Ei, hat nicht auch der reiche Boas die Ruth geheirathet, die arme Aehrenleserin?
Man lebt jetzt nicht mehr im alten Testament. Und wenn auch er aus der Art geschlagen wär', was wird der Sonnenwirth dazu sagen? Wart, du wirst eine Ehr' aufheben.
Kommt Zeit, kommt Rath.
Die Zeit bringt nicht bloß Rosen, sie bringt auch Disteln.
Je nachdem man's pflanzt. Das Sprichwort sagt: Mädchen müssen nach Einer Feder über drei Zäune springen. Von den armen gilt das zweimal.
Ich will mein Kind Keinem nachwerfen, fuhr er auf.
Davon ist auch nicht die Red', sagte sie. Nachwerfen und Versorgen ist nicht einerlei. Wenn du das aber so sicher hast wie den Weck auf'm Laden, so kannst du freilich sitzen und warten bis ein Freier aus Schlaraffen¬ land angeritten kommt, um sich die vollen Kisten und Kasten zu besehen.
Schwätz' du dem Teufel ein Ohr weg, sagte er, der Thüre zugehend. Ich aber will keine Unehr' und keinen Unfrieden von der Sach' haben.
Du bist kurz angebunden, warf sie ihm nach, und aber was du sagst, gibt auch noch kein' langen Faden. Denk' nur auch dran, daß das fürnehm' Füllen einen großen Fleck hat, der's nicht schöner macht. Der Sonnenwirth muß ja selber wissen, daß er nicht mehr den höch¬ sten Preis daraus löst. Aber was zum Reitpferd verdorben ist, gibt oft noch ein gutes Ackerpferd, und einem geschenkten Gaul guck' ich nicht in's Maul.
Der Alte blieb in der Thüre stehen. Die letzten Bemerkungen seines Weibes schienen ihm doch einigermaßen einzuleuchten. Er ant¬ wortete nichts darauf, dachte aber eine Weile nach und ging dann mit einem halb mürrischen halb zufriedenen Brummen hinaus.
Die Mutter rief Christinen, die gar nicht weit gewesen war. Mach' daß du an die Kunkel kommst, Sonnenwirthin, sagte sie. Meinst du, es sei schon so weit und du könnest Feierabend machen?
Mutter, erwiderte das Mädchen, auf die grobe Füllung der Kun¬ kel deutend, ich weiß wohl, das gibt kein Hochzeitkleid.
Unser Herrgott hat die Welt aus nichts erschaffen und den Men¬ schen aus einem Erdenkloß. Die Amtmännin ist, just wie ihre Ka¬
Ein Sohn aus einem fürnehmen Haus!
Ei, hat nicht auch der reiche Boas die Ruth geheirathet, die arme Aehrenleſerin?
Man lebt jetzt nicht mehr im alten Teſtament. Und wenn auch er aus der Art geſchlagen wär', was wird der Sonnenwirth dazu ſagen? Wart, du wirſt eine Ehr' aufheben.
Kommt Zeit, kommt Rath.
Die Zeit bringt nicht bloß Roſen, ſie bringt auch Diſteln.
Je nachdem man's pflanzt. Das Sprichwort ſagt: Mädchen müſſen nach Einer Feder über drei Zäune ſpringen. Von den armen gilt das zweimal.
Ich will mein Kind Keinem nachwerfen, fuhr er auf.
Davon iſt auch nicht die Red', ſagte ſie. Nachwerfen und Verſorgen iſt nicht einerlei. Wenn du das aber ſo ſicher haſt wie den Weck auf'm Laden, ſo kannſt du freilich ſitzen und warten bis ein Freier aus Schlaraffen¬ land angeritten kommt, um ſich die vollen Kiſten und Kaſten zu beſehen.
Schwätz' du dem Teufel ein Ohr weg, ſagte er, der Thüre zugehend. Ich aber will keine Unehr' und keinen Unfrieden von der Sach' haben.
Du biſt kurz angebunden, warf ſie ihm nach, und aber was du ſagſt, gibt auch noch kein' langen Faden. Denk' nur auch dran, daß das fürnehm' Füllen einen großen Fleck hat, der's nicht ſchöner macht. Der Sonnenwirth muß ja ſelber wiſſen, daß er nicht mehr den höch¬ ſten Preis daraus löſt. Aber was zum Reitpferd verdorben iſt, gibt oft noch ein gutes Ackerpferd, und einem geſchenkten Gaul guck' ich nicht in's Maul.
Der Alte blieb in der Thüre ſtehen. Die letzten Bemerkungen ſeines Weibes ſchienen ihm doch einigermaßen einzuleuchten. Er ant¬ wortete nichts darauf, dachte aber eine Weile nach und ging dann mit einem halb mürriſchen halb zufriedenen Brummen hinaus.
Die Mutter rief Chriſtinen, die gar nicht weit geweſen war. Mach' daß du an die Kunkel kommſt, Sonnenwirthin, ſagte ſie. Meinſt du, es ſei ſchon ſo weit und du könneſt Feierabend machen?
Mutter, erwiderte das Mädchen, auf die grobe Füllung der Kun¬ kel deutend, ich weiß wohl, das gibt kein Hochzeitkleid.
Unſer Herrgott hat die Welt aus nichts erſchaffen und den Men¬ ſchen aus einem Erdenkloß. Die Amtmännin iſt, juſt wie ihre Ka¬
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0087"n="71"/><p>Ein Sohn aus einem fürnehmen Haus!</p><lb/><p>Ei, hat nicht auch der reiche Boas die Ruth geheirathet, die<lb/>
arme Aehrenleſerin?</p><lb/><p>Man lebt jetzt nicht mehr im alten Teſtament. Und wenn auch<lb/><hirendition="#g">er</hi> aus der Art geſchlagen wär', was wird der Sonnenwirth dazu<lb/>ſagen? Wart, du wirſt eine Ehr' aufheben.</p><lb/><p>Kommt Zeit, kommt Rath.</p><lb/><p>Die Zeit bringt nicht bloß Roſen, ſie bringt auch Diſteln.</p><lb/><p>Je nachdem man's pflanzt. Das Sprichwort ſagt: Mädchen<lb/>
müſſen nach Einer Feder über drei Zäune ſpringen. Von den armen<lb/>
gilt das zweimal.</p><lb/><p>Ich will mein Kind Keinem nachwerfen, fuhr er auf.</p><lb/><p>Davon iſt auch nicht die Red', ſagte ſie. Nachwerfen und Verſorgen<lb/>
iſt nicht einerlei. Wenn du das aber ſo ſicher haſt wie den Weck auf'm<lb/>
Laden, ſo kannſt du freilich ſitzen und warten bis ein Freier aus Schlaraffen¬<lb/>
land angeritten kommt, um ſich die vollen Kiſten und Kaſten zu beſehen.</p><lb/><p>Schwätz' du dem Teufel ein Ohr weg, ſagte er, der Thüre zugehend.<lb/>
Ich aber will keine Unehr' und keinen Unfrieden von der Sach' haben.</p><lb/><p>Du biſt kurz angebunden, warf ſie ihm nach, und aber was du<lb/>ſagſt, gibt auch noch kein' langen Faden. Denk' nur auch dran, daß<lb/>
das fürnehm' Füllen einen großen Fleck hat, der's nicht ſchöner macht.<lb/>
Der Sonnenwirth muß ja ſelber wiſſen, daß er nicht mehr den höch¬<lb/>ſten Preis daraus löſt. Aber was zum Reitpferd verdorben iſt, gibt<lb/>
oft noch ein gutes Ackerpferd, und einem geſchenkten Gaul guck' ich<lb/>
nicht in's Maul.</p><lb/><p>Der Alte blieb in der Thüre ſtehen. Die letzten Bemerkungen<lb/>ſeines Weibes ſchienen ihm doch einigermaßen einzuleuchten. Er ant¬<lb/>
wortete nichts darauf, dachte aber eine Weile nach und ging dann<lb/>
mit einem halb mürriſchen halb zufriedenen Brummen hinaus.</p><lb/><p>Die Mutter rief Chriſtinen, die gar nicht weit geweſen war. Mach'<lb/>
daß du an die Kunkel kommſt, Sonnenwirthin, ſagte ſie. Meinſt du,<lb/>
es ſei ſchon ſo weit und du könneſt Feierabend machen?</p><lb/><p>Mutter, erwiderte das Mädchen, auf die grobe Füllung der Kun¬<lb/>
kel deutend, ich weiß wohl, das gibt kein Hochzeitkleid.</p><lb/><p>Unſer Herrgott hat die Welt aus nichts erſchaffen und den Men¬<lb/>ſchen aus einem Erdenkloß. Die Amtmännin iſt, juſt wie ihre Ka¬<lb/></p></div></body></text></TEI>
[71/0087]
Ein Sohn aus einem fürnehmen Haus!
Ei, hat nicht auch der reiche Boas die Ruth geheirathet, die
arme Aehrenleſerin?
Man lebt jetzt nicht mehr im alten Teſtament. Und wenn auch
er aus der Art geſchlagen wär', was wird der Sonnenwirth dazu
ſagen? Wart, du wirſt eine Ehr' aufheben.
Kommt Zeit, kommt Rath.
Die Zeit bringt nicht bloß Roſen, ſie bringt auch Diſteln.
Je nachdem man's pflanzt. Das Sprichwort ſagt: Mädchen
müſſen nach Einer Feder über drei Zäune ſpringen. Von den armen
gilt das zweimal.
Ich will mein Kind Keinem nachwerfen, fuhr er auf.
Davon iſt auch nicht die Red', ſagte ſie. Nachwerfen und Verſorgen
iſt nicht einerlei. Wenn du das aber ſo ſicher haſt wie den Weck auf'm
Laden, ſo kannſt du freilich ſitzen und warten bis ein Freier aus Schlaraffen¬
land angeritten kommt, um ſich die vollen Kiſten und Kaſten zu beſehen.
Schwätz' du dem Teufel ein Ohr weg, ſagte er, der Thüre zugehend.
Ich aber will keine Unehr' und keinen Unfrieden von der Sach' haben.
Du biſt kurz angebunden, warf ſie ihm nach, und aber was du
ſagſt, gibt auch noch kein' langen Faden. Denk' nur auch dran, daß
das fürnehm' Füllen einen großen Fleck hat, der's nicht ſchöner macht.
Der Sonnenwirth muß ja ſelber wiſſen, daß er nicht mehr den höch¬
ſten Preis daraus löſt. Aber was zum Reitpferd verdorben iſt, gibt
oft noch ein gutes Ackerpferd, und einem geſchenkten Gaul guck' ich
nicht in's Maul.
Der Alte blieb in der Thüre ſtehen. Die letzten Bemerkungen
ſeines Weibes ſchienen ihm doch einigermaßen einzuleuchten. Er ant¬
wortete nichts darauf, dachte aber eine Weile nach und ging dann
mit einem halb mürriſchen halb zufriedenen Brummen hinaus.
Die Mutter rief Chriſtinen, die gar nicht weit geweſen war. Mach'
daß du an die Kunkel kommſt, Sonnenwirthin, ſagte ſie. Meinſt du,
es ſei ſchon ſo weit und du könneſt Feierabend machen?
Mutter, erwiderte das Mädchen, auf die grobe Füllung der Kun¬
kel deutend, ich weiß wohl, das gibt kein Hochzeitkleid.
Unſer Herrgott hat die Welt aus nichts erſchaffen und den Men¬
ſchen aus einem Erdenkloß. Die Amtmännin iſt, juſt wie ihre Ka¬
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855, S. 71. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855/87>, abgerufen am 16.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.