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Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855.

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Capital unterdrückt zeigt, und aus welcher man die Verwünschungen
der Verfasser jener Räuberromane über ihre Verleger wiederklingen
zu hören meint, ihre menschliche Berechtigung um so weniger absprechen,
wenn man bedenkt, daß der Unglückliche aus seinem eigenen Beispiel
sich die Aufforderung entnehmen mußte, so manchen Andern, der auf
Irrwegen wandelte, durch die Zerstörung dieser Diebsnester vor ähn¬
lichem Verderben zu bewahren. Man wird zwar, seinen eigenen Wor¬
ten zufolge, nicht ganz unbedingt gelten lassen, was er bei seinem
Geschichtschreiber, dem Sohne des Oberamtmanns, über diese Angaben
sagt: "Gott weiß, daß nicht der geringste Groll darunter verborgen
liegt, wenn ich jemand entdecke; ich habe im Gegentheil viele von
meinen Freunden, manche, die aus ihren Betten aufgestanden sind, um
mich darin liegen zu lassen, -- nur um das Böse zu verhindern, ver¬
rathen; ich gestehe es, daß mir dieses selbst sehr wehe thut." Es kann
kein Zweifel sein, daß diese Stimmung vor und nach dem Schreiben
aufrichtig war; unter dem Schreiben selbst aber, haben wir gesehen,
überkam ihn das Gefühl des leiblichen und geistigen Schadens, den
ihm diese Leute gethan, und war stärker als er. Ohne Rückhalt wird
man jedoch glauben, was er hinzusetzt: "Wenn ich gedenke, daß da¬
durch ihre Kinder abgehalten werden, den bösen Exempeln ihrer Eltern
zu folgen, daß so viele Unschuldige gerettet, daß manches Kind in
Mutterleibe werde erhalten werden, so bin ich überzeugt, daß ich hieran
Recht gethan habe." -- Um die Zeitbestimmung nicht mißzuverstehen,
wenn er klagt, daß er von seinen jungen Jahren an in solche Häuser
verleitet, in seiner blühenden Jugend in die verruchten Häuser ein¬
gezogen worden sei, muß man sich sagen, daß diese Jugend zu der
Stunde, da er schrieb, noch blühte oder wenigstens nach menschlicher
Berechnung hätte blühen sollen: denn er feierte seinen einunddreißigsten
Geburtstag in dem Gefängniß zu Vaihingen. Die eigentlichen Diebs¬
herbergen aber hat er nach seiner eigenen Angabe, wie sogleich die
folgende Stelle zeigen wird, erst durch seine Verbindung mit der
schwarzen Christine kennen gelernt; und daß diese nicht früher als drei
Jahre vor seiner Vaihinger Verhaftung augefangen hat, geht unwider¬
leglich aus den Acten hervor. Diese nicht einmal vollen drei Jahre
müssen ihm somit, als er die Klage niederschrieb, in welcher er seine
Jugend fern und längst Vergangen sah, wie eine Ewigkeit erschienen

Capital unterdrückt zeigt, und aus welcher man die Verwünſchungen
der Verfaſſer jener Räuberromane über ihre Verleger wiederklingen
zu hören meint, ihre menſchliche Berechtigung um ſo weniger abſprechen,
wenn man bedenkt, daß der Unglückliche aus ſeinem eigenen Beiſpiel
ſich die Aufforderung entnehmen mußte, ſo manchen Andern, der auf
Irrwegen wandelte, durch die Zerſtörung dieſer Diebsneſter vor ähn¬
lichem Verderben zu bewahren. Man wird zwar, ſeinen eigenen Wor¬
ten zufolge, nicht ganz unbedingt gelten laſſen, was er bei ſeinem
Geſchichtſchreiber, dem Sohne des Oberamtmanns, über dieſe Angaben
ſagt: „Gott weiß, daß nicht der geringſte Groll darunter verborgen
liegt, wenn ich jemand entdecke; ich habe im Gegentheil viele von
meinen Freunden, manche, die aus ihren Betten aufgeſtanden ſind, um
mich darin liegen zu laſſen, — nur um das Böſe zu verhindern, ver¬
rathen; ich geſtehe es, daß mir dieſes ſelbſt ſehr wehe thut.“ Es kann
kein Zweifel ſein, daß dieſe Stimmung vor und nach dem Schreiben
aufrichtig war; unter dem Schreiben ſelbſt aber, haben wir geſehen,
überkam ihn das Gefühl des leiblichen und geiſtigen Schadens, den
ihm dieſe Leute gethan, und war ſtärker als er. Ohne Rückhalt wird
man jedoch glauben, was er hinzuſetzt: „Wenn ich gedenke, daß da¬
durch ihre Kinder abgehalten werden, den böſen Exempeln ihrer Eltern
zu folgen, daß ſo viele Unſchuldige gerettet, daß manches Kind in
Mutterleibe werde erhalten werden, ſo bin ich überzeugt, daß ich hieran
Recht gethan habe.“ — Um die Zeitbeſtimmung nicht mißzuverſtehen,
wenn er klagt, daß er von ſeinen jungen Jahren an in ſolche Häuſer
verleitet, in ſeiner blühenden Jugend in die verruchten Häuſer ein¬
gezogen worden ſei, muß man ſich ſagen, daß dieſe Jugend zu der
Stunde, da er ſchrieb, noch blühte oder wenigſtens nach menſchlicher
Berechnung hätte blühen ſollen: denn er feierte ſeinen einunddreißigſten
Geburtstag in dem Gefängniß zu Vaihingen. Die eigentlichen Diebs¬
herbergen aber hat er nach ſeiner eigenen Angabe, wie ſogleich die
folgende Stelle zeigen wird, erſt durch ſeine Verbindung mit der
ſchwarzen Chriſtine kennen gelernt; und daß dieſe nicht früher als drei
Jahre vor ſeiner Vaihinger Verhaftung augefangen hat, geht unwider¬
leglich aus den Acten hervor. Dieſe nicht einmal vollen drei Jahre
müſſen ihm ſomit, als er die Klage niederſchrieb, in welcher er ſeine
Jugend fern und längſt Vergangen ſah, wie eine Ewigkeit erſchienen

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[486/0502] Capital unterdrückt zeigt, und aus welcher man die Verwünſchungen der Verfaſſer jener Räuberromane über ihre Verleger wiederklingen zu hören meint, ihre menſchliche Berechtigung um ſo weniger abſprechen, wenn man bedenkt, daß der Unglückliche aus ſeinem eigenen Beiſpiel ſich die Aufforderung entnehmen mußte, ſo manchen Andern, der auf Irrwegen wandelte, durch die Zerſtörung dieſer Diebsneſter vor ähn¬ lichem Verderben zu bewahren. Man wird zwar, ſeinen eigenen Wor¬ ten zufolge, nicht ganz unbedingt gelten laſſen, was er bei ſeinem Geſchichtſchreiber, dem Sohne des Oberamtmanns, über dieſe Angaben ſagt: „Gott weiß, daß nicht der geringſte Groll darunter verborgen liegt, wenn ich jemand entdecke; ich habe im Gegentheil viele von meinen Freunden, manche, die aus ihren Betten aufgeſtanden ſind, um mich darin liegen zu laſſen, — nur um das Böſe zu verhindern, ver¬ rathen; ich geſtehe es, daß mir dieſes ſelbſt ſehr wehe thut.“ Es kann kein Zweifel ſein, daß dieſe Stimmung vor und nach dem Schreiben aufrichtig war; unter dem Schreiben ſelbſt aber, haben wir geſehen, überkam ihn das Gefühl des leiblichen und geiſtigen Schadens, den ihm dieſe Leute gethan, und war ſtärker als er. Ohne Rückhalt wird man jedoch glauben, was er hinzuſetzt: „Wenn ich gedenke, daß da¬ durch ihre Kinder abgehalten werden, den böſen Exempeln ihrer Eltern zu folgen, daß ſo viele Unſchuldige gerettet, daß manches Kind in Mutterleibe werde erhalten werden, ſo bin ich überzeugt, daß ich hieran Recht gethan habe.“ — Um die Zeitbeſtimmung nicht mißzuverſtehen, wenn er klagt, daß er von ſeinen jungen Jahren an in ſolche Häuſer verleitet, in ſeiner blühenden Jugend in die verruchten Häuſer ein¬ gezogen worden ſei, muß man ſich ſagen, daß dieſe Jugend zu der Stunde, da er ſchrieb, noch blühte oder wenigſtens nach menſchlicher Berechnung hätte blühen ſollen: denn er feierte ſeinen einunddreißigſten Geburtstag in dem Gefängniß zu Vaihingen. Die eigentlichen Diebs¬ herbergen aber hat er nach ſeiner eigenen Angabe, wie ſogleich die folgende Stelle zeigen wird, erſt durch ſeine Verbindung mit der ſchwarzen Chriſtine kennen gelernt; und daß dieſe nicht früher als drei Jahre vor ſeiner Vaihinger Verhaftung augefangen hat, geht unwider¬ leglich aus den Acten hervor. Dieſe nicht einmal vollen drei Jahre müſſen ihm ſomit, als er die Klage niederſchrieb, in welcher er ſeine Jugend fern und längſt Vergangen ſah, wie eine Ewigkeit erſchienen

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Zitationshilfe: Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855, S. 486. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855/502>, abgerufen am 22.11.2024.