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Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855.

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jetzt geht's. So hätt' ich sagen sollen: was der Mensch nicht haben
will, das kann er sich vom Leib' halten.

Da, halt' uns den Regen vom Leib, weil du so ein überstudirter
Kopf bist, sagte Magdalene spottend. Es fing nämlich so eben zu
tröpfeln an.

Gegen den Regen sind Schirme gewachsen, oder auch zum Bei¬
spiel die Laube dort. Komm, wollen uns d'rin bergen, denn es macht
nicht bloß naß herunter, sondern auch recht kühl, und ich bin noch
lang' nicht fertig.

Die beiden Geschwister gingen mit einander nach der Laube. Sie
war noch sommerlich genug überrankt, um vor dem Regen zu schützen,
der jetzt in größern Tropfen auf die Blätter niederschlug.

Den Regen kann man sich allerdings vom Leib halten, wenn
man irgendwo unterzustehen vermag, fuhr Friedrich fort. Aber ich
seh' jetzt doch, daß mein Gleichniß nicht auf Alles paßt. Denn, wenn
mich zum Beispiel ein Blitz trifft, so kann ich ihn nicht --

Behüt' uns Gott! unterbrach ihn seine Schwester. Unberufen, un¬
berufen, unberufen! -- Nachdem sie sich beeilt hatte, diese Zauber¬
formel gegen böse Einflüsse und Vorbedeutungen dreimal auszusprechen,
machte sie ihm lebhafte Vorwürfe wegen seiner sündlichen Rede.

Das ist nur so figürlich gesagt, erwiderte er. Ich hab' dir bloß
zeigen wollen, daß es Dinge in der Welt gibt, die man sich nicht
vom Leib halten kann, wo man conträr wollen muß, man mag
wollen oder nicht. Jetzt kann ich dir aber auch um so besser be¬
weisen, daß es dafür andere gibt, die man sich vom Leib halten kann,
wenn man nur recht tüchtig will. Zum Beispiel den Chirurgen --

Gott Lob und Dank, endlich kommst du doch auf den rechten Text.
Aber sag' nur einmal wie?

Du nimmst ihn eben nicht.

Und wenn der Vater sagt: du mußt?

Dann sagst du: ich will nicht.

Kann ich mir dann auch die Streich' vom Leib' halten?

Ja, sieh, lieb's Kind, das ist's eben, darauf hab' ich von An¬
fang an hinaus gezielt und jetzt ist der Text vollständig. Vogel friß
oder stirb! das ist der Text. Wenn aber das Vögele nicht fressen
will, und es will eben um keinen Preis nicht, so muß es zwar

jetzt geht's. So hätt' ich ſagen ſollen: was der Menſch nicht haben
will, das kann er ſich vom Leib' halten.

Da, halt' uns den Regen vom Leib, weil du ſo ein überſtudirter
Kopf biſt, ſagte Magdalene ſpottend. Es fing nämlich ſo eben zu
tröpfeln an.

Gegen den Regen ſind Schirme gewachſen, oder auch zum Bei¬
ſpiel die Laube dort. Komm, wollen uns d'rin bergen, denn es macht
nicht bloß naß herunter, ſondern auch recht kühl, und ich bin noch
lang' nicht fertig.

Die beiden Geſchwiſter gingen mit einander nach der Laube. Sie
war noch ſommerlich genug überrankt, um vor dem Regen zu ſchützen,
der jetzt in größern Tropfen auf die Blätter niederſchlug.

Den Regen kann man ſich allerdings vom Leib halten, wenn
man irgendwo unterzuſtehen vermag, fuhr Friedrich fort. Aber ich
ſeh' jetzt doch, daß mein Gleichniß nicht auf Alles paßt. Denn, wenn
mich zum Beiſpiel ein Blitz trifft, ſo kann ich ihn nicht —

Behüt' uns Gott! unterbrach ihn ſeine Schweſter. Unberufen, un¬
berufen, unberufen! — Nachdem ſie ſich beeilt hatte, dieſe Zauber¬
formel gegen böſe Einflüſſe und Vorbedeutungen dreimal auszuſprechen,
machte ſie ihm lebhafte Vorwürfe wegen ſeiner ſündlichen Rede.

Das iſt nur ſo figürlich geſagt, erwiderte er. Ich hab' dir bloß
zeigen wollen, daß es Dinge in der Welt gibt, die man ſich nicht
vom Leib halten kann, wo man conträr wollen muß, man mag
wollen oder nicht. Jetzt kann ich dir aber auch um ſo beſſer be¬
weiſen, daß es dafür andere gibt, die man ſich vom Leib halten kann,
wenn man nur recht tüchtig will. Zum Beiſpiel den Chirurgen —

Gott Lob und Dank, endlich kommſt du doch auf den rechten Text.
Aber ſag' nur einmal wie?

Du nimmſt ihn eben nicht.

Und wenn der Vater ſagt: du mußt?

Dann ſagſt du: ich will nicht.

Kann ich mir dann auch die Streich' vom Leib' halten?

Ja, ſieh, lieb's Kind, das iſt's eben, darauf hab' ich von An¬
fang an hinaus gezielt und jetzt iſt der Text vollſtändig. Vogel friß
oder ſtirb! das iſt der Text. Wenn aber das Vögele nicht freſſen
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[44/0060] jetzt geht's. So hätt' ich ſagen ſollen: was der Menſch nicht haben will, das kann er ſich vom Leib' halten. Da, halt' uns den Regen vom Leib, weil du ſo ein überſtudirter Kopf biſt, ſagte Magdalene ſpottend. Es fing nämlich ſo eben zu tröpfeln an. Gegen den Regen ſind Schirme gewachſen, oder auch zum Bei¬ ſpiel die Laube dort. Komm, wollen uns d'rin bergen, denn es macht nicht bloß naß herunter, ſondern auch recht kühl, und ich bin noch lang' nicht fertig. Die beiden Geſchwiſter gingen mit einander nach der Laube. Sie war noch ſommerlich genug überrankt, um vor dem Regen zu ſchützen, der jetzt in größern Tropfen auf die Blätter niederſchlug. Den Regen kann man ſich allerdings vom Leib halten, wenn man irgendwo unterzuſtehen vermag, fuhr Friedrich fort. Aber ich ſeh' jetzt doch, daß mein Gleichniß nicht auf Alles paßt. Denn, wenn mich zum Beiſpiel ein Blitz trifft, ſo kann ich ihn nicht — Behüt' uns Gott! unterbrach ihn ſeine Schweſter. Unberufen, un¬ berufen, unberufen! — Nachdem ſie ſich beeilt hatte, dieſe Zauber¬ formel gegen böſe Einflüſſe und Vorbedeutungen dreimal auszuſprechen, machte ſie ihm lebhafte Vorwürfe wegen ſeiner ſündlichen Rede. Das iſt nur ſo figürlich geſagt, erwiderte er. Ich hab' dir bloß zeigen wollen, daß es Dinge in der Welt gibt, die man ſich nicht vom Leib halten kann, wo man conträr wollen muß, man mag wollen oder nicht. Jetzt kann ich dir aber auch um ſo beſſer be¬ weiſen, daß es dafür andere gibt, die man ſich vom Leib halten kann, wenn man nur recht tüchtig will. Zum Beiſpiel den Chirurgen — Gott Lob und Dank, endlich kommſt du doch auf den rechten Text. Aber ſag' nur einmal wie? Du nimmſt ihn eben nicht. Und wenn der Vater ſagt: du mußt? Dann ſagſt du: ich will nicht. Kann ich mir dann auch die Streich' vom Leib' halten? Ja, ſieh, lieb's Kind, das iſt's eben, darauf hab' ich von An¬ fang an hinaus gezielt und jetzt iſt der Text vollſtändig. Vogel friß oder ſtirb! das iſt der Text. Wenn aber das Vögele nicht freſſen will, und es will eben um keinen Preis nicht, ſo muß es zwar

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Zitationshilfe: Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855, S. 44. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855/60>, abgerufen am 23.11.2024.