sicherte zum größten Verdruß der beiden vollgeladenen Erzählungs¬ haubitzen mit Seufzen, daß sie von Allem bereits vollständig unter¬ richtet sei; dem Vater, setzte sie kopfhängerisch hinzu, habe sie bisher nichts sagen mögen, theils um ihm einen so schweren Herzstoß, theils um dem Sohn, den sie vergebens in Güte herumzubringen gehofft, böse Tage zu ersparen; sie sehe aber wohl ein, daß sie endlich, obgleich ungern genug, den Mund aufthun müsse. In diesem löblichen Vor¬ satze mit vereinten Kräften von ihnen bestärkt, ging sie in die Sonne zurück, und machte ihrem Manne die schon längst für eine passende Stunde aufgehobene Eröffnung, daß sein Sohn mit einem Lumpenmädchen, mit einem Bettelmensch sich in eine Liebschaft eingelassen habe. Sie hatte aber nicht den rechten Augenblick gewählt, denn der Sonnenwirth antwor¬ tete ganz trocken: Das ist seine Sache, Jugend will vertoben, man kann nicht nach allen Mucken schlagen, die Kuh muß auch dran den¬ ken, daß sie selbst ein Kalb gewesen ist. -- Ich weiß gar nicht, wie du mir vorkommst, sagte die Sonnenwirthin, man sollt' ja meinen du seiest in deiner Jugend ärger gewesen als der Herzog selbst. Der Sonnenwirth lachte pfiffig vor sich hin, denn es ergötzte ihn, seine Frau an derartigen Vorstellungen, die sie ärgerten, kauen zu sehen; dann sagte er im Fortgehen: Ich will ihm übrigens bei Gelegenheit ein wenig den Marsch machen, damit er nicht meint, es werde ihm durch die Finger gesehen; wenn's einmal Frühling ist, so kann man nicht alle Kräutlein hüten, aber man muß davor sein, daß nicht der ganze Salat schießt; auch würd' ich mich dafür bedanken, nachher ei¬ nen Schaden zu haben und noch einen Spott dazu. -- Die Sonnen¬ wirthin sah ihm, als sie allein war, mit starkem Kopfschütteln nach und sagte giftig hinter ihm drein: Du mußt mir ein sauberes Kraut gewesen sein in deinem Frühling. Sie brachte es auch mit wieder¬ holten Vorstellungen nicht weiter, als daß der Alte einmal gegen sei¬ nen Sohn im Vorübergehen einige Worte hinwarf. Sieh dich vor, du! bemerkte er ihm: du weißt, das Sprichwort sagt, an rußigen Kesseln wird man schwarz; wenn's zu Dummheiten kommt, so hoffe nicht, daß du an mir einen Helfer in der Noth haben werdest. Die Bemerkung war eine von denen, die keine Antwort verlangen, und Friedrich ließ sie auch unerwidert, denn er konnte sich wohl denken, daß er durch eine Darlegung seiner wahren Absicht den Vater nicht
ſicherte zum größten Verdruß der beiden vollgeladenen Erzählungs¬ haubitzen mit Seufzen, daß ſie von Allem bereits vollſtändig unter¬ richtet ſei; dem Vater, ſetzte ſie kopfhängeriſch hinzu, habe ſie bisher nichts ſagen mögen, theils um ihm einen ſo ſchweren Herzſtoß, theils um dem Sohn, den ſie vergebens in Güte herumzubringen gehofft, böſe Tage zu erſparen; ſie ſehe aber wohl ein, daß ſie endlich, obgleich ungern genug, den Mund aufthun müſſe. In dieſem löblichen Vor¬ ſatze mit vereinten Kräften von ihnen beſtärkt, ging ſie in die Sonne zurück, und machte ihrem Manne die ſchon längſt für eine paſſende Stunde aufgehobene Eröffnung, daß ſein Sohn mit einem Lumpenmädchen, mit einem Bettelmenſch ſich in eine Liebſchaft eingelaſſen habe. Sie hatte aber nicht den rechten Augenblick gewählt, denn der Sonnenwirth antwor¬ tete ganz trocken: Das iſt ſeine Sache, Jugend will vertoben, man kann nicht nach allen Mucken ſchlagen, die Kuh muß auch dran den¬ ken, daß ſie ſelbſt ein Kalb geweſen iſt. — Ich weiß gar nicht, wie du mir vorkommſt, ſagte die Sonnenwirthin, man ſollt' ja meinen du ſeieſt in deiner Jugend ärger geweſen als der Herzog ſelbſt. Der Sonnenwirth lachte pfiffig vor ſich hin, denn es ergötzte ihn, ſeine Frau an derartigen Vorſtellungen, die ſie ärgerten, kauen zu ſehen; dann ſagte er im Fortgehen: Ich will ihm übrigens bei Gelegenheit ein wenig den Marſch machen, damit er nicht meint, es werde ihm durch die Finger geſehen; wenn's einmal Frühling iſt, ſo kann man nicht alle Kräutlein hüten, aber man muß davor ſein, daß nicht der ganze Salat ſchießt; auch würd' ich mich dafür bedanken, nachher ei¬ nen Schaden zu haben und noch einen Spott dazu. — Die Sonnen¬ wirthin ſah ihm, als ſie allein war, mit ſtarkem Kopfſchütteln nach und ſagte giftig hinter ihm drein: Du mußt mir ein ſauberes Kraut geweſen ſein in deinem Frühling. Sie brachte es auch mit wieder¬ holten Vorſtellungen nicht weiter, als daß der Alte einmal gegen ſei¬ nen Sohn im Vorübergehen einige Worte hinwarf. Sieh dich vor, du! bemerkte er ihm: du weißt, das Sprichwort ſagt, an rußigen Keſſeln wird man ſchwarz; wenn's zu Dummheiten kommt, ſo hoffe nicht, daß du an mir einen Helfer in der Noth haben werdeſt. Die Bemerkung war eine von denen, die keine Antwort verlangen, und Friedrich ließ ſie auch unerwidert, denn er konnte ſich wohl denken, daß er durch eine Darlegung ſeiner wahren Abſicht den Vater nicht
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0091"n="75"/>ſicherte zum größten Verdruß der beiden vollgeladenen Erzählungs¬<lb/>
haubitzen mit Seufzen, daß ſie von Allem bereits vollſtändig unter¬<lb/>
richtet ſei; dem Vater, ſetzte ſie kopfhängeriſch hinzu, habe ſie bisher<lb/>
nichts ſagen mögen, theils um ihm einen ſo ſchweren Herzſtoß, theils<lb/>
um dem Sohn, den ſie vergebens in Güte herumzubringen gehofft,<lb/>
böſe Tage zu erſparen; ſie ſehe aber wohl ein, daß ſie endlich, obgleich<lb/>
ungern genug, den Mund aufthun müſſe. In dieſem löblichen Vor¬<lb/>ſatze mit vereinten Kräften von ihnen beſtärkt, ging ſie in die Sonne<lb/>
zurück, und machte ihrem Manne die ſchon längſt für eine paſſende Stunde<lb/>
aufgehobene Eröffnung, daß ſein Sohn mit einem Lumpenmädchen, mit<lb/>
einem Bettelmenſch ſich in eine Liebſchaft eingelaſſen habe. Sie hatte aber<lb/>
nicht den rechten Augenblick gewählt, denn der Sonnenwirth antwor¬<lb/>
tete ganz trocken: Das iſt <hirendition="#g">ſeine</hi> Sache, Jugend will vertoben, man<lb/>
kann nicht nach allen Mucken ſchlagen, die Kuh muß auch dran den¬<lb/>
ken, daß ſie ſelbſt ein Kalb geweſen iſt. — Ich weiß gar nicht, wie du<lb/>
mir vorkommſt, ſagte die Sonnenwirthin, man ſollt' ja meinen du<lb/>ſeieſt in deiner Jugend ärger geweſen als der Herzog ſelbſt. Der<lb/>
Sonnenwirth lachte pfiffig vor ſich hin, denn es ergötzte ihn, ſeine<lb/>
Frau an derartigen Vorſtellungen, die ſie ärgerten, kauen zu ſehen;<lb/>
dann ſagte er im Fortgehen: Ich will ihm übrigens bei Gelegenheit<lb/>
ein wenig den Marſch machen, damit er nicht meint, es werde ihm<lb/>
durch die Finger geſehen; wenn's einmal Frühling iſt, ſo kann man<lb/>
nicht alle Kräutlein hüten, aber man muß davor ſein, daß nicht der<lb/>
ganze Salat ſchießt; auch würd' ich mich dafür bedanken, nachher ei¬<lb/>
nen Schaden zu haben und noch einen Spott dazu. — Die Sonnen¬<lb/>
wirthin ſah ihm, als ſie allein war, mit ſtarkem Kopfſchütteln nach<lb/>
und ſagte giftig hinter ihm drein: Du mußt mir ein ſauberes Kraut<lb/>
geweſen ſein in deinem Frühling. Sie brachte es auch mit wieder¬<lb/>
holten Vorſtellungen nicht weiter, als daß der Alte einmal gegen ſei¬<lb/>
nen Sohn im Vorübergehen einige Worte hinwarf. Sieh dich vor,<lb/>
du! bemerkte er ihm: du weißt, das Sprichwort ſagt, an rußigen<lb/>
Keſſeln wird man ſchwarz; wenn's zu Dummheiten kommt, ſo hoffe<lb/>
nicht, daß du an mir einen Helfer in der Noth haben werdeſt. Die<lb/>
Bemerkung war eine von denen, die keine Antwort verlangen, und<lb/>
Friedrich ließ ſie auch unerwidert, denn er konnte ſich wohl denken,<lb/>
daß er durch eine Darlegung ſeiner wahren Abſicht den Vater nicht<lb/></p></div></body></text></TEI>
[75/0091]
ſicherte zum größten Verdruß der beiden vollgeladenen Erzählungs¬
haubitzen mit Seufzen, daß ſie von Allem bereits vollſtändig unter¬
richtet ſei; dem Vater, ſetzte ſie kopfhängeriſch hinzu, habe ſie bisher
nichts ſagen mögen, theils um ihm einen ſo ſchweren Herzſtoß, theils
um dem Sohn, den ſie vergebens in Güte herumzubringen gehofft,
böſe Tage zu erſparen; ſie ſehe aber wohl ein, daß ſie endlich, obgleich
ungern genug, den Mund aufthun müſſe. In dieſem löblichen Vor¬
ſatze mit vereinten Kräften von ihnen beſtärkt, ging ſie in die Sonne
zurück, und machte ihrem Manne die ſchon längſt für eine paſſende Stunde
aufgehobene Eröffnung, daß ſein Sohn mit einem Lumpenmädchen, mit
einem Bettelmenſch ſich in eine Liebſchaft eingelaſſen habe. Sie hatte aber
nicht den rechten Augenblick gewählt, denn der Sonnenwirth antwor¬
tete ganz trocken: Das iſt ſeine Sache, Jugend will vertoben, man
kann nicht nach allen Mucken ſchlagen, die Kuh muß auch dran den¬
ken, daß ſie ſelbſt ein Kalb geweſen iſt. — Ich weiß gar nicht, wie du
mir vorkommſt, ſagte die Sonnenwirthin, man ſollt' ja meinen du
ſeieſt in deiner Jugend ärger geweſen als der Herzog ſelbſt. Der
Sonnenwirth lachte pfiffig vor ſich hin, denn es ergötzte ihn, ſeine
Frau an derartigen Vorſtellungen, die ſie ärgerten, kauen zu ſehen;
dann ſagte er im Fortgehen: Ich will ihm übrigens bei Gelegenheit
ein wenig den Marſch machen, damit er nicht meint, es werde ihm
durch die Finger geſehen; wenn's einmal Frühling iſt, ſo kann man
nicht alle Kräutlein hüten, aber man muß davor ſein, daß nicht der
ganze Salat ſchießt; auch würd' ich mich dafür bedanken, nachher ei¬
nen Schaden zu haben und noch einen Spott dazu. — Die Sonnen¬
wirthin ſah ihm, als ſie allein war, mit ſtarkem Kopfſchütteln nach
und ſagte giftig hinter ihm drein: Du mußt mir ein ſauberes Kraut
geweſen ſein in deinem Frühling. Sie brachte es auch mit wieder¬
holten Vorſtellungen nicht weiter, als daß der Alte einmal gegen ſei¬
nen Sohn im Vorübergehen einige Worte hinwarf. Sieh dich vor,
du! bemerkte er ihm: du weißt, das Sprichwort ſagt, an rußigen
Keſſeln wird man ſchwarz; wenn's zu Dummheiten kommt, ſo hoffe
nicht, daß du an mir einen Helfer in der Noth haben werdeſt. Die
Bemerkung war eine von denen, die keine Antwort verlangen, und
Friedrich ließ ſie auch unerwidert, denn er konnte ſich wohl denken,
daß er durch eine Darlegung ſeiner wahren Abſicht den Vater nicht
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855, S. 75. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855/91>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.