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Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855.

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als "glückliche Braut". Der Vater hatte sich inzwischen die Freiheit
und die Ehre genommen, sie als solche im Cabinet vorzustellen, das
man, um der Sache mehr Oeffentlichkeit und Ansehen zu geben, gegen
das Wirthszimmer offen gelassen hatte. Die Herren wünschten Glück,
stießen mit den Gläsern an und machten etliche versteckte scurrile
Witze, Alles das, wie es bei solchen Gelegenheiten zu geschehen pflegt.
Magdalene knixte mit ängstlichem Lächeln und zwang die Thränen
zurück, die freilich sehr nahe waren, aber wie hätte sie vor so ge¬
waltigen Herren wagen können, einen Willen geltend zu machen?
Der Chirurgus stand neben ihr, ganz grün vor Seligkeit. Die Son¬
nenwirthin freute sich, daß sie den niederdrückenden Einfluß, den die
Herrengesellschaft auf das Mädchen üben würde, so sicher voraus be¬
rechnet hatte. Der Sonnenwirth schmunzelte und schwamm in Wohl¬
behagen über die honoratiorenschaftliche Haupt- und Staatsaction.
Friedrich seinerseits ließ im Wirthszimmer seine festliche Bewegung
an einer Flasche aus, die, als sie mit lautem Klirren am Boden zer¬
brach, die allgemeine Stimmung durch Schrecken, Lachen, Zorn und
Scheltworte hindurch in das gewöhnliche Geleise zurückbrachte. Die
Thüre des Cabinets schloß sich wieder, die Wirthschaft ging ihren
Gang, und als die Herren Abends ihre Sitzung aufhoben, blieb es
ein Geheimniß, was der Gegenstand ihrer Unterhaltung gewesen war,
ob die Ewigkeit der Höllenstrafen oder die Aufbesserung der Besol¬
dungen. Nur Eines hatte sich entschieden und unabänderlich festge¬
stellt, nämlich, daß Magdalene jetzt das war, was sie vergangene
Nacht um keinen Preis, selbst nicht um den Preis ihres Lebens, hatte
werden wollen.

Friedrich redete den ganzen Abend kein Wort mit seiner Schwester.
Als sie ihn einmal lange schüchtern und bittend ansah, antwortete er
mit einem Blick, der ihr deutlich sagte, daß er, wenn er Gelegenheit
hätte, seinen tollen Jähzorn thätlich an ihr auslassen würde. Sie
vermied es deßhalb, allein mit ihm zusammenzutreffen. Da man ihr
jetzt keinen Zwang mehr anthat und ihr Bräutigam, geduldig auf
besseres Wetter wartend, sich bei Zeiten nach Hause gemacht hatte, so
ging sie noch vor dem Abendessen zu Bette.

Auch diese Nacht konnte Friedrich die Augen lange nicht schließen.
Es war ihm sehr übel zu Muthe. Der Zorn über das feige Benehmen

als „glückliche Braut“. Der Vater hatte ſich inzwiſchen die Freiheit
und die Ehre genommen, ſie als ſolche im Cabinet vorzuſtellen, das
man, um der Sache mehr Oeffentlichkeit und Anſehen zu geben, gegen
das Wirthszimmer offen gelaſſen hatte. Die Herren wünſchten Glück,
ſtießen mit den Gläſern an und machten etliche verſteckte ſcurrile
Witze, Alles das, wie es bei ſolchen Gelegenheiten zu geſchehen pflegt.
Magdalene knixte mit ängſtlichem Lächeln und zwang die Thränen
zurück, die freilich ſehr nahe waren, aber wie hätte ſie vor ſo ge¬
waltigen Herren wagen können, einen Willen geltend zu machen?
Der Chirurgus ſtand neben ihr, ganz grün vor Seligkeit. Die Son¬
nenwirthin freute ſich, daß ſie den niederdrückenden Einfluß, den die
Herrengeſellſchaft auf das Mädchen üben würde, ſo ſicher voraus be¬
rechnet hatte. Der Sonnenwirth ſchmunzelte und ſchwamm in Wohl¬
behagen über die honoratiorenſchaftliche Haupt- und Staatsaction.
Friedrich ſeinerſeits ließ im Wirthszimmer ſeine feſtliche Bewegung
an einer Flaſche aus, die, als ſie mit lautem Klirren am Boden zer¬
brach, die allgemeine Stimmung durch Schrecken, Lachen, Zorn und
Scheltworte hindurch in das gewöhnliche Geleiſe zurückbrachte. Die
Thüre des Cabinets ſchloß ſich wieder, die Wirthſchaft ging ihren
Gang, und als die Herren Abends ihre Sitzung aufhoben, blieb es
ein Geheimniß, was der Gegenſtand ihrer Unterhaltung geweſen war,
ob die Ewigkeit der Höllenſtrafen oder die Aufbeſſerung der Beſol¬
dungen. Nur Eines hatte ſich entſchieden und unabänderlich feſtge¬
ſtellt, nämlich, daß Magdalene jetzt das war, was ſie vergangene
Nacht um keinen Preis, ſelbſt nicht um den Preis ihres Lebens, hatte
werden wollen.

Friedrich redete den ganzen Abend kein Wort mit ſeiner Schweſter.
Als ſie ihn einmal lange ſchüchtern und bittend anſah, antwortete er
mit einem Blick, der ihr deutlich ſagte, daß er, wenn er Gelegenheit
hätte, ſeinen tollen Jähzorn thätlich an ihr auslaſſen würde. Sie
vermied es deßhalb, allein mit ihm zuſammenzutreffen. Da man ihr
jetzt keinen Zwang mehr anthat und ihr Bräutigam, geduldig auf
beſſeres Wetter wartend, ſich bei Zeiten nach Hauſe gemacht hatte, ſo
ging ſie noch vor dem Abendeſſen zu Bette.

Auch dieſe Nacht konnte Friedrich die Augen lange nicht ſchließen.
Es war ihm ſehr übel zu Muthe. Der Zorn über das feige Benehmen

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[55/0071] als „glückliche Braut“. Der Vater hatte ſich inzwiſchen die Freiheit und die Ehre genommen, ſie als ſolche im Cabinet vorzuſtellen, das man, um der Sache mehr Oeffentlichkeit und Anſehen zu geben, gegen das Wirthszimmer offen gelaſſen hatte. Die Herren wünſchten Glück, ſtießen mit den Gläſern an und machten etliche verſteckte ſcurrile Witze, Alles das, wie es bei ſolchen Gelegenheiten zu geſchehen pflegt. Magdalene knixte mit ängſtlichem Lächeln und zwang die Thränen zurück, die freilich ſehr nahe waren, aber wie hätte ſie vor ſo ge¬ waltigen Herren wagen können, einen Willen geltend zu machen? Der Chirurgus ſtand neben ihr, ganz grün vor Seligkeit. Die Son¬ nenwirthin freute ſich, daß ſie den niederdrückenden Einfluß, den die Herrengeſellſchaft auf das Mädchen üben würde, ſo ſicher voraus be¬ rechnet hatte. Der Sonnenwirth ſchmunzelte und ſchwamm in Wohl¬ behagen über die honoratiorenſchaftliche Haupt- und Staatsaction. Friedrich ſeinerſeits ließ im Wirthszimmer ſeine feſtliche Bewegung an einer Flaſche aus, die, als ſie mit lautem Klirren am Boden zer¬ brach, die allgemeine Stimmung durch Schrecken, Lachen, Zorn und Scheltworte hindurch in das gewöhnliche Geleiſe zurückbrachte. Die Thüre des Cabinets ſchloß ſich wieder, die Wirthſchaft ging ihren Gang, und als die Herren Abends ihre Sitzung aufhoben, blieb es ein Geheimniß, was der Gegenſtand ihrer Unterhaltung geweſen war, ob die Ewigkeit der Höllenſtrafen oder die Aufbeſſerung der Beſol¬ dungen. Nur Eines hatte ſich entſchieden und unabänderlich feſtge¬ ſtellt, nämlich, daß Magdalene jetzt das war, was ſie vergangene Nacht um keinen Preis, ſelbſt nicht um den Preis ihres Lebens, hatte werden wollen. Friedrich redete den ganzen Abend kein Wort mit ſeiner Schweſter. Als ſie ihn einmal lange ſchüchtern und bittend anſah, antwortete er mit einem Blick, der ihr deutlich ſagte, daß er, wenn er Gelegenheit hätte, ſeinen tollen Jähzorn thätlich an ihr auslaſſen würde. Sie vermied es deßhalb, allein mit ihm zuſammenzutreffen. Da man ihr jetzt keinen Zwang mehr anthat und ihr Bräutigam, geduldig auf beſſeres Wetter wartend, ſich bei Zeiten nach Hauſe gemacht hatte, ſo ging ſie noch vor dem Abendeſſen zu Bette. Auch dieſe Nacht konnte Friedrich die Augen lange nicht ſchließen. Es war ihm ſehr übel zu Muthe. Der Zorn über das feige Benehmen

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Zitationshilfe: Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855, S. 55. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855/71>, abgerufen am 23.11.2024.