund zur Eiferſucht, das kann ich dir ſchwören. Uebrigens iſt die Zigeunerin chriſtlicher geſinnt als du. Sie ſagt, wenn du mit mir zu ihnen übertreteſt, ſo

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855/436
Zitationshilfe: Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855, S. 420. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855/436>, abgerufen am 21.11.2024.