ihm's kein Pfarrer und Niemand nachmachen könnte, der sich nicht zu Grund richten wollte.
So? sagte der Räuber und versank in stummes Nachdenken. So verwandelt und entstellt sein ursprünglich gutes Gemüth war, so konnte er sich doch dem Eindringen der Wahrheit nicht entziehen, die aus diesen Worten hervorleuchtete: die erstere größere Rachethat, womit er die von der bürgerlichen Gesellschaft erlittenen Unbilden zu vergelten meinte, hatte einen Gerechten getroffen.
Er sprach wenig mehr und überließ den Hüter bald der ohne Zweifel willkommenen Einsamkeit, indem er sich wieder in den Wald aufwärts zog.
37.
Ruhig lag die Welt, wie ein eingewiegtes Kind. Das Gewitter hatte den schwülen Druck des Sommers hinweggenommen, und in der freundlichen Kühle athmete alles Wesen auf. Die Felder ruhten von des Tages Hitze, und durch die Blätter des Waldes ging ein frischer sanfter Hauch, daß sie nur leise wie im Traume zitterten. Die Menschen schlürften in bewußtloser Wonne den Segen dieser milden Nacht, die selbst dem Fieberkranken wieder einmal Ruhe und Frieden schenken konnte.
Einer aber schlief nicht. Er bettete sich unter dem dichtesten Ge¬ sträuch, wo nicht einmal ein Wild hinkam, legte den Arm über eine Baumwurzel und bereitete sich so sein Kopfkissen; aber der Schlaf, den er hundertmal auf rauherem Lager gefunden hatte, wollte ihn nicht besuchen. Er drückte die brennenden Augen in das feuchte Moos, aber sein von langer Schlaflosigkeit gequälter Kopf hörte nicht zu summen und zu dröhnen auf. Das Flüstern der Blätter störte ihn; es war ihm, als ob sie sich etwas von ihm erzählten. Er brach wie ein gescheuchtes Wild durch die Zweige, floh aus dem Walde heraus und irrte durch die Aecker und Wiesen, die am Abhang der Anhöhe lagen. An einer Stelle setzte er sich auf einen Markstein, an einer andern legte er sich in das kühle Gras, wo es noch nicht von der Sense berührt war, denn seine Glieder waren von Ermattung wie
ihm's kein Pfarrer und Niemand nachmachen könnte, der ſich nicht zu Grund richten wollte.
So? ſagte der Räuber und verſank in ſtummes Nachdenken. So verwandelt und entſtellt ſein urſprünglich gutes Gemüth war, ſo konnte er ſich doch dem Eindringen der Wahrheit nicht entziehen, die aus dieſen Worten hervorleuchtete: die erſtere größere Rachethat, womit er die von der bürgerlichen Geſellſchaft erlittenen Unbilden zu vergelten meinte, hatte einen Gerechten getroffen.
Er ſprach wenig mehr und überließ den Hüter bald der ohne Zweifel willkommenen Einſamkeit, indem er ſich wieder in den Wald aufwärts zog.
37.
Ruhig lag die Welt, wie ein eingewiegtes Kind. Das Gewitter hatte den ſchwülen Druck des Sommers hinweggenommen, und in der freundlichen Kühle athmete alles Weſen auf. Die Felder ruhten von des Tages Hitze, und durch die Blätter des Waldes ging ein friſcher ſanfter Hauch, daß ſie nur leiſe wie im Traume zitterten. Die Menſchen ſchlürften in bewußtloſer Wonne den Segen dieſer milden Nacht, die ſelbſt dem Fieberkranken wieder einmal Ruhe und Frieden ſchenken konnte.
Einer aber ſchlief nicht. Er bettete ſich unter dem dichteſten Ge¬ ſträuch, wo nicht einmal ein Wild hinkam, legte den Arm über eine Baumwurzel und bereitete ſich ſo ſein Kopfkiſſen; aber der Schlaf, den er hundertmal auf rauherem Lager gefunden hatte, wollte ihn nicht beſuchen. Er drückte die brennenden Augen in das feuchte Moos, aber ſein von langer Schlafloſigkeit gequälter Kopf hörte nicht zu ſummen und zu dröhnen auf. Das Flüſtern der Blätter ſtörte ihn; es war ihm, als ob ſie ſich etwas von ihm erzählten. Er brach wie ein geſcheuchtes Wild durch die Zweige, floh aus dem Walde heraus und irrte durch die Aecker und Wieſen, die am Abhang der Anhöhe lagen. An einer Stelle ſetzte er ſich auf einen Markſtein, an einer andern legte er ſich in das kühle Gras, wo es noch nicht von der Senſe berührt war, denn ſeine Glieder waren von Ermattung wie
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ihm's kein Pfarrer und Niemand nachmachen könnte, der ſich nicht zu
Grund richten wollte.
So? ſagte der Räuber und verſank in ſtummes Nachdenken. So
verwandelt und entſtellt ſein urſprünglich gutes Gemüth war, ſo konnte
er ſich doch dem Eindringen der Wahrheit nicht entziehen, die aus
dieſen Worten hervorleuchtete: die erſtere größere Rachethat, womit er
die von der bürgerlichen Geſellſchaft erlittenen Unbilden zu vergelten
meinte, hatte einen Gerechten getroffen.
Er ſprach wenig mehr und überließ den Hüter bald der ohne
Zweifel willkommenen Einſamkeit, indem er ſich wieder in den Wald
aufwärts zog.
37.
Ruhig lag die Welt, wie ein eingewiegtes Kind. Das Gewitter
hatte den ſchwülen Druck des Sommers hinweggenommen, und in der
freundlichen Kühle athmete alles Weſen auf. Die Felder ruhten von
des Tages Hitze, und durch die Blätter des Waldes ging ein friſcher
ſanfter Hauch, daß ſie nur leiſe wie im Traume zitterten. Die Menſchen
ſchlürften in bewußtloſer Wonne den Segen dieſer milden Nacht, die ſelbſt
dem Fieberkranken wieder einmal Ruhe und Frieden ſchenken konnte.
Einer aber ſchlief nicht. Er bettete ſich unter dem dichteſten Ge¬
ſträuch, wo nicht einmal ein Wild hinkam, legte den Arm über eine
Baumwurzel und bereitete ſich ſo ſein Kopfkiſſen; aber der Schlaf,
den er hundertmal auf rauherem Lager gefunden hatte, wollte ihn
nicht beſuchen. Er drückte die brennenden Augen in das feuchte Moos,
aber ſein von langer Schlafloſigkeit gequälter Kopf hörte nicht
zu ſummen und zu dröhnen auf. Das Flüſtern der Blätter ſtörte
ihn; es war ihm, als ob ſie ſich etwas von ihm erzählten. Er brach
wie ein geſcheuchtes Wild durch die Zweige, floh aus dem Walde
heraus und irrte durch die Aecker und Wieſen, die am Abhang der
Anhöhe lagen. An einer Stelle ſetzte er ſich auf einen Markſtein, an
einer andern legte er ſich in das kühle Gras, wo es noch nicht von
der Senſe berührt war, denn ſeine Glieder waren von Ermattung wie
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Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855, S. 431. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855/447>, abgerufen am 22.11.2024.
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