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Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855.

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lechzet sie, und trinkt das nächste Wasser, das sie krieget, und setzet
sich wo sie einen Stock findet, und nimmt an was ihr werden kann."

Paßt das auf mich? Ich will ja lieber gar Keinen! rief Magda¬
lene laut weinend.

Ohne sich irre machen zu lassen, fuhr die Sonnenwirthin fort:
Ich bin auch jung gewesen, aber in der Furcht Gottes, und so fre¬
ches Zeug ist mir nicht im Schlaf eingefallen, geschweige daß es mir
über die Lippen gekommen wäre. Dein Vater, wie ich ihn genommen
hab', ist auch kein heurig's Häsle mehr gewesen. Im Gegentheil,
dein Bräutigam ist dir noch näher im Alter. Wo ist der Mensch,
dem's in der Welt nach seinem Kopf geht? Ein Christ muß sich
in das schicken, was unser Herrgott über ihn verhängt. Jetzt heul',
so viel du willst, heul' mein'thalben die ganze Nacht da unten. Aber
morgen hat's ein Ende mit dem Heulen, oder wenn's dich zu sauer
ankommt, so wird dir dein Vater schon ein freundlich's Gesicht heraus
bringen helfen, du weißt, er hat Mittel und Wege. Jetzt gut' Nacht,
Jungfer Braut.

Die Alte schoß aus dem Gärtchen in das Haus zurück, wie ein
unheimlicher Nachtvogel. Friedrich eilte sich zu seiner Schwester zu
gesellen, denn, dachte er, die kann's brauchen. Sie war in der Dun¬
kelheit leicht zu finden; er durfte nur dem Schluchzen nachgehen, das
ihren jungfräulichen Busen zu zersprengen drohte. Stillschweigend
faßte er ihre Hand.

Sie hatte ihn nicht kommen hören; erschrocken und zornig riß sie
die Hand weg und rief: Wer ist da?

Gut Freund, Schwesterle. Hat der gelbe Drach' wieder Gift ge¬
spieen? Was ist denn das für ein Bräutigam, dem du die alten
Knochen wärmen sollst?

Ach Gott, der Chirurg!

Was! Der Zaunstecken? -- und nun folgte eine Fluth von
Scheltwörtern, die immer drolliger wurden, so daß das arme Mäd¬
chen zuletzt selbst darüber lachen mußte. Plötzlich aber fiel sie in das
vorige Weinen und Schluchzen zurück und warf die Arme um den
Hals des lustigen Trösters: O lieber Bruder! rief sie -- sie mochte
nicht Frieder sagen, wie die Andern, und Friedrich klang ihr zu vor¬
nehm, zu gewagt -- lieber Bruder, ich wollt' ich wär' bei unserer

lechzet ſie, und trinkt das nächſte Waſſer, das ſie krieget, und ſetzet
ſich wo ſie einen Stock findet, und nimmt an was ihr werden kann.“

Paßt das auf mich? Ich will ja lieber gar Keinen! rief Magda¬
lene laut weinend.

Ohne ſich irre machen zu laſſen, fuhr die Sonnenwirthin fort:
Ich bin auch jung geweſen, aber in der Furcht Gottes, und ſo fre¬
ches Zeug iſt mir nicht im Schlaf eingefallen, geſchweige daß es mir
über die Lippen gekommen wäre. Dein Vater, wie ich ihn genommen
hab', iſt auch kein heurig's Häsle mehr geweſen. Im Gegentheil,
dein Bräutigam iſt dir noch näher im Alter. Wo iſt der Menſch,
dem's in der Welt nach ſeinem Kopf geht? Ein Chriſt muß ſich
in das ſchicken, was unſer Herrgott über ihn verhängt. Jetzt heul',
ſo viel du willſt, heul' mein'thalben die ganze Nacht da unten. Aber
morgen hat's ein Ende mit dem Heulen, oder wenn's dich zu ſauer
ankommt, ſo wird dir dein Vater ſchon ein freundlich's Geſicht heraus
bringen helfen, du weißt, er hat Mittel und Wege. Jetzt gut' Nacht,
Jungfer Braut.

Die Alte ſchoß aus dem Gärtchen in das Haus zurück, wie ein
unheimlicher Nachtvogel. Friedrich eilte ſich zu ſeiner Schweſter zu
geſellen, denn, dachte er, die kann's brauchen. Sie war in der Dun¬
kelheit leicht zu finden; er durfte nur dem Schluchzen nachgehen, das
ihren jungfräulichen Buſen zu zerſprengen drohte. Stillſchweigend
faßte er ihre Hand.

Sie hatte ihn nicht kommen hören; erſchrocken und zornig riß ſie
die Hand weg und rief: Wer iſt da?

Gut Freund, Schweſterle. Hat der gelbe Drach' wieder Gift ge¬
ſpieen? Was iſt denn das für ein Bräutigam, dem du die alten
Knochen wärmen ſollſt?

Ach Gott, der Chirurg!

Was! Der Zaunſtecken? — und nun folgte eine Fluth von
Scheltwörtern, die immer drolliger wurden, ſo daß das arme Mäd¬
chen zuletzt ſelbſt darüber lachen mußte. Plötzlich aber fiel ſie in das
vorige Weinen und Schluchzen zurück und warf die Arme um den
Hals des luſtigen Tröſters: O lieber Bruder! rief ſie — ſie mochte
nicht Frieder ſagen, wie die Andern, und Friedrich klang ihr zu vor¬
nehm, zu gewagt — lieber Bruder, ich wollt' ich wär' bei unſerer

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[42/0058] lechzet ſie, und trinkt das nächſte Waſſer, das ſie krieget, und ſetzet ſich wo ſie einen Stock findet, und nimmt an was ihr werden kann.“ Paßt das auf mich? Ich will ja lieber gar Keinen! rief Magda¬ lene laut weinend. Ohne ſich irre machen zu laſſen, fuhr die Sonnenwirthin fort: Ich bin auch jung geweſen, aber in der Furcht Gottes, und ſo fre¬ ches Zeug iſt mir nicht im Schlaf eingefallen, geſchweige daß es mir über die Lippen gekommen wäre. Dein Vater, wie ich ihn genommen hab', iſt auch kein heurig's Häsle mehr geweſen. Im Gegentheil, dein Bräutigam iſt dir noch näher im Alter. Wo iſt der Menſch, dem's in der Welt nach ſeinem Kopf geht? Ein Chriſt muß ſich in das ſchicken, was unſer Herrgott über ihn verhängt. Jetzt heul', ſo viel du willſt, heul' mein'thalben die ganze Nacht da unten. Aber morgen hat's ein Ende mit dem Heulen, oder wenn's dich zu ſauer ankommt, ſo wird dir dein Vater ſchon ein freundlich's Geſicht heraus bringen helfen, du weißt, er hat Mittel und Wege. Jetzt gut' Nacht, Jungfer Braut. Die Alte ſchoß aus dem Gärtchen in das Haus zurück, wie ein unheimlicher Nachtvogel. Friedrich eilte ſich zu ſeiner Schweſter zu geſellen, denn, dachte er, die kann's brauchen. Sie war in der Dun¬ kelheit leicht zu finden; er durfte nur dem Schluchzen nachgehen, das ihren jungfräulichen Buſen zu zerſprengen drohte. Stillſchweigend faßte er ihre Hand. Sie hatte ihn nicht kommen hören; erſchrocken und zornig riß ſie die Hand weg und rief: Wer iſt da? Gut Freund, Schweſterle. Hat der gelbe Drach' wieder Gift ge¬ ſpieen? Was iſt denn das für ein Bräutigam, dem du die alten Knochen wärmen ſollſt? Ach Gott, der Chirurg! Was! Der Zaunſtecken? — und nun folgte eine Fluth von Scheltwörtern, die immer drolliger wurden, ſo daß das arme Mäd¬ chen zuletzt ſelbſt darüber lachen mußte. Plötzlich aber fiel ſie in das vorige Weinen und Schluchzen zurück und warf die Arme um den Hals des luſtigen Tröſters: O lieber Bruder! rief ſie — ſie mochte nicht Frieder ſagen, wie die Andern, und Friedrich klang ihr zu vor¬ nehm, zu gewagt — lieber Bruder, ich wollt' ich wär' bei unſerer

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Zitationshilfe: Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855, S. 42. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855/58>, abgerufen am 27.11.2024.