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Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855.

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dem Felde heimkehrenden Herzog zu erscheinen und zu versuchen, ob
er nicht sein Herz rühren könne. Dieser Einfall verräth eine Treu¬
herzigkeit, die man einem Jauner und Räuber fürwahr nicht zutrauen
sollte. Serenissimus kam aus der bekannten Schlacht von Fulda, die
ein Laufen, kein Schlachten zu nennen war, und in der er seinem auf
preußischer Seite fechtenden Bruder nicht bloß das Feld, sondern auch
eine reich besetzte Tafel nebst einem Theile seiner Armee, während er
mit dem Rest entrann, hinterlassen hatte. In der Laune, die er mit
diesen Lorbeeren heimbrachte, wollte ihn der gefürchtetste Bösewicht
seines Landes um den außerordentlichsten Sonnenschein oberherrlicher
Gnade ansprechen! Der Zufall ersparte ihm eine Enttäuschung, führte
aber dafür einen Sendling der jüdischen Lieutenants in seinen Weg,
der ihn zu einer neuen Unternehmung anwarb und eine halbe Zusage
von ihm erhielt.

Zuerst aber drängte es ihn wieder nach dem Hofe bei Stein. Die
Gegend schien sicherer geworden zu sein, und er blieb wieder einige
Zeit dort stille liegen, bis die Noth ihn aufscheuchte, um das Aner¬
bieten der Juden bei herannahender Frist anzunehmen. Von Christinen,
nach welcher er sich in Gestalt eines Hanfhändlers erkundigte, war
nichts Tröstliches zu vernehmen; vielmehr schien das Gericht Verdacht
gefaßt zu haben, daß sie sein Weib sei, und in diesem Falle mußte er
eine ewige Trennung von ihr gewärtigen. Seine geistige Kraft war
noch früher als die körperliche gebrochen, obgleich auch diese durch Ent¬
behrungen jeder Art auf eine harte Probe gesetzt war. Daß er sich
der nahen wirtembergischen Grenze zuwandte, einer Gegend seines Vater¬
landes, die ihm unbekannt war und wo er sicher zu sein hoffte, be¬
weist, daß der trotzige Muth, mit dem er allen Gefahren seines Be¬
kanntseins in der Markgrafschaft die Stirne geboten hatte, von ihm
gewichen war.

Im großen Hagenschießwalde, der sich von Pforzheim in das Wir¬
tembergische erstreckt, traf er unversehens auf einem abgelegenen Holz¬
wege, wo ein einzelner Soldat nicht leicht zu marschiren pflegt, einen
herzoglichen Grenadier, der noch überdies, um das Sonderbare der
Erscheinung zu vermehren, zu Pferde saß und seine weiße Grenadier¬
mütze tief über das Gesicht gezogen hatte. Beide erkannten sich so¬
gleich. Der Grenadier war sein Landsmann durch Abstammung und

dem Felde heimkehrenden Herzog zu erſcheinen und zu verſuchen, ob
er nicht ſein Herz rühren könne. Dieſer Einfall verräth eine Treu¬
herzigkeit, die man einem Jauner und Räuber fürwahr nicht zutrauen
ſollte. Sereniſſimus kam aus der bekannten Schlacht von Fulda, die
ein Laufen, kein Schlachten zu nennen war, und in der er ſeinem auf
preußiſcher Seite fechtenden Bruder nicht bloß das Feld, ſondern auch
eine reich beſetzte Tafel nebſt einem Theile ſeiner Armee, während er
mit dem Reſt entrann, hinterlaſſen hatte. In der Laune, die er mit
dieſen Lorbeeren heimbrachte, wollte ihn der gefürchtetſte Böſewicht
ſeines Landes um den außerordentlichſten Sonnenſchein oberherrlicher
Gnade anſprechen! Der Zufall erſparte ihm eine Enttäuſchung, führte
aber dafür einen Sendling der jüdiſchen Lieutenants in ſeinen Weg,
der ihn zu einer neuen Unternehmung anwarb und eine halbe Zuſage
von ihm erhielt.

Zuerſt aber drängte es ihn wieder nach dem Hofe bei Stein. Die
Gegend ſchien ſicherer geworden zu ſein, und er blieb wieder einige
Zeit dort ſtille liegen, bis die Noth ihn aufſcheuchte, um das Aner¬
bieten der Juden bei herannahender Friſt anzunehmen. Von Chriſtinen,
nach welcher er ſich in Geſtalt eines Hanfhändlers erkundigte, war
nichts Tröſtliches zu vernehmen; vielmehr ſchien das Gericht Verdacht
gefaßt zu haben, daß ſie ſein Weib ſei, und in dieſem Falle mußte er
eine ewige Trennung von ihr gewärtigen. Seine geiſtige Kraft war
noch früher als die körperliche gebrochen, obgleich auch dieſe durch Ent¬
behrungen jeder Art auf eine harte Probe geſetzt war. Daß er ſich
der nahen wirtembergiſchen Grenze zuwandte, einer Gegend ſeines Vater¬
landes, die ihm unbekannt war und wo er ſicher zu ſein hoffte, be¬
weist, daß der trotzige Muth, mit dem er allen Gefahren ſeines Be¬
kanntſeins in der Markgrafſchaft die Stirne geboten hatte, von ihm
gewichen war.

Im großen Hagenſchießwalde, der ſich von Pforzheim in das Wir¬
tembergiſche erſtreckt, traf er unverſehens auf einem abgelegenen Holz¬
wege, wo ein einzelner Soldat nicht leicht zu marſchiren pflegt, einen
herzoglichen Grenadier, der noch überdies, um das Sonderbare der
Erſcheinung zu vermehren, zu Pferde ſaß und ſeine weiße Grenadier¬
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gleich. Der Grenadier war ſein Landsmann durch Abſtammung und

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[453/0469] dem Felde heimkehrenden Herzog zu erſcheinen und zu verſuchen, ob er nicht ſein Herz rühren könne. Dieſer Einfall verräth eine Treu¬ herzigkeit, die man einem Jauner und Räuber fürwahr nicht zutrauen ſollte. Sereniſſimus kam aus der bekannten Schlacht von Fulda, die ein Laufen, kein Schlachten zu nennen war, und in der er ſeinem auf preußiſcher Seite fechtenden Bruder nicht bloß das Feld, ſondern auch eine reich beſetzte Tafel nebſt einem Theile ſeiner Armee, während er mit dem Reſt entrann, hinterlaſſen hatte. In der Laune, die er mit dieſen Lorbeeren heimbrachte, wollte ihn der gefürchtetſte Böſewicht ſeines Landes um den außerordentlichſten Sonnenſchein oberherrlicher Gnade anſprechen! Der Zufall erſparte ihm eine Enttäuſchung, führte aber dafür einen Sendling der jüdiſchen Lieutenants in ſeinen Weg, der ihn zu einer neuen Unternehmung anwarb und eine halbe Zuſage von ihm erhielt. Zuerſt aber drängte es ihn wieder nach dem Hofe bei Stein. Die Gegend ſchien ſicherer geworden zu ſein, und er blieb wieder einige Zeit dort ſtille liegen, bis die Noth ihn aufſcheuchte, um das Aner¬ bieten der Juden bei herannahender Friſt anzunehmen. Von Chriſtinen, nach welcher er ſich in Geſtalt eines Hanfhändlers erkundigte, war nichts Tröſtliches zu vernehmen; vielmehr ſchien das Gericht Verdacht gefaßt zu haben, daß ſie ſein Weib ſei, und in dieſem Falle mußte er eine ewige Trennung von ihr gewärtigen. Seine geiſtige Kraft war noch früher als die körperliche gebrochen, obgleich auch dieſe durch Ent¬ behrungen jeder Art auf eine harte Probe geſetzt war. Daß er ſich der nahen wirtembergiſchen Grenze zuwandte, einer Gegend ſeines Vater¬ landes, die ihm unbekannt war und wo er ſicher zu ſein hoffte, be¬ weist, daß der trotzige Muth, mit dem er allen Gefahren ſeines Be¬ kanntſeins in der Markgrafſchaft die Stirne geboten hatte, von ihm gewichen war. Im großen Hagenſchießwalde, der ſich von Pforzheim in das Wir¬ tembergiſche erſtreckt, traf er unverſehens auf einem abgelegenen Holz¬ wege, wo ein einzelner Soldat nicht leicht zu marſchiren pflegt, einen herzoglichen Grenadier, der noch überdies, um das Sonderbare der Erſcheinung zu vermehren, zu Pferde ſaß und ſeine weiße Grenadier¬ mütze tief über das Geſicht gezogen hatte. Beide erkannten ſich ſo¬ gleich. Der Grenadier war ſein Landsmann durch Abſtammung und

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Zitationshilfe: Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855, S. 453. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855/469>, abgerufen am 22.11.2024.