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Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855.

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eine alte Jungfer werden will? Meinetwegen kann sie in der Wirth¬
schaft bleiben, so lang sie mag. Deßhalb ist mir's am liebsten, wenn
ich dabei ganz aus dem Spiel bleiben kann. Nichts Schwereres für
eine Stiefmutter, als solcherlei Pflichten zu erfüllen; denn wenn ich
noch so gut sorge, so bin ich doch eben die rechte Mutter nicht, und
wird mir mein Sorgen noch obendrein verdacht. Mach' du die Sach'
mit deiner Tochter ab. Sprich mit ihr und frage sie, was ihr ge¬
fällig sei.

Fragen! brauste der Sonnenwirth auf. Man wird so ein Ding
noch lange fragen. Sie soll froh sein, wenn man sie versorgt. Nun
ja, der Haue muß ein Stiel gedreht werden. Also, wenn kein Andrer
um den Weg ist, so mag's mein'thalben der Chirurgus sein. Aber da soll
er sich nur das Maul abwischen: baar Geld kriegt er keins von mir.

Sei ganz ruhig. Bis wann soll denn die Sach' jetzt richtig werden?

Das lass' ich dir über.

Sieh, Schwan, hob die Sonnenwirthin mit einem freundlichen
und überzeugenden Tone an, ich hab' das schon voraus bedacht, denn
ich muß ja doch an Alles denken. Weißt, morgen ist ja der Monats¬
tag, da kommen die geistlichen Herren wieder zusammen.

Hm, brummte der Sonnenwirth.

Der Amtmann wird auch dabei sein, vielleicht sogar der Vogt von
Göppingen.

Hm, ja.

Und weil unser Haus eigentlich doch auch ein wenig über den
Leisten geschlagen ist, so könnte man dem Ding einen Anstrich geben,
daß es ein recht gesellschaftliches fürnehmes Aussehen bekäme. Weißt,
auf so was verstehst du dich! Wenn die Herren dann aufstehen müssen
und Gesundheit trinken, so wird der Verspruch zur Hauptsach' und
die Herren mögen wollen oder nicht, sie sind dann eigentlich nur um
des Verspruchs willen da.

Der Sonnenwirth hatte immer beifälliger gebrummt. Dabei soll's
bleiben! sagte er endlich. Aber jetzt laß mich schlafen, hast mir die
Zeit lang genug gemacht.

Auch Friedrich hatte genug gehört. Leise wie er gekommen war,
schlich er hinaus und begab sich auf seine Kammer, wo er lange
nicht schlafen konnte.

eine alte Jungfer werden will? Meinetwegen kann ſie in der Wirth¬
ſchaft bleiben, ſo lang ſie mag. Deßhalb iſt mir's am liebſten, wenn
ich dabei ganz aus dem Spiel bleiben kann. Nichts Schwereres für
eine Stiefmutter, als ſolcherlei Pflichten zu erfüllen; denn wenn ich
noch ſo gut ſorge, ſo bin ich doch eben die rechte Mutter nicht, und
wird mir mein Sorgen noch obendrein verdacht. Mach' du die Sach'
mit deiner Tochter ab. Sprich mit ihr und frage ſie, was ihr ge¬
fällig ſei.

Fragen! brauſte der Sonnenwirth auf. Man wird ſo ein Ding
noch lange fragen. Sie ſoll froh ſein, wenn man ſie verſorgt. Nun
ja, der Haue muß ein Stiel gedreht werden. Alſo, wenn kein Andrer
um den Weg iſt, ſo mag's mein'thalben der Chirurgus ſein. Aber da ſoll
er ſich nur das Maul abwiſchen: baar Geld kriegt er keins von mir.

Sei ganz ruhig. Bis wann ſoll denn die Sach' jetzt richtig werden?

Das laſſ' ich dir über.

Sieh, Schwan, hob die Sonnenwirthin mit einem freundlichen
und überzeugenden Tone an, ich hab' das ſchon voraus bedacht, denn
ich muß ja doch an Alles denken. Weißt, morgen iſt ja der Monats¬
tag, da kommen die geiſtlichen Herren wieder zuſammen.

Hm, brummte der Sonnenwirth.

Der Amtmann wird auch dabei ſein, vielleicht ſogar der Vogt von
Göppingen.

Hm, ja.

Und weil unſer Haus eigentlich doch auch ein wenig über den
Leiſten geſchlagen iſt, ſo könnte man dem Ding einen Anſtrich geben,
daß es ein recht geſellſchaftliches fürnehmes Ausſehen bekäme. Weißt,
auf ſo was verſtehſt du dich! Wenn die Herren dann aufſtehen müſſen
und Geſundheit trinken, ſo wird der Verſpruch zur Hauptſach' und
die Herren mögen wollen oder nicht, ſie ſind dann eigentlich nur um
des Verſpruchs willen da.

Der Sonnenwirth hatte immer beifälliger gebrummt. Dabei ſoll's
bleiben! ſagte er endlich. Aber jetzt laß mich ſchlafen, haſt mir die
Zeit lang genug gemacht.

Auch Friedrich hatte genug gehört. Leiſe wie er gekommen war,
ſchlich er hinaus und begab ſich auf ſeine Kammer, wo er lange
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[50/0066] eine alte Jungfer werden will? Meinetwegen kann ſie in der Wirth¬ ſchaft bleiben, ſo lang ſie mag. Deßhalb iſt mir's am liebſten, wenn ich dabei ganz aus dem Spiel bleiben kann. Nichts Schwereres für eine Stiefmutter, als ſolcherlei Pflichten zu erfüllen; denn wenn ich noch ſo gut ſorge, ſo bin ich doch eben die rechte Mutter nicht, und wird mir mein Sorgen noch obendrein verdacht. Mach' du die Sach' mit deiner Tochter ab. Sprich mit ihr und frage ſie, was ihr ge¬ fällig ſei. Fragen! brauſte der Sonnenwirth auf. Man wird ſo ein Ding noch lange fragen. Sie ſoll froh ſein, wenn man ſie verſorgt. Nun ja, der Haue muß ein Stiel gedreht werden. Alſo, wenn kein Andrer um den Weg iſt, ſo mag's mein'thalben der Chirurgus ſein. Aber da ſoll er ſich nur das Maul abwiſchen: baar Geld kriegt er keins von mir. Sei ganz ruhig. Bis wann ſoll denn die Sach' jetzt richtig werden? Das laſſ' ich dir über. Sieh, Schwan, hob die Sonnenwirthin mit einem freundlichen und überzeugenden Tone an, ich hab' das ſchon voraus bedacht, denn ich muß ja doch an Alles denken. Weißt, morgen iſt ja der Monats¬ tag, da kommen die geiſtlichen Herren wieder zuſammen. Hm, brummte der Sonnenwirth. Der Amtmann wird auch dabei ſein, vielleicht ſogar der Vogt von Göppingen. Hm, ja. Und weil unſer Haus eigentlich doch auch ein wenig über den Leiſten geſchlagen iſt, ſo könnte man dem Ding einen Anſtrich geben, daß es ein recht geſellſchaftliches fürnehmes Ausſehen bekäme. Weißt, auf ſo was verſtehſt du dich! Wenn die Herren dann aufſtehen müſſen und Geſundheit trinken, ſo wird der Verſpruch zur Hauptſach' und die Herren mögen wollen oder nicht, ſie ſind dann eigentlich nur um des Verſpruchs willen da. Der Sonnenwirth hatte immer beifälliger gebrummt. Dabei ſoll's bleiben! ſagte er endlich. Aber jetzt laß mich ſchlafen, haſt mir die Zeit lang genug gemacht. Auch Friedrich hatte genug gehört. Leiſe wie er gekommen war, ſchlich er hinaus und begab ſich auf ſeine Kammer, wo er lange nicht ſchlafen konnte.

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Zitationshilfe: Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855, S. 50. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855/66>, abgerufen am 23.11.2024.