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Kurz, Hermann: Die beiden Tubus. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 18. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 149–277. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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des Ulmer Spatzen anwendete. Bekanntlich trug dieser den Strohhalm im Schnabel den langen Weg durchs Thor, um den Bauleuten zu zeigen, wie sie es angreifen müßten, um den Balken hindurchzubringen. Der Frosch aber habe im Kampfe ums Dasein ein Stecklein aufgerafft, dasselbe quer im Maul gehalten und so fest darauf gebissen, daß die Gans nicht im Stande gewesen sei, ihr Vorhaben auszuführen. Auch behauptete er, er habe ein Eichhörnchen über eine zum Ueberspringen zu breite Stelle eines Waldbaches auf einem großen Schilfblatte schiffen sehen, wobei es seinen Schwanz als Segel ausgespannt, um den Wind zu fangen, und mit einem Fuße gerudert habe.

Nun lehren freilich die Naturforscher, daß die Gänse principiell keine Frösche fressen, folglich sie auch nicht zu Erfindungen in der Mechanik veranlassen. Die Ueberfahrt des Eichhörnchens sodann mochte wohl auch billig zu den vielen fabelhaften Seeabenteuern, woran die Geschichte der Schifffahrt so reich ist, gerechnet werden. Wilhelm jedoch war kein Naturkundiger, und erfreute sich der bunten Mittheilungen des neuen Freundes ohne alle Kritik.

Seine lateinische Seele, die ihre bisherige Knospenzeit über Vocabeln und Syntax verlebt hatte, sog die ungewohnten Naturtöne mit sammt ihrer etwas üppigen Romantik durstig ein. Der so günstig situirte Nutznießer dieser Seele ahnte heut zum ersten Mal, daß ein voller Schulsack den Menschen nicht völlig ausfülle. Es über-

des Ulmer Spatzen anwendete. Bekanntlich trug dieser den Strohhalm im Schnabel den langen Weg durchs Thor, um den Bauleuten zu zeigen, wie sie es angreifen müßten, um den Balken hindurchzubringen. Der Frosch aber habe im Kampfe ums Dasein ein Stecklein aufgerafft, dasselbe quer im Maul gehalten und so fest darauf gebissen, daß die Gans nicht im Stande gewesen sei, ihr Vorhaben auszuführen. Auch behauptete er, er habe ein Eichhörnchen über eine zum Ueberspringen zu breite Stelle eines Waldbaches auf einem großen Schilfblatte schiffen sehen, wobei es seinen Schwanz als Segel ausgespannt, um den Wind zu fangen, und mit einem Fuße gerudert habe.

Nun lehren freilich die Naturforscher, daß die Gänse principiell keine Frösche fressen, folglich sie auch nicht zu Erfindungen in der Mechanik veranlassen. Die Ueberfahrt des Eichhörnchens sodann mochte wohl auch billig zu den vielen fabelhaften Seeabenteuern, woran die Geschichte der Schifffahrt so reich ist, gerechnet werden. Wilhelm jedoch war kein Naturkundiger, und erfreute sich der bunten Mittheilungen des neuen Freundes ohne alle Kritik.

Seine lateinische Seele, die ihre bisherige Knospenzeit über Vocabeln und Syntax verlebt hatte, sog die ungewohnten Naturtöne mit sammt ihrer etwas üppigen Romantik durstig ein. Der so günstig situirte Nutznießer dieser Seele ahnte heut zum ersten Mal, daß ein voller Schulsack den Menschen nicht völlig ausfülle. Es über-

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[0099] des Ulmer Spatzen anwendete. Bekanntlich trug dieser den Strohhalm im Schnabel den langen Weg durchs Thor, um den Bauleuten zu zeigen, wie sie es angreifen müßten, um den Balken hindurchzubringen. Der Frosch aber habe im Kampfe ums Dasein ein Stecklein aufgerafft, dasselbe quer im Maul gehalten und so fest darauf gebissen, daß die Gans nicht im Stande gewesen sei, ihr Vorhaben auszuführen. Auch behauptete er, er habe ein Eichhörnchen über eine zum Ueberspringen zu breite Stelle eines Waldbaches auf einem großen Schilfblatte schiffen sehen, wobei es seinen Schwanz als Segel ausgespannt, um den Wind zu fangen, und mit einem Fuße gerudert habe. Nun lehren freilich die Naturforscher, daß die Gänse principiell keine Frösche fressen, folglich sie auch nicht zu Erfindungen in der Mechanik veranlassen. Die Ueberfahrt des Eichhörnchens sodann mochte wohl auch billig zu den vielen fabelhaften Seeabenteuern, woran die Geschichte der Schifffahrt so reich ist, gerechnet werden. Wilhelm jedoch war kein Naturkundiger, und erfreute sich der bunten Mittheilungen des neuen Freundes ohne alle Kritik. Seine lateinische Seele, die ihre bisherige Knospenzeit über Vocabeln und Syntax verlebt hatte, sog die ungewohnten Naturtöne mit sammt ihrer etwas üppigen Romantik durstig ein. Der so günstig situirte Nutznießer dieser Seele ahnte heut zum ersten Mal, daß ein voller Schulsack den Menschen nicht völlig ausfülle. Es über-

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T14:08:57Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
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Zitationshilfe: Kurz, Hermann: Die beiden Tubus. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 18. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 149–277. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_tubus_1910/99>, abgerufen am 27.11.2024.