so wär' ich heut Nacht bei dir eingekehrt, alter Kamerad. Dafür will ich dir jetzt ein wenig Gesellschaft leisten.
Er setzte sich auf den verrufenen Hügel und pflog mit seinen Gedanken Verkehr. Da sie ihm aber zu wild wurden, stand er wieder auf und ging weiter vorwärts, bis er zu einer alten Buche kam, die ihm bequem zum Anstand schien. Das Gewehr in den herab¬ hängenden Händen haltend, lehnte er sich an den Baum und starrte in den blauen Himmel empor. Es war so still, daß der Ton des Mähens von draußen, wie er glaubte, in diese Einsamkeit zu ihm drang. Da weckte ihn ein Geräusch in der Nähe. Er blickte hin und erhob leise das Gewehr. Auf einer kleinen Lichtung, unter der Stelle, wo er seinen Stand genommen, war ein Hirsch herausgetreten, der lauschend stehen blieb. Er legte an, zielte und wollte abdrücken, zog aber in diesem Augenblicke das Gewehr zurück, da er die Ursache entdeckte, die den Hirsch zurückgehalten und ihm so schußgerecht gebracht hatte. In der Richtung des Schusses, auf einer Wiese an der Bergseite gegenüber, sah er zwei Männer mähen; das Rauschen der Sensen hatte das scheue Thier stutzig gemacht, ohne daß es vor dem zu dieser Zeit ge¬ wohnten Tone floh. Die Wiese war so nahe, daß ein Fehlschuß den Männern Gefahr bringen konnte. Er hielt das Gewehr unschlüssig in den Händen und blickte hinüber -- da spannten sich auf einmal alle seine Muskeln und seine Augen traten hervor: der eine der beiden Mäher war der Fischer! Er dachte nicht daran, welche jämmerliche Armuth diesen Menschen getrieben haben mußte, um eines elenden Taglohnes willen sich in dieses abgelegene Thälchen zu wagen, während er in jedem Winkel der Gegend seinen schwergereizten Feind, nach dem er so eben noch geschossen, zu vermuthen hatte -- er dachte nur an seinen wiederholten Schwur, den ersten der drei gedungenen Verfolger, der ihm vor die Mündung kommen würde, zu bezahlen. Hab' ich dich, Mordhund! sagte er die Lippen lautlos bewegend. Er legte das Gewehr wieder an und richtete es seitwärts von dem Hirsche, der noch immer gegen die Wiese hinab lauschte, gegen das in seinen Schuß gekommene Menschenwild. Es bedurfte eines leichten Drucks und seine Rache war gekühlt, der Eid, zu dessen Sklaven er sich machen wollte, war eingelöst. Was hielt ihn zurück?
Er zog das Gewehr wieder an sich und blickte lange auf den
ſo wär' ich heut Nacht bei dir eingekehrt, alter Kamerad. Dafür will ich dir jetzt ein wenig Geſellſchaft leiſten.
Er ſetzte ſich auf den verrufenen Hügel und pflog mit ſeinen Gedanken Verkehr. Da ſie ihm aber zu wild wurden, ſtand er wieder auf und ging weiter vorwärts, bis er zu einer alten Buche kam, die ihm bequem zum Anſtand ſchien. Das Gewehr in den herab¬ hängenden Händen haltend, lehnte er ſich an den Baum und ſtarrte in den blauen Himmel empor. Es war ſo ſtill, daß der Ton des Mähens von draußen, wie er glaubte, in dieſe Einſamkeit zu ihm drang. Da weckte ihn ein Geräuſch in der Nähe. Er blickte hin und erhob leiſe das Gewehr. Auf einer kleinen Lichtung, unter der Stelle, wo er ſeinen Stand genommen, war ein Hirſch herausgetreten, der lauſchend ſtehen blieb. Er legte an, zielte und wollte abdrücken, zog aber in dieſem Augenblicke das Gewehr zurück, da er die Urſache entdeckte, die den Hirſch zurückgehalten und ihm ſo ſchußgerecht gebracht hatte. In der Richtung des Schuſſes, auf einer Wieſe an der Bergſeite gegenüber, ſah er zwei Männer mähen; das Rauſchen der Senſen hatte das ſcheue Thier ſtutzig gemacht, ohne daß es vor dem zu dieſer Zeit ge¬ wohnten Tone floh. Die Wieſe war ſo nahe, daß ein Fehlſchuß den Männern Gefahr bringen konnte. Er hielt das Gewehr unſchlüſſig in den Händen und blickte hinüber — da ſpannten ſich auf einmal alle ſeine Muskeln und ſeine Augen traten hervor: der eine der beiden Mäher war der Fiſcher! Er dachte nicht daran, welche jämmerliche Armuth dieſen Menſchen getrieben haben mußte, um eines elenden Taglohnes willen ſich in dieſes abgelegene Thälchen zu wagen, während er in jedem Winkel der Gegend ſeinen ſchwergereizten Feind, nach dem er ſo eben noch geſchoſſen, zu vermuthen hatte — er dachte nur an ſeinen wiederholten Schwur, den erſten der drei gedungenen Verfolger, der ihm vor die Mündung kommen würde, zu bezahlen. Hab' ich dich, Mordhund! ſagte er die Lippen lautlos bewegend. Er legte das Gewehr wieder an und richtete es ſeitwärts von dem Hirſche, der noch immer gegen die Wieſe hinab lauſchte, gegen das in ſeinen Schuß gekommene Menſchenwild. Es bedurfte eines leichten Drucks und ſeine Rache war gekühlt, der Eid, zu deſſen Sklaven er ſich machen wollte, war eingelöst. Was hielt ihn zurück?
Er zog das Gewehr wieder an ſich und blickte lange auf den
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ſo wär' ich heut Nacht bei dir eingekehrt, alter Kamerad. Dafür
will ich dir jetzt ein wenig Geſellſchaft leiſten.
Er ſetzte ſich auf den verrufenen Hügel und pflog mit ſeinen
Gedanken Verkehr. Da ſie ihm aber zu wild wurden, ſtand er wieder
auf und ging weiter vorwärts, bis er zu einer alten Buche kam,
die ihm bequem zum Anſtand ſchien. Das Gewehr in den herab¬
hängenden Händen haltend, lehnte er ſich an den Baum und ſtarrte
in den blauen Himmel empor. Es war ſo ſtill, daß der Ton des Mähens
von draußen, wie er glaubte, in dieſe Einſamkeit zu ihm drang. Da
weckte ihn ein Geräuſch in der Nähe. Er blickte hin und erhob leiſe das
Gewehr. Auf einer kleinen Lichtung, unter der Stelle, wo er ſeinen
Stand genommen, war ein Hirſch herausgetreten, der lauſchend ſtehen
blieb. Er legte an, zielte und wollte abdrücken, zog aber in dieſem
Augenblicke das Gewehr zurück, da er die Urſache entdeckte, die den
Hirſch zurückgehalten und ihm ſo ſchußgerecht gebracht hatte. In der
Richtung des Schuſſes, auf einer Wieſe an der Bergſeite gegenüber,
ſah er zwei Männer mähen; das Rauſchen der Senſen hatte das
ſcheue Thier ſtutzig gemacht, ohne daß es vor dem zu dieſer Zeit ge¬
wohnten Tone floh. Die Wieſe war ſo nahe, daß ein Fehlſchuß den
Männern Gefahr bringen konnte. Er hielt das Gewehr unſchlüſſig
in den Händen und blickte hinüber — da ſpannten ſich auf einmal
alle ſeine Muskeln und ſeine Augen traten hervor: der eine der beiden
Mäher war der Fiſcher! Er dachte nicht daran, welche jämmerliche
Armuth dieſen Menſchen getrieben haben mußte, um eines elenden
Taglohnes willen ſich in dieſes abgelegene Thälchen zu wagen, während
er in jedem Winkel der Gegend ſeinen ſchwergereizten Feind, nach dem
er ſo eben noch geſchoſſen, zu vermuthen hatte — er dachte nur an
ſeinen wiederholten Schwur, den erſten der drei gedungenen Verfolger,
der ihm vor die Mündung kommen würde, zu bezahlen. Hab' ich dich,
Mordhund! ſagte er die Lippen lautlos bewegend. Er legte das
Gewehr wieder an und richtete es ſeitwärts von dem Hirſche, der noch
immer gegen die Wieſe hinab lauſchte, gegen das in ſeinen Schuß
gekommene Menſchenwild. Es bedurfte eines leichten Drucks und
ſeine Rache war gekühlt, der Eid, zu deſſen Sklaven er ſich machen
wollte, war eingelöst. Was hielt ihn zurück?
Er zog das Gewehr wieder an ſich und blickte lange auf den
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Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855, S. 436. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855/452>, abgerufen am 22.11.2024.
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