Kurz, Hermann: Die beiden Tubus. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 18. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 149–277. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Eduard blickte sinnend in das fallende Laub der Bäume. An die tausend Ohrfeigen, begann er nach einer Weile, hab' ich von meinem Alten nach und nach eingestrichen. Ich führe strenge Rechnung darüber. Wenn das Tausend voll ist -- weit ist's nicht mehr davon, und da er nach dem Ausgang des Examens nicht weiß, was er mit mir anfangen soll, so wird, er's bald dahin gebracht haben -- dann erspare ich ihm weitere Mühwaltung und warte die tausend und erste nicht mehr ab. Was? du wirst doch nicht per brennen wollen rief Wilhelm erschrocken. Was heißt das? fragte Eduard. Nun: durch die Latten oder zum Teufel gehen. Was wolltest du denn in der Welt anfangen, allein und ohne Hülfe? Das ist meine geringste Sorge. Ich freue mich schon darauf, dir einmal meine Abenteuer zu erzählen. Immer höher sah Wilhelm an diesem jungen Menschen empor, aus dessen Selbstvertrauen schon ein fertiger Mannescharakter sprechen zu wollen schien, neben welchem er selbst, in seiner festgesetzten, vorsorgenden, leitenden Laufbahn, sich fast wie das Kindlein in der Wiege vorkam. Es war ihm, dem Sohn des Glücks, als ob er in diesem seinem Widerspiel vielmehr eine Stütze und einen Stab gefunden hätte. Werden wir uns denn jemals wieder begegnen? fragte er wehmüthig. Eduard blickte sinnend in das fallende Laub der Bäume. An die tausend Ohrfeigen, begann er nach einer Weile, hab' ich von meinem Alten nach und nach eingestrichen. Ich führe strenge Rechnung darüber. Wenn das Tausend voll ist — weit ist's nicht mehr davon, und da er nach dem Ausgang des Examens nicht weiß, was er mit mir anfangen soll, so wird, er's bald dahin gebracht haben — dann erspare ich ihm weitere Mühwaltung und warte die tausend und erste nicht mehr ab. Was? du wirst doch nicht per brennen wollen rief Wilhelm erschrocken. Was heißt das? fragte Eduard. Nun: durch die Latten oder zum Teufel gehen. Was wolltest du denn in der Welt anfangen, allein und ohne Hülfe? Das ist meine geringste Sorge. Ich freue mich schon darauf, dir einmal meine Abenteuer zu erzählen. Immer höher sah Wilhelm an diesem jungen Menschen empor, aus dessen Selbstvertrauen schon ein fertiger Mannescharakter sprechen zu wollen schien, neben welchem er selbst, in seiner festgesetzten, vorsorgenden, leitenden Laufbahn, sich fast wie das Kindlein in der Wiege vorkam. Es war ihm, dem Sohn des Glücks, als ob er in diesem seinem Widerspiel vielmehr eine Stütze und einen Stab gefunden hätte. Werden wir uns denn jemals wieder begegnen? fragte er wehmüthig. <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="3"> <pb facs="#f0101"/> <p>Eduard blickte sinnend in das fallende Laub der Bäume. An die tausend Ohrfeigen, begann er nach einer Weile, hab' ich von meinem Alten nach und nach eingestrichen. Ich führe strenge Rechnung darüber. Wenn das Tausend voll ist — weit ist's nicht mehr davon, und da er nach dem Ausgang des Examens nicht weiß, was er mit mir anfangen soll, so wird, er's bald dahin gebracht haben — dann erspare ich ihm weitere Mühwaltung und warte die tausend und erste nicht mehr ab.</p><lb/> <p>Was? du wirst doch nicht per brennen wollen rief Wilhelm erschrocken.</p><lb/> <p>Was heißt das? fragte Eduard.</p><lb/> <p>Nun: durch die Latten oder zum Teufel gehen. Was wolltest du denn in der Welt anfangen, allein und ohne Hülfe?</p><lb/> <p>Das ist meine geringste Sorge. Ich freue mich schon darauf, dir einmal meine Abenteuer zu erzählen.</p><lb/> <p>Immer höher sah Wilhelm an diesem jungen Menschen empor, aus dessen Selbstvertrauen schon ein fertiger Mannescharakter sprechen zu wollen schien, neben welchem er selbst, in seiner festgesetzten, vorsorgenden, leitenden Laufbahn, sich fast wie das Kindlein in der Wiege vorkam. Es war ihm, dem Sohn des Glücks, als ob er in diesem seinem Widerspiel vielmehr eine Stütze und einen Stab gefunden hätte.</p><lb/> <p>Werden wir uns denn jemals wieder begegnen? fragte er wehmüthig.</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [0101]
Eduard blickte sinnend in das fallende Laub der Bäume. An die tausend Ohrfeigen, begann er nach einer Weile, hab' ich von meinem Alten nach und nach eingestrichen. Ich führe strenge Rechnung darüber. Wenn das Tausend voll ist — weit ist's nicht mehr davon, und da er nach dem Ausgang des Examens nicht weiß, was er mit mir anfangen soll, so wird, er's bald dahin gebracht haben — dann erspare ich ihm weitere Mühwaltung und warte die tausend und erste nicht mehr ab.
Was? du wirst doch nicht per brennen wollen rief Wilhelm erschrocken.
Was heißt das? fragte Eduard.
Nun: durch die Latten oder zum Teufel gehen. Was wolltest du denn in der Welt anfangen, allein und ohne Hülfe?
Das ist meine geringste Sorge. Ich freue mich schon darauf, dir einmal meine Abenteuer zu erzählen.
Immer höher sah Wilhelm an diesem jungen Menschen empor, aus dessen Selbstvertrauen schon ein fertiger Mannescharakter sprechen zu wollen schien, neben welchem er selbst, in seiner festgesetzten, vorsorgenden, leitenden Laufbahn, sich fast wie das Kindlein in der Wiege vorkam. Es war ihm, dem Sohn des Glücks, als ob er in diesem seinem Widerspiel vielmehr eine Stütze und einen Stab gefunden hätte.
Werden wir uns denn jemals wieder begegnen? fragte er wehmüthig.
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Zitationshilfe: | Kurz, Hermann: Die beiden Tubus. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 18. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 149–277. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_tubus_1910/101>, abgerufen am 16.07.2024. |