Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kurz, Hermann: Die beiden Tubus. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 18. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 149–277. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

Die frivole Herbeiziehung einer nicht anzutastenden Parabel erregte den gerechten Unwillen der Oberkirchenbehörde, und die unanständige Anspielung auf die schlechte Dotation seiner Pfarrstelle mag diesen Unwillen nicht wenig geschärft haben. Ohne Zweifel war auch noch ein Nachhall von jenem neulichen öffentlichen Auftritt hinzugekommen, bei welchem er sich als Reactionär vom reinsten Wasser aufgeführt hatte; denn das Konsistorium war zwar keineswegs dem Liberalismus hold, hörte es aber doch auch nicht gerne, daß einer seiner Untergebenen durch das entgegengesetzte Extrem auffiel, und verbot ihnen überhaupt bei vorkommenden Anlässen jeden Antheil an der Politik. Genug, an den Pfarrer von Y . . . burg gelangte ein unermeßlicher Wischer herab, der wohl auch nicht zur Verlängerung seines Lebens beigetragen haben mag. --

Zwischen Morgen und Abend war, wenigstens von Seiten des Pfarrers von A . . . berg, der Vorhang für immer gefallen. Er hat diesseits nicht wieder durch seinen Butzengeiger hindurchgeschaut, niemals, niemals, niemals!

Die Folgen dieser Entbehrung blieben nicht aus. Man hätte ihm eben so gut ein Glied unterbinden können. Er lebte noch eine kleine Reihe von Jährchen fort, wie er gelebt hatte, menschenfreundlich, wohlwollend, heiter; aber in seiner "Maschine" war ein verborgenes Rädchen gebrochen. Erst litt er an perio-

Die frivole Herbeiziehung einer nicht anzutastenden Parabel erregte den gerechten Unwillen der Oberkirchenbehörde, und die unanständige Anspielung auf die schlechte Dotation seiner Pfarrstelle mag diesen Unwillen nicht wenig geschärft haben. Ohne Zweifel war auch noch ein Nachhall von jenem neulichen öffentlichen Auftritt hinzugekommen, bei welchem er sich als Reactionär vom reinsten Wasser aufgeführt hatte; denn das Konsistorium war zwar keineswegs dem Liberalismus hold, hörte es aber doch auch nicht gerne, daß einer seiner Untergebenen durch das entgegengesetzte Extrem auffiel, und verbot ihnen überhaupt bei vorkommenden Anlässen jeden Antheil an der Politik. Genug, an den Pfarrer von Y . . . burg gelangte ein unermeßlicher Wischer herab, der wohl auch nicht zur Verlängerung seines Lebens beigetragen haben mag. —

Zwischen Morgen und Abend war, wenigstens von Seiten des Pfarrers von A . . . berg, der Vorhang für immer gefallen. Er hat diesseits nicht wieder durch seinen Butzengeiger hindurchgeschaut, niemals, niemals, niemals!

Die Folgen dieser Entbehrung blieben nicht aus. Man hätte ihm eben so gut ein Glied unterbinden können. Er lebte noch eine kleine Reihe von Jährchen fort, wie er gelebt hatte, menschenfreundlich, wohlwollend, heiter; aber in seiner „Maschine“ war ein verborgenes Rädchen gebrochen. Erst litt er an perio-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="chapter" n="3">
        <p><pb facs="#f0128"/>
Die frivole Herbeiziehung einer nicht anzutastenden Parabel erregte den gerechten                Unwillen der Oberkirchenbehörde, und die unanständige Anspielung auf die schlechte                Dotation seiner Pfarrstelle mag diesen Unwillen nicht wenig geschärft haben. Ohne                Zweifel war auch noch ein Nachhall von jenem neulichen öffentlichen Auftritt                hinzugekommen, bei welchem er sich als Reactionär vom reinsten Wasser aufgeführt                hatte; denn das Konsistorium war zwar keineswegs dem Liberalismus hold, hörte es aber                doch auch nicht gerne, daß einer seiner Untergebenen durch das entgegengesetzte                Extrem auffiel, und verbot ihnen überhaupt bei vorkommenden Anlässen jeden Antheil an                der Politik. Genug, an den Pfarrer von Y . . . burg gelangte ein unermeßlicher                Wischer herab, der wohl auch nicht zur Verlängerung seines Lebens beigetragen haben                mag. &#x2014;</p><lb/>
        <p>Zwischen Morgen und Abend war, wenigstens von Seiten des Pfarrers von A . . . berg,                der Vorhang für immer gefallen. Er hat diesseits nicht wieder durch seinen                Butzengeiger hindurchgeschaut, niemals, niemals, niemals!</p><lb/>
        <p>Die Folgen dieser Entbehrung blieben nicht aus. Man hätte ihm eben so gut ein Glied                unterbinden können. Er lebte noch eine kleine Reihe von Jährchen fort, wie er gelebt                hatte, menschenfreundlich, wohlwollend, heiter; aber in seiner &#x201E;Maschine&#x201C; war ein                verborgenes Rädchen gebrochen. Erst litt er an perio-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0128] Die frivole Herbeiziehung einer nicht anzutastenden Parabel erregte den gerechten Unwillen der Oberkirchenbehörde, und die unanständige Anspielung auf die schlechte Dotation seiner Pfarrstelle mag diesen Unwillen nicht wenig geschärft haben. Ohne Zweifel war auch noch ein Nachhall von jenem neulichen öffentlichen Auftritt hinzugekommen, bei welchem er sich als Reactionär vom reinsten Wasser aufgeführt hatte; denn das Konsistorium war zwar keineswegs dem Liberalismus hold, hörte es aber doch auch nicht gerne, daß einer seiner Untergebenen durch das entgegengesetzte Extrem auffiel, und verbot ihnen überhaupt bei vorkommenden Anlässen jeden Antheil an der Politik. Genug, an den Pfarrer von Y . . . burg gelangte ein unermeßlicher Wischer herab, der wohl auch nicht zur Verlängerung seines Lebens beigetragen haben mag. — Zwischen Morgen und Abend war, wenigstens von Seiten des Pfarrers von A . . . berg, der Vorhang für immer gefallen. Er hat diesseits nicht wieder durch seinen Butzengeiger hindurchgeschaut, niemals, niemals, niemals! Die Folgen dieser Entbehrung blieben nicht aus. Man hätte ihm eben so gut ein Glied unterbinden können. Er lebte noch eine kleine Reihe von Jährchen fort, wie er gelebt hatte, menschenfreundlich, wohlwollend, heiter; aber in seiner „Maschine“ war ein verborgenes Rädchen gebrochen. Erst litt er an perio-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T14:08:57Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T14:08:57Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_tubus_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_tubus_1910/128
Zitationshilfe: Kurz, Hermann: Die beiden Tubus. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 18. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 149–277. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_tubus_1910/128>, abgerufen am 18.12.2024.