weit und breit umher: "hier ist ein sehr Aufenthalt für alle Räu¬ ber" -- nein, sie nennen eine Masse von Ortsbehörden selbst, die mit den Jaunern im engsten Verständniß waren. Nicht von Husaren, Hatschieren, und wie sonst die niedern Beamten der öffentlichen Sicher¬ heit hießen, zu reden, die Schultheißen selbst, und in unglaublicher Anzahl, waren mit den Feinden der öffentlichen Sicherheit förmlich verschworen. Da heißt es auf jeder Seite dieser Denkwürdigkeiten, wo von diesem oder jenem Ort die Rede ist: "Vom Herrn Schultheißen ist mir sehr und wohl bekannt, daß er ein guter Mann gegen die Diebe und Räuber ist", "und so viel weiß ich, wenn Einer verwahrt ist, er sei ein Räuber so groß als er will, so wird Herr Schultheiß ihm durchhelfen", "und die Frau des Sohnes ist wohl zu brauchen auf den Märkten, wie ich selber aus ihrem Munde gehöret, sie wolle mit meiner Frau gehen, denn sie halte man nicht für verdächtig; sie könne besser bei den Krämerständen brav zugreifen; wenn man ein Bekanntes dabei habe, so sei man nicht so im Verdacht." Wieder gibt er in einem andern Orte den Schwager des Schultheißen an, als einen Mann, "der beständig derlei Leute im Haus liegen und auch mit ihnen zu schaffen hat". "Dieser Mann", sagt er. "ist aber anzu¬ sehen für einen frommen Mann, weil er fleißig in die Kirche gehet; aber doch hat er und seine Frau schon lange und Vieles mit den Räubern zu thun; der Schultheiß thut ihm Alles zu wissen, wann eine Streife ergehen soll, denn er erhält zuerst das Schreiben des Oberamts, und wann eine ergehen soll, so thut man es den Räubern gleich zu wissen, daß sie fliehen sollen." "Dieser Schulze", setzt er sofort in seiner ganzen Gewissenhaftigkeit hinzu, als ob er sich nicht das Recht zugestände, demselben gerade zu Leibe zu gehen, "kommt mir auch sehr verdächtig vor: ich habe öfters mit demselben getrunken in seines Schwagers Wohnbehausung, und er hat Alles von mir gesehen, Pulver Blei und Pistolen, hat mir auch selber ein Terzerol" -- im Inqui¬ sitionsprotokoll sagt er immer Terzrohr -- "an Krämerwaaren ver¬ handeln wollen, was aber meine Frau nicht geschehen ließ. Der Schultheiß läßt es nur nicht so öffentlich an den Tag kommen, weil er ein sehr vermöglicher Mann ist, aber nach seinen eigenen Reden, die er gethan, ist ihm" -- von den Spitzbuben nämlich -- "wohl zu trauen. Was aber seinen Schwager und Schwester anbelangt, so hat
weit und breit umher: „hier iſt ein ſehr Aufenthalt für alle Räu¬ ber“ — nein, ſie nennen eine Maſſe von Ortsbehörden ſelbſt, die mit den Jaunern im engſten Verſtändniß waren. Nicht von Huſaren, Hatſchieren, und wie ſonſt die niedern Beamten der öffentlichen Sicher¬ heit hießen, zu reden, die Schultheißen ſelbſt, und in unglaublicher Anzahl, waren mit den Feinden der öffentlichen Sicherheit förmlich verſchworen. Da heißt es auf jeder Seite dieſer Denkwürdigkeiten, wo von dieſem oder jenem Ort die Rede iſt: „Vom Herrn Schultheißen iſt mir ſehr und wohl bekannt, daß er ein guter Mann gegen die Diebe und Räuber iſt“, „und ſo viel weiß ich, wenn Einer verwahrt iſt, er ſei ein Räuber ſo groß als er will, ſo wird Herr Schultheiß ihm durchhelfen“, „und die Frau des Sohnes iſt wohl zu brauchen auf den Märkten, wie ich ſelber aus ihrem Munde gehöret, ſie wolle mit meiner Frau gehen, denn ſie halte man nicht für verdächtig; ſie könne beſſer bei den Krämerſtänden brav zugreifen; wenn man ein Bekanntes dabei habe, ſo ſei man nicht ſo im Verdacht.“ Wieder gibt er in einem andern Orte den Schwager des Schultheißen an, als einen Mann, „der beſtändig derlei Leute im Haus liegen und auch mit ihnen zu ſchaffen hat“. „Dieſer Mann“, ſagt er. „iſt aber anzu¬ ſehen für einen frommen Mann, weil er fleißig in die Kirche gehet; aber doch hat er und ſeine Frau ſchon lange und Vieles mit den Räubern zu thun; der Schultheiß thut ihm Alles zu wiſſen, wann eine Streife ergehen ſoll, denn er erhält zuerſt das Schreiben des Oberamts, und wann eine ergehen ſoll, ſo thut man es den Räubern gleich zu wiſſen, daß ſie fliehen ſollen.“ „Dieſer Schulze“, ſetzt er ſofort in ſeiner ganzen Gewiſſenhaftigkeit hinzu, als ob er ſich nicht das Recht zugeſtände, demſelben gerade zu Leibe zu gehen, „kommt mir auch ſehr verdächtig vor: ich habe öfters mit demſelben getrunken in ſeines Schwagers Wohnbehauſung, und er hat Alles von mir geſehen, Pulver Blei und Piſtolen, hat mir auch ſelber ein Terzerol“ — im Inqui¬ ſitionsprotokoll ſagt er immer Terzrohr — „an Krämerwaaren ver¬ handeln wollen, was aber meine Frau nicht geſchehen ließ. Der Schultheiß läßt es nur nicht ſo öffentlich an den Tag kommen, weil er ein ſehr vermöglicher Mann iſt, aber nach ſeinen eigenen Reden, die er gethan, iſt ihm“ — von den Spitzbuben nämlich — „wohl zu trauen. Was aber ſeinen Schwager und Schweſter anbelangt, ſo hat
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weit und breit umher: „hier iſt ein ſehr Aufenthalt für alle Räu¬
ber“ — nein, ſie nennen eine Maſſe von Ortsbehörden ſelbſt, die mit
den Jaunern im engſten Verſtändniß waren. Nicht von Huſaren,
Hatſchieren, und wie ſonſt die niedern Beamten der öffentlichen Sicher¬
heit hießen, zu reden, die Schultheißen ſelbſt, und in unglaublicher
Anzahl, waren mit den Feinden der öffentlichen Sicherheit förmlich
verſchworen. Da heißt es auf jeder Seite dieſer Denkwürdigkeiten, wo
von dieſem oder jenem Ort die Rede iſt: „Vom Herrn Schultheißen
iſt mir ſehr und wohl bekannt, daß er ein guter Mann gegen die
Diebe und Räuber iſt“, „und ſo viel weiß ich, wenn Einer verwahrt
iſt, er ſei ein Räuber ſo groß als er will, ſo wird Herr Schultheiß
ihm durchhelfen“, „und die Frau des Sohnes iſt wohl zu brauchen
auf den Märkten, wie ich ſelber aus ihrem Munde gehöret, ſie wolle
mit meiner Frau gehen, denn ſie halte man nicht für verdächtig; ſie
könne beſſer bei den Krämerſtänden brav zugreifen; wenn man ein
Bekanntes dabei habe, ſo ſei man nicht ſo im Verdacht.“ Wieder
gibt er in einem andern Orte den Schwager des Schultheißen an, als
einen Mann, „der beſtändig derlei Leute im Haus liegen und auch
mit ihnen zu ſchaffen hat“. „Dieſer Mann“, ſagt er. „iſt aber anzu¬
ſehen für einen frommen Mann, weil er fleißig in die Kirche gehet;
aber doch hat er und ſeine Frau ſchon lange und Vieles mit den
Räubern zu thun; der Schultheiß thut ihm Alles zu wiſſen, wann
eine Streife ergehen ſoll, denn er erhält zuerſt das Schreiben des
Oberamts, und wann eine ergehen ſoll, ſo thut man es den Räubern
gleich zu wiſſen, daß ſie fliehen ſollen.“ „Dieſer Schulze“, ſetzt er
ſofort in ſeiner ganzen Gewiſſenhaftigkeit hinzu, als ob er ſich nicht das
Recht zugeſtände, demſelben gerade zu Leibe zu gehen, „kommt mir auch
ſehr verdächtig vor: ich habe öfters mit demſelben getrunken in ſeines
Schwagers Wohnbehauſung, und er hat Alles von mir geſehen, Pulver
Blei und Piſtolen, hat mir auch ſelber ein Terzerol“ — im Inqui¬
ſitionsprotokoll ſagt er immer Terzrohr — „an Krämerwaaren ver¬
handeln wollen, was aber meine Frau nicht geſchehen ließ. Der
Schultheiß läßt es nur nicht ſo öffentlich an den Tag kommen, weil
er ein ſehr vermöglicher Mann iſt, aber nach ſeinen eigenen Reden,
die er gethan, iſt ihm“ — von den Spitzbuben nämlich — „wohl zu
trauen. Was aber ſeinen Schwager und Schweſter anbelangt, ſo hat
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Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855, S. 479. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855/495>, abgerufen am 25.11.2024.
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