Kurz, Hermann: Die beiden Tubus. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 18. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 149–277. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.dischen Augenentzündungen, worin sich die wie durch eine Erkältung zurückgeschlagene Lebhaftigkeit seiner expansiven Augen krankhaft kundgab. Sie waren begleitet von intermittirendem Herzklopfen. Dieses weite Herz krampfte sich oft zusammen, weil ihm in dieser Welt ein Fleck zugeschlossen war, für den es nicht mehr schlagen durfte, wohin es nicht mehr schreiben konnte, woher es keine Briefe mehr empfangen sollte! Der sorgsamsten Pflege und rationellsten Behandlung gelang es zwar, diese Affectionen zu heben; aber das Uebel zog sich jetzt tiefer in den Organismus zurück, wo es eine Zeit lang versteckt lauerte, um dann mit einer alle Wissenschaft überflügelnden Heftigkeit hervorzubrechen. Die bewährtesten Aerzte wurden gerufen. Leider konnten sie über die Diagnose nicht einig werden. Der Eine suchte die Krankheit in der Milz, der Andere in der Leber, der Dritte fand sie in den Nieren, der Vierte im Pankreas. Da der Patient sich im Voraus die Section verbat, so ist diese Streitfrage ungelöst geblieben, und die Meister der Divinationskunst haben alle Recht behalten. Er erlebte nicht mehr die erste Predigt seines Wilhelm's! "Multis ille bonis flebilis occidit!" rief dieser in der Traueranzeige, die er in die große Landeszeitung einrücken ließ. Armer Pfarrer von A . . . berg, die Stunde ist gekommen, da wir dir Valet sagen müssen. Wir können jedoch nicht von dir scheiden, ohne deinem tra- dischen Augenentzündungen, worin sich die wie durch eine Erkältung zurückgeschlagene Lebhaftigkeit seiner expansiven Augen krankhaft kundgab. Sie waren begleitet von intermittirendem Herzklopfen. Dieses weite Herz krampfte sich oft zusammen, weil ihm in dieser Welt ein Fleck zugeschlossen war, für den es nicht mehr schlagen durfte, wohin es nicht mehr schreiben konnte, woher es keine Briefe mehr empfangen sollte! Der sorgsamsten Pflege und rationellsten Behandlung gelang es zwar, diese Affectionen zu heben; aber das Uebel zog sich jetzt tiefer in den Organismus zurück, wo es eine Zeit lang versteckt lauerte, um dann mit einer alle Wissenschaft überflügelnden Heftigkeit hervorzubrechen. Die bewährtesten Aerzte wurden gerufen. Leider konnten sie über die Diagnose nicht einig werden. Der Eine suchte die Krankheit in der Milz, der Andere in der Leber, der Dritte fand sie in den Nieren, der Vierte im Pankreas. Da der Patient sich im Voraus die Section verbat, so ist diese Streitfrage ungelöst geblieben, und die Meister der Divinationskunst haben alle Recht behalten. Er erlebte nicht mehr die erste Predigt seines Wilhelm's! „Multis ille bonis flebilis occidit!“ rief dieser in der Traueranzeige, die er in die große Landeszeitung einrücken ließ. Armer Pfarrer von A . . . berg, die Stunde ist gekommen, da wir dir Valet sagen müssen. Wir können jedoch nicht von dir scheiden, ohne deinem tra- <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="3"> <p><pb facs="#f0129"/> dischen Augenentzündungen, worin sich die wie durch eine Erkältung zurückgeschlagene Lebhaftigkeit seiner expansiven Augen krankhaft kundgab. Sie waren begleitet von intermittirendem Herzklopfen. Dieses weite Herz krampfte sich oft zusammen, weil ihm in dieser Welt ein Fleck zugeschlossen war, für den es nicht mehr schlagen durfte, wohin es nicht mehr schreiben konnte, woher es keine Briefe mehr empfangen sollte! Der sorgsamsten Pflege und rationellsten Behandlung gelang es zwar, diese Affectionen zu heben; aber das Uebel zog sich jetzt tiefer in den Organismus zurück, wo es eine Zeit lang versteckt lauerte, um dann mit einer alle Wissenschaft überflügelnden Heftigkeit hervorzubrechen. Die bewährtesten Aerzte wurden gerufen. Leider konnten sie über die Diagnose nicht einig werden. Der Eine suchte die Krankheit in der Milz, der Andere in der Leber, der Dritte fand sie in den Nieren, der Vierte im Pankreas. Da der Patient sich im Voraus die Section verbat, so ist diese Streitfrage ungelöst geblieben, und die Meister der Divinationskunst haben alle Recht behalten.</p><lb/> <p>Er erlebte nicht mehr die erste Predigt seines Wilhelm's!</p><lb/> <p>„Multis ille bonis flebilis occidit!“ rief dieser in der Traueranzeige, die er in die große Landeszeitung einrücken ließ.</p><lb/> <p>Armer Pfarrer von A . . . berg, die Stunde ist gekommen, da wir dir Valet sagen müssen. Wir können jedoch nicht von dir scheiden, ohne deinem tra-<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0129]
dischen Augenentzündungen, worin sich die wie durch eine Erkältung zurückgeschlagene Lebhaftigkeit seiner expansiven Augen krankhaft kundgab. Sie waren begleitet von intermittirendem Herzklopfen. Dieses weite Herz krampfte sich oft zusammen, weil ihm in dieser Welt ein Fleck zugeschlossen war, für den es nicht mehr schlagen durfte, wohin es nicht mehr schreiben konnte, woher es keine Briefe mehr empfangen sollte! Der sorgsamsten Pflege und rationellsten Behandlung gelang es zwar, diese Affectionen zu heben; aber das Uebel zog sich jetzt tiefer in den Organismus zurück, wo es eine Zeit lang versteckt lauerte, um dann mit einer alle Wissenschaft überflügelnden Heftigkeit hervorzubrechen. Die bewährtesten Aerzte wurden gerufen. Leider konnten sie über die Diagnose nicht einig werden. Der Eine suchte die Krankheit in der Milz, der Andere in der Leber, der Dritte fand sie in den Nieren, der Vierte im Pankreas. Da der Patient sich im Voraus die Section verbat, so ist diese Streitfrage ungelöst geblieben, und die Meister der Divinationskunst haben alle Recht behalten.
Er erlebte nicht mehr die erste Predigt seines Wilhelm's!
„Multis ille bonis flebilis occidit!“ rief dieser in der Traueranzeige, die er in die große Landeszeitung einrücken ließ.
Armer Pfarrer von A . . . berg, die Stunde ist gekommen, da wir dir Valet sagen müssen. Wir können jedoch nicht von dir scheiden, ohne deinem tra-
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription.
(2017-03-15T14:08:57Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2017-03-15T14:08:57Z)
Weitere Informationen:Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |