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Kurz, Hermann: Die beiden Tubus. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 18. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 149–277. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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ihn beseligte der bloße Gedanke, und er lebte und webte darin sein ganzes, an die achtzig Jahre füllendes Leben lang, bis er zur ewigen Ruhe, und wie ein frommer Student in der Leichenrede hinzufügte, in das himmlische Durlach einging.

Die Erinnerung an diesen glücklichen Idioten war es, bei welcher der Pfarrer den Ausdruck borgte, um in bitterster Selbstverhöhnung eine zerplatzte Seifenblase und seinen Glauben an sie zu bezeichnen.

Das Haus erholte sich niemals wieder von dem ökonomischen Schlage, den es durch jene Seifenblase erlitten hatte. War es ja doch schon vorher in einer Verfassung gewesen, von der man sich nur schwer erholt! Der Pfarrer hatte sich mit der ihm eigenen finstern Entschlossenheit gleich vom letzten Herrenmahle weg auf die Bereitung der corrupten Consumtionsmittel geworfen, die wir bereits geschildert haben. Wovon Frau und Kinder sich nährten, ist uns ein Geheimniß geblieben. Wir wissen nur, daß Letztere im Sommer einen großen Theil des Tages im nahen Walde verbrachten, wo der liebe Gott -- oder nach anderer Ansicht, die gütige Natur -- verschiedenerlei Beeren wachsen ließ.

Das sonderbare Geschenk des norddeutschen Prinzen hatte unser seit diesem Erlebniß vollendeter Timon erst unwillig in eine Ecke geworfen, und als es ihm wieder in die Augen fiel, so fehlte wenig, daß er es an dem nächsten besten harten Gegenstand zerschmet-

ihn beseligte der bloße Gedanke, und er lebte und webte darin sein ganzes, an die achtzig Jahre füllendes Leben lang, bis er zur ewigen Ruhe, und wie ein frommer Student in der Leichenrede hinzufügte, in das himmlische Durlach einging.

Die Erinnerung an diesen glücklichen Idioten war es, bei welcher der Pfarrer den Ausdruck borgte, um in bitterster Selbstverhöhnung eine zerplatzte Seifenblase und seinen Glauben an sie zu bezeichnen.

Das Haus erholte sich niemals wieder von dem ökonomischen Schlage, den es durch jene Seifenblase erlitten hatte. War es ja doch schon vorher in einer Verfassung gewesen, von der man sich nur schwer erholt! Der Pfarrer hatte sich mit der ihm eigenen finstern Entschlossenheit gleich vom letzten Herrenmahle weg auf die Bereitung der corrupten Consumtionsmittel geworfen, die wir bereits geschildert haben. Wovon Frau und Kinder sich nährten, ist uns ein Geheimniß geblieben. Wir wissen nur, daß Letztere im Sommer einen großen Theil des Tages im nahen Walde verbrachten, wo der liebe Gott — oder nach anderer Ansicht, die gütige Natur — verschiedenerlei Beeren wachsen ließ.

Das sonderbare Geschenk des norddeutschen Prinzen hatte unser seit diesem Erlebniß vollendeter Timon erst unwillig in eine Ecke geworfen, und als es ihm wieder in die Augen fiel, so fehlte wenig, daß er es an dem nächsten besten harten Gegenstand zerschmet-

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[0057] ihn beseligte der bloße Gedanke, und er lebte und webte darin sein ganzes, an die achtzig Jahre füllendes Leben lang, bis er zur ewigen Ruhe, und wie ein frommer Student in der Leichenrede hinzufügte, in das himmlische Durlach einging. Die Erinnerung an diesen glücklichen Idioten war es, bei welcher der Pfarrer den Ausdruck borgte, um in bitterster Selbstverhöhnung eine zerplatzte Seifenblase und seinen Glauben an sie zu bezeichnen. Das Haus erholte sich niemals wieder von dem ökonomischen Schlage, den es durch jene Seifenblase erlitten hatte. War es ja doch schon vorher in einer Verfassung gewesen, von der man sich nur schwer erholt! Der Pfarrer hatte sich mit der ihm eigenen finstern Entschlossenheit gleich vom letzten Herrenmahle weg auf die Bereitung der corrupten Consumtionsmittel geworfen, die wir bereits geschildert haben. Wovon Frau und Kinder sich nährten, ist uns ein Geheimniß geblieben. Wir wissen nur, daß Letztere im Sommer einen großen Theil des Tages im nahen Walde verbrachten, wo der liebe Gott — oder nach anderer Ansicht, die gütige Natur — verschiedenerlei Beeren wachsen ließ. Das sonderbare Geschenk des norddeutschen Prinzen hatte unser seit diesem Erlebniß vollendeter Timon erst unwillig in eine Ecke geworfen, und als es ihm wieder in die Augen fiel, so fehlte wenig, daß er es an dem nächsten besten harten Gegenstand zerschmet-

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T14:08:57Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T14:08:57Z)

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Zitationshilfe: Kurz, Hermann: Die beiden Tubus. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 18. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 149–277. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_tubus_1910/57>, abgerufen am 20.05.2024.