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Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855.

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Wäldern auffhalten, und ihre besondere Hüttinen darinn haben,
ohne allen Anstand in die Hände lüffern, und dadurch die ganze Ge¬
gend von diesem Gesindel reinigen wolle, sondern auch, da er gehöret,
daß seine Herzogliche Durchlaucht in der Retour aus der letzten
Campagne durch Mergenthal passiren werden, er sich zu dem Ende
in den Orth begeben habe, um sich Höchstdemeselben zu Füßen zu
werffen, sich zu erkennen zu geben und um Gnade zu bitten; Weil
aber Seine Durchlaucht die Stadt nicht passiret, so seye ihm die
Gelegenheit dazu abgeschnitten worden. -- Q. 2. Ob seine beede
Eltern noch im Leben? -- R. Sein Vatter sey noch im Leben, und
ohngefähr 75 Jahr alt, seine rechte Mutter aber schon vor 15 Jahren
gestorben; Nach ihrem Tod habe sich sein Vatter wiederum an eine
Frau verheurathet, die wenig Liebe vor ihne und seine Geschwistrigte
bezeugt, sehr böß und vortheilhaftig, und eben deßwegen viel daran
schuld gewesen seye, daß, da er sich in ihren Kopf nicht schicken kön¬
nen, ein Excess aus dem andern bei ihm darüber entstanden, und er
zuletzt auf die unglückseligste Abwege gerathen. -- Daß vorstehende
Aussage auf beschehenes Vorleßen von dem Inquisiten nochmalen be¬
stätiget worden, Ein solches bezeugen die Urkunds-Persohnen: Matheus
Brecht, Joseph Luypoldt."

Der wichtige Fang wurde von dem Oberamtmann sogleich unter¬
thänigst einberichtet und, da nach wenigen Tagen die Resolution ein¬
lief, daß die Untersuchung in Vaihingen, als in foro deprehensionis,
geführt werden solle, mit derselben fortgefahren.

So war denn der Verbrecher aus verlorener gesellschaftlicher Stel¬
lung nach kaum dreijähriger Laufbahn ein lebensmüder Gefangener
und Verräther seiner Mitschuldigen geworden. Dieser letztere Zug darf
am wenigsten übergangen werden, denn es handelt sich hier nicht
darum, durch den Aufputz eines Helden der Vorstellung des Lesers
zu schmeicheln, sondern die innere Welt eines Menschen aus dem
Volke darzulegen, damit, wer da will, sich daran spiegeln möge.

Zum Glück ist das Protokoll des Oberamtmanns von Vaihingen
nicht die einzige Quelle hiefür. Er war, im Geiste seiner Zeit, ein
gewissenhafter Beamter, persönlich ein Menschenfreund und Ehrenmann,
dessen Nachkommen noch heute stolz darauf sind, daß er nicht, wie
fast alle Regierungsdiener um ihn her, seine Stelle vom Herzog er¬

Wäldern auffhalten, und ihre beſondere Hüttinen darinn haben,
ohne allen Anſtand in die Hände lüffern, und dadurch die ganze Ge¬
gend von dieſem Geſindel reinigen wolle, ſondern auch, da er gehöret,
daß ſeine Herzogliche Durchlaucht in der Retour aus der letzten
Campagne durch Mergenthal paſſiren werden, er ſich zu dem Ende
in den Orth begeben habe, um ſich Höchſtdemeſelben zu Füßen zu
werffen, ſich zu erkennen zu geben und um Gnade zu bitten; Weil
aber Seine Durchlaucht die Stadt nicht paſſiret, ſo ſeye ihm die
Gelegenheit dazu abgeſchnitten worden. — Q. 2. Ob ſeine beede
Eltern noch im Leben? — R. Sein Vatter ſey noch im Leben, und
ohngefähr 75 Jahr alt, ſeine rechte Mutter aber ſchon vor 15 Jahren
geſtorben; Nach ihrem Tod habe ſich ſein Vatter wiederum an eine
Frau verheurathet, die wenig Liebe vor ihne und ſeine Geſchwiſtrigte
bezeugt, ſehr böß und vortheilhaftig, und eben deßwegen viel daran
ſchuld geweſen ſeye, daß, da er ſich in ihren Kopf nicht ſchicken kön¬
nen, ein Excess aus dem andern bei ihm darüber entſtanden, und er
zuletzt auf die unglückſeligſte Abwege gerathen. — Daß vorſtehende
Ausſage auf beſchehenes Vorleßen von dem Inquisiten nochmalen be¬
ſtätiget worden, Ein ſolches bezeugen die Urkunds-Perſohnen: Matheus
Brecht, Joſeph Luypoldt.“

Der wichtige Fang wurde von dem Oberamtmann ſogleich unter¬
thänigſt einberichtet und, da nach wenigen Tagen die Reſolution ein¬
lief, daß die Unterſuchung in Vaihingen, als in foro deprehensionis,
geführt werden ſolle, mit derſelben fortgefahren.

So war denn der Verbrecher aus verlorener geſellſchaftlicher Stel¬
lung nach kaum dreijähriger Laufbahn ein lebensmüder Gefangener
und Verräther ſeiner Mitſchuldigen geworden. Dieſer letztere Zug darf
am wenigſten übergangen werden, denn es handelt ſich hier nicht
darum, durch den Aufputz eines Helden der Vorſtellung des Leſers
zu ſchmeicheln, ſondern die innere Welt eines Menſchen aus dem
Volke darzulegen, damit, wer da will, ſich daran ſpiegeln möge.

Zum Glück iſt das Protokoll des Oberamtmanns von Vaihingen
nicht die einzige Quelle hiefür. Er war, im Geiſte ſeiner Zeit, ein
gewiſſenhafter Beamter, perſönlich ein Menſchenfreund und Ehrenmann,
deſſen Nachkommen noch heute ſtolz darauf ſind, daß er nicht, wie
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[444/0460] Wäldern auffhalten, und ihre beſondere Hüttinen darinn haben, ohne allen Anſtand in die Hände lüffern, und dadurch die ganze Ge¬ gend von dieſem Geſindel reinigen wolle, ſondern auch, da er gehöret, daß ſeine Herzogliche Durchlaucht in der Retour aus der letzten Campagne durch Mergenthal paſſiren werden, er ſich zu dem Ende in den Orth begeben habe, um ſich Höchſtdemeſelben zu Füßen zu werffen, ſich zu erkennen zu geben und um Gnade zu bitten; Weil aber Seine Durchlaucht die Stadt nicht paſſiret, ſo ſeye ihm die Gelegenheit dazu abgeſchnitten worden. — Q. 2. Ob ſeine beede Eltern noch im Leben? — R. Sein Vatter ſey noch im Leben, und ohngefähr 75 Jahr alt, ſeine rechte Mutter aber ſchon vor 15 Jahren geſtorben; Nach ihrem Tod habe ſich ſein Vatter wiederum an eine Frau verheurathet, die wenig Liebe vor ihne und ſeine Geſchwiſtrigte bezeugt, ſehr böß und vortheilhaftig, und eben deßwegen viel daran ſchuld geweſen ſeye, daß, da er ſich in ihren Kopf nicht ſchicken kön¬ nen, ein Excess aus dem andern bei ihm darüber entſtanden, und er zuletzt auf die unglückſeligſte Abwege gerathen. — Daß vorſtehende Ausſage auf beſchehenes Vorleßen von dem Inquisiten nochmalen be¬ ſtätiget worden, Ein ſolches bezeugen die Urkunds-Perſohnen: Matheus Brecht, Joſeph Luypoldt.“ Der wichtige Fang wurde von dem Oberamtmann ſogleich unter¬ thänigſt einberichtet und, da nach wenigen Tagen die Reſolution ein¬ lief, daß die Unterſuchung in Vaihingen, als in foro deprehensionis, geführt werden ſolle, mit derſelben fortgefahren. So war denn der Verbrecher aus verlorener geſellſchaftlicher Stel¬ lung nach kaum dreijähriger Laufbahn ein lebensmüder Gefangener und Verräther ſeiner Mitſchuldigen geworden. Dieſer letztere Zug darf am wenigſten übergangen werden, denn es handelt ſich hier nicht darum, durch den Aufputz eines Helden der Vorſtellung des Leſers zu ſchmeicheln, ſondern die innere Welt eines Menſchen aus dem Volke darzulegen, damit, wer da will, ſich daran ſpiegeln möge. Zum Glück iſt das Protokoll des Oberamtmanns von Vaihingen nicht die einzige Quelle hiefür. Er war, im Geiſte ſeiner Zeit, ein gewiſſenhafter Beamter, perſönlich ein Menſchenfreund und Ehrenmann, deſſen Nachkommen noch heute ſtolz darauf ſind, daß er nicht, wie faſt alle Regierungsdiener um ihn her, ſeine Stelle vom Herzog er¬

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Zitationshilfe: Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855, S. 444. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855/460>, abgerufen am 22.11.2024.