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Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855.

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sein. Wohl mag ihm auch eine Erinnerung an jenen Kramet in Rech¬
berghausen vorgeschwebt haben, dessen Bekanntschaft für ihn jedoch nur
eine Vorstufe zu der Leiter in den Abgrund war. Auch hat er diesen
sowohl, als den Hof, auf welchen er der schwarzen Christine folgte,
in seinen Enthüllungen genannt, ohne jedoch einen großen Verrath an
der Freundschaft zu begehen, denn der gute Freund arbeitete bereits seit
zwei Jahren, wie aus dem Amtsbatt vom 28. Februar 1758 hervor¬
geht, puncto furti, receptationis et celationis facinorosorum mit
angehängter Kugel im Zuchthause. Bei diesem Anlasse muß noch her¬
vorgehoben werden, daß durch die Enthüllungen des Verbrechers kein
eigentlicher Landsmann desselben betroffen worden ist: denn die zuletzt
Genannten gehörten ritterschaftlichem Gebiete an. Aus seiner Heimath
hat er Niemand verrathen, als die Genossin seines Unglücks von Anfang
an, die blonde Christine. Wenn hienach das damalige Herzogthum Wir¬
temberg, obgleich sein Zuchthaus stets gefüllt war, doch im Vergleiche
mit den umliegenden Herrschaften und adeligen Besitzungen als der ein¬
zige gesunde Kern von Süddeutschland erscheint, so kann man dies, da
die Nachbarn mit ihm das Christenthum gemein hatten, nur dem Vor¬
züge zuschreiben, daß dieser Bruchtheil des schwäbischen Volkes, wenn
auch in sehr verkümmerter Gestalt, allein noch einen kleinen Rest von
Freiheit und Selbstherrlichkeit besaß.

"Dermalen" -- so schließt die merkwürdige Aufzeichnung -- "soll
nun die Obrigkeit betrachten, was ich in den kurzen etlichen Jahren
schon an Aufenthalten gemeldet habe, und das wird unter den tausend
Aufenthalten kaum ein Theil sein, was nämlich die, welche Zeit- und
Taglebens schon mitlaufen, sagen könnten, wenn sie eine beständige Er¬
kenntniß ablegen wollten. Ich sage an: wie es denn möglich sei, Schelmen
oder Diebe zu fangen, wenn man nicht solche Aufenthalte zuerst ausrottet?
Es gehet etwa ein Schreiben aus von den gnädigsten Herrschaften -- so
sind solche Leute da und machen es den Räubern zu wissen, oder verber¬
gen sie selbst gar. Wie will man dieselben dann bekommen? Es ist
keine Möglichkeit, wenn man solche Orte nicht verderbt; es entspringt
der ganze Ursprung von Stehlen und Rauben aus solchen Häusern.

"Nur um eine kleine Andeutung zu machen, wie mir's in denen
Häusern selbst gepassiret ist: als meine erste Frau, die Christina Müllerin,
in Verhaft gekommen, und mich diese Christina Schettingerin durch ihre

ſein. Wohl mag ihm auch eine Erinnerung an jenen Kramet in Rech¬
berghauſen vorgeſchwebt haben, deſſen Bekanntſchaft für ihn jedoch nur
eine Vorſtufe zu der Leiter in den Abgrund war. Auch hat er dieſen
ſowohl, als den Hof, auf welchen er der ſchwarzen Chriſtine folgte,
in ſeinen Enthüllungen genannt, ohne jedoch einen großen Verrath an
der Freundſchaft zu begehen, denn der gute Freund arbeitete bereits ſeit
zwei Jahren, wie aus dem Amtsbatt vom 28. Februar 1758 hervor¬
geht, puncto furti, receptationis et celationis facinorosorum mit
angehängter Kugel im Zuchthauſe. Bei dieſem Anlaſſe muß noch her¬
vorgehoben werden, daß durch die Enthüllungen des Verbrechers kein
eigentlicher Landsmann deſſelben betroffen worden iſt: denn die zuletzt
Genannten gehörten ritterſchaftlichem Gebiete an. Aus ſeiner Heimath
hat er Niemand verrathen, als die Genoſſin ſeines Unglücks von Anfang
an, die blonde Chriſtine. Wenn hienach das damalige Herzogthum Wir¬
temberg, obgleich ſein Zuchthaus ſtets gefüllt war, doch im Vergleiche
mit den umliegenden Herrſchaften und adeligen Beſitzungen als der ein¬
zige geſunde Kern von Süddeutſchland erſcheint, ſo kann man dies, da
die Nachbarn mit ihm das Chriſtenthum gemein hatten, nur dem Vor¬
züge zuſchreiben, daß dieſer Bruchtheil des ſchwäbiſchen Volkes, wenn
auch in ſehr verkümmerter Geſtalt, allein noch einen kleinen Reſt von
Freiheit und Selbſtherrlichkeit beſaß.

„Dermalen“ — ſo ſchließt die merkwürdige Aufzeichnung — „ſoll
nun die Obrigkeit betrachten, was ich in den kurzen etlichen Jahren
ſchon an Aufenthalten gemeldet habe, und das wird unter den tauſend
Aufenthalten kaum ein Theil ſein, was nämlich die, welche Zeit- und
Taglebens ſchon mitlaufen, ſagen könnten, wenn ſie eine beſtändige Er¬
kenntniß ablegen wollten. Ich ſage an: wie es denn möglich ſei, Schelmen
oder Diebe zu fangen, wenn man nicht ſolche Aufenthalte zuerſt ausrottet?
Es gehet etwa ein Schreiben aus von den gnädigſten Herrſchaften — ſo
ſind ſolche Leute da und machen es den Räubern zu wiſſen, oder verber¬
gen ſie ſelbſt gar. Wie will man dieſelben dann bekommen? Es iſt
keine Möglichkeit, wenn man ſolche Orte nicht verderbt; es entſpringt
der ganze Urſprung von Stehlen und Rauben aus ſolchen Häuſern.

„Nur um eine kleine Andeutung zu machen, wie mir's in denen
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[487/0503] ſein. Wohl mag ihm auch eine Erinnerung an jenen Kramet in Rech¬ berghauſen vorgeſchwebt haben, deſſen Bekanntſchaft für ihn jedoch nur eine Vorſtufe zu der Leiter in den Abgrund war. Auch hat er dieſen ſowohl, als den Hof, auf welchen er der ſchwarzen Chriſtine folgte, in ſeinen Enthüllungen genannt, ohne jedoch einen großen Verrath an der Freundſchaft zu begehen, denn der gute Freund arbeitete bereits ſeit zwei Jahren, wie aus dem Amtsbatt vom 28. Februar 1758 hervor¬ geht, puncto furti, receptationis et celationis facinorosorum mit angehängter Kugel im Zuchthauſe. Bei dieſem Anlaſſe muß noch her¬ vorgehoben werden, daß durch die Enthüllungen des Verbrechers kein eigentlicher Landsmann deſſelben betroffen worden iſt: denn die zuletzt Genannten gehörten ritterſchaftlichem Gebiete an. Aus ſeiner Heimath hat er Niemand verrathen, als die Genoſſin ſeines Unglücks von Anfang an, die blonde Chriſtine. Wenn hienach das damalige Herzogthum Wir¬ temberg, obgleich ſein Zuchthaus ſtets gefüllt war, doch im Vergleiche mit den umliegenden Herrſchaften und adeligen Beſitzungen als der ein¬ zige geſunde Kern von Süddeutſchland erſcheint, ſo kann man dies, da die Nachbarn mit ihm das Chriſtenthum gemein hatten, nur dem Vor¬ züge zuſchreiben, daß dieſer Bruchtheil des ſchwäbiſchen Volkes, wenn auch in ſehr verkümmerter Geſtalt, allein noch einen kleinen Reſt von Freiheit und Selbſtherrlichkeit beſaß. „Dermalen“ — ſo ſchließt die merkwürdige Aufzeichnung — „ſoll nun die Obrigkeit betrachten, was ich in den kurzen etlichen Jahren ſchon an Aufenthalten gemeldet habe, und das wird unter den tauſend Aufenthalten kaum ein Theil ſein, was nämlich die, welche Zeit- und Taglebens ſchon mitlaufen, ſagen könnten, wenn ſie eine beſtändige Er¬ kenntniß ablegen wollten. Ich ſage an: wie es denn möglich ſei, Schelmen oder Diebe zu fangen, wenn man nicht ſolche Aufenthalte zuerſt ausrottet? Es gehet etwa ein Schreiben aus von den gnädigſten Herrſchaften — ſo ſind ſolche Leute da und machen es den Räubern zu wiſſen, oder verber¬ gen ſie ſelbſt gar. Wie will man dieſelben dann bekommen? Es iſt keine Möglichkeit, wenn man ſolche Orte nicht verderbt; es entſpringt der ganze Urſprung von Stehlen und Rauben aus ſolchen Häuſern. „Nur um eine kleine Andeutung zu machen, wie mir's in denen Häuſern ſelbſt gepaſſiret iſt: als meine erſte Frau, die Chriſtina Müllerin, in Verhaft gekommen, und mich dieſe Chriſtina Schettingerin durch ihre

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Zitationshilfe: Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855, S. 487. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855/503>, abgerufen am 22.11.2024.