Kurz, Hermann: Die beiden Tubus. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 18. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 149–277. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Schreiben vom Privatsecretär des auf den Thron gelangten Prinzen, das in verbindlichen, jedoch nicht verbindenden Ausdrücken noch einmal den nunmehr allerhöchst kahlen Dank seines gnädigsten Herrn für die freundliche Beherbergung aussprach. Der Blick in dieses Schreiben glich dem Blicke in ein Fernrohr, dessen anderes Ende mit einem Deckel versehen ist. "Durlach!" sagt: der Pfarrer von Y . . . burg und leerte mit Einem trotzigen Zuge sein letztes Glas Bordeaux. Der Name der vormaligen markgräflichen Haupt- und Residenzstadt, den er bei diesem Anlaß im Munde führte, trug für ihn eine sprichwörtliche Bedeutung. Er hatte in seinen Universitätsjahren einen alten blödsinnigen Spitaliten gekannt, der sich auf den Gassen herumtrieb und besonders den Studenten zu ihrer Belustigung diente. Diesem hatte vor unzählig vielen Jahren einmal ein Student versprochen, ihn in den Ferien auf eine Reise nach der genannten Stadt mitzunehmen, eine Aussicht, die fortan die Wonne seines Lebens blieb. Was dem liebenden Herzen die Erfüllung des schönsten Traumes, dem ringenden Forscher die Entdeckung der höchsten Wahrheit ist, Alles was das Leben schmückt, was werth ist ein Ziel des Wünschens und Hoffens zu sein, das stellte sich diesem kindlichen Gemüthe in dem einen Worte "Durlach" dar. Er rief es jedem Begegnenden zu, wobei er den Mund bis zu den Ohren verzog. Daß der Traum nie zur Wirklichkeit wurde, kümmerte ihn nicht; ihm genügte! Schreiben vom Privatsecretär des auf den Thron gelangten Prinzen, das in verbindlichen, jedoch nicht verbindenden Ausdrücken noch einmal den nunmehr allerhöchst kahlen Dank seines gnädigsten Herrn für die freundliche Beherbergung aussprach. Der Blick in dieses Schreiben glich dem Blicke in ein Fernrohr, dessen anderes Ende mit einem Deckel versehen ist. „Durlach!“ sagt: der Pfarrer von Y . . . burg und leerte mit Einem trotzigen Zuge sein letztes Glas Bordeaux. Der Name der vormaligen markgräflichen Haupt- und Residenzstadt, den er bei diesem Anlaß im Munde führte, trug für ihn eine sprichwörtliche Bedeutung. Er hatte in seinen Universitätsjahren einen alten blödsinnigen Spitaliten gekannt, der sich auf den Gassen herumtrieb und besonders den Studenten zu ihrer Belustigung diente. Diesem hatte vor unzählig vielen Jahren einmal ein Student versprochen, ihn in den Ferien auf eine Reise nach der genannten Stadt mitzunehmen, eine Aussicht, die fortan die Wonne seines Lebens blieb. Was dem liebenden Herzen die Erfüllung des schönsten Traumes, dem ringenden Forscher die Entdeckung der höchsten Wahrheit ist, Alles was das Leben schmückt, was werth ist ein Ziel des Wünschens und Hoffens zu sein, das stellte sich diesem kindlichen Gemüthe in dem einen Worte „Durlach“ dar. Er rief es jedem Begegnenden zu, wobei er den Mund bis zu den Ohren verzog. Daß der Traum nie zur Wirklichkeit wurde, kümmerte ihn nicht; ihm genügte! <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="2"> <p><pb facs="#f0056"/> Schreiben vom Privatsecretär des auf den Thron gelangten Prinzen, das in verbindlichen, jedoch nicht verbindenden Ausdrücken noch einmal den nunmehr allerhöchst kahlen Dank seines gnädigsten Herrn für die freundliche Beherbergung aussprach. Der Blick in dieses Schreiben glich dem Blicke in ein Fernrohr, dessen anderes Ende mit einem Deckel versehen ist.</p><lb/> <p>„Durlach!“ sagt: der Pfarrer von Y . . . burg und leerte mit Einem trotzigen Zuge sein letztes Glas Bordeaux. Der Name der vormaligen markgräflichen Haupt- und Residenzstadt, den er bei diesem Anlaß im Munde führte, trug für ihn eine sprichwörtliche Bedeutung. Er hatte in seinen Universitätsjahren einen alten blödsinnigen Spitaliten gekannt, der sich auf den Gassen herumtrieb und besonders den Studenten zu ihrer Belustigung diente. Diesem hatte vor unzählig vielen Jahren einmal ein Student versprochen, ihn in den Ferien auf eine Reise nach der genannten Stadt mitzunehmen, eine Aussicht, die fortan die Wonne seines Lebens blieb. Was dem liebenden Herzen die Erfüllung des schönsten Traumes, dem ringenden Forscher die Entdeckung der höchsten Wahrheit ist, Alles was das Leben schmückt, was werth ist ein Ziel des Wünschens und Hoffens zu sein, das stellte sich diesem kindlichen Gemüthe in dem einen Worte „Durlach“ dar. Er rief es jedem Begegnenden zu, wobei er den Mund bis zu den Ohren verzog. Daß der Traum nie zur Wirklichkeit wurde, kümmerte ihn nicht; ihm genügte!<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0056]
Schreiben vom Privatsecretär des auf den Thron gelangten Prinzen, das in verbindlichen, jedoch nicht verbindenden Ausdrücken noch einmal den nunmehr allerhöchst kahlen Dank seines gnädigsten Herrn für die freundliche Beherbergung aussprach. Der Blick in dieses Schreiben glich dem Blicke in ein Fernrohr, dessen anderes Ende mit einem Deckel versehen ist.
„Durlach!“ sagt: der Pfarrer von Y . . . burg und leerte mit Einem trotzigen Zuge sein letztes Glas Bordeaux. Der Name der vormaligen markgräflichen Haupt- und Residenzstadt, den er bei diesem Anlaß im Munde führte, trug für ihn eine sprichwörtliche Bedeutung. Er hatte in seinen Universitätsjahren einen alten blödsinnigen Spitaliten gekannt, der sich auf den Gassen herumtrieb und besonders den Studenten zu ihrer Belustigung diente. Diesem hatte vor unzählig vielen Jahren einmal ein Student versprochen, ihn in den Ferien auf eine Reise nach der genannten Stadt mitzunehmen, eine Aussicht, die fortan die Wonne seines Lebens blieb. Was dem liebenden Herzen die Erfüllung des schönsten Traumes, dem ringenden Forscher die Entdeckung der höchsten Wahrheit ist, Alles was das Leben schmückt, was werth ist ein Ziel des Wünschens und Hoffens zu sein, das stellte sich diesem kindlichen Gemüthe in dem einen Worte „Durlach“ dar. Er rief es jedem Begegnenden zu, wobei er den Mund bis zu den Ohren verzog. Daß der Traum nie zur Wirklichkeit wurde, kümmerte ihn nicht; ihm genügte!
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