Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876.§. 11. Die Rechte der Einzelstaaten. Eine bestimmte Form für die Aufhebung von Sonderrechten In der Zustimmung eines berechtigten Staates zu einem 1) So z. B. wenn Württemberg auf seinen Eisenbahnen den Einpfennig- Tarif einführen oder der Post dieselben Vorrechte beilegen würde, die ihr nach dem Reichspostgesetz zustehen. 2) Die entgegengesetzte Ansicht vertritt Hänel S. 236 ff., dem Löning S. 347 beistimmt, so weit diese Sonderrechte in der Form des Vertrages ge- gründet worden sind, d. h. soweit sie in Bestimmungen der Schlußprotokolle enthalten sind, die nicht in die jetzige Redaction der Reichsverfassung Aufnahme gefunden haben und durch §. 3 des Publikationsgesetzes zur Reichsverf. in Geltung erhalten worden sind. 3) Es wurde auch praktisch demgemäß verfahren, als das Reichs-Postge-
setz vom 28. Oktober 1871 das Vorrecht der Post auf ausschließliche Beför- derung politischer Zeitungen in Württemberg, wo es bis dahin nicht bestand, einführte, also die im Württemb. Protokoll vom 25. Nov. 1870 unter 3 ent- haltene Festsetzung abänderte. Hänel a. a. O. S. 237. Vgl. ferner den S. 118 Note 2 mitgetheilten Fall aus dem Protokoll des Bundesrathes vom 1875 §. 70. §. 11. Die Rechte der Einzelſtaaten. Eine beſtimmte Form für die Aufhebung von Sonderrechten In der Zuſtimmung eines berechtigten Staates zu einem 1) So z. B. wenn Württemberg auf ſeinen Eiſenbahnen den Einpfennig- Tarif einführen oder der Poſt dieſelben Vorrechte beilegen würde, die ihr nach dem Reichspoſtgeſetz zuſtehen. 2) Die entgegengeſetzte Anſicht vertritt Hänel S. 236 ff., dem Löning S. 347 beiſtimmt, ſo weit dieſe Sonderrechte in der Form des Vertrages ge- gründet worden ſind, d. h. ſoweit ſie in Beſtimmungen der Schlußprotokolle enthalten ſind, die nicht in die jetzige Redaction der Reichsverfaſſung Aufnahme gefunden haben und durch §. 3 des Publikationsgeſetzes zur Reichsverf. in Geltung erhalten worden ſind. 3) Es wurde auch praktiſch demgemäß verfahren, als das Reichs-Poſtge-
ſetz vom 28. Oktober 1871 das Vorrecht der Poſt auf ausſchließliche Beför- derung politiſcher Zeitungen in Württemberg, wo es bis dahin nicht beſtand, einführte, alſo die im Württemb. Protokoll vom 25. Nov. 1870 unter 3 ent- haltene Feſtſetzung abänderte. Hänel a. a. O. S. 237. Vgl. ferner den S. 118 Note 2 mitgetheilten Fall aus dem Protokoll des Bundesrathes vom 1875 §. 70. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0139" n="119"/> <fw place="top" type="header">§. 11. Die Rechte der Einzelſtaaten.</fw><lb/> <p>Eine beſtimmte Form für die Aufhebung von Sonderrechten<lb/> iſt weder durch poſitives Recht vorgeſchrieben, noch aus der Natur<lb/> der Sonderrechte abzuleiten. Es genügt in vielen Fällen ein that-<lb/> ſächlicher Verzicht <note place="foot" n="1)">So z. B. wenn Württemberg auf ſeinen Eiſenbahnen den Einpfennig-<lb/> Tarif einführen oder der Poſt dieſelben Vorrechte beilegen würde, die ihr nach<lb/> dem Reichspoſtgeſetz zuſtehen.</note>. Iſt das Sonderrecht aber gleichzeitig ein<lb/> Beſtandtheil der Verfaſſung, ſo bedarf es außer der Zuſtimmung<lb/> des berechtigten Staates auch der für Verfaſſungsänderungen im<lb/> Art. 78 Abſ. 1 vorgeſchriebenen Form. Ein förmlicher Staats-<lb/> vertrag zwiſchen dem Reich und dem Einzelſtaat iſt in <hi rendition="#g">keinem</hi><lb/> Falle für erforderlich zu erachten, da das Reich wegen ſeiner ſou-<lb/> veränen Macht über ſeine Glieder ſich ſtets der <hi rendition="#g">Form</hi> des Ge-<lb/> ſetzes bedienen kann <note place="foot" n="2)">Die entgegengeſetzte Anſicht vertritt <hi rendition="#g">Hänel</hi> S. 236 ff., dem <hi rendition="#g">Löning</hi><lb/> S. 347 beiſtimmt, ſo weit dieſe Sonderrechte in der Form des Vertrages ge-<lb/> gründet worden ſind, d. h. ſoweit ſie in Beſtimmungen der Schlußprotokolle<lb/> enthalten ſind, die nicht in die jetzige Redaction der Reichsverfaſſung Aufnahme<lb/> gefunden haben und durch §. 3 des Publikationsgeſetzes zur Reichsverf. in<lb/> Geltung erhalten worden ſind.</note>. Es iſt nur nothwendig, daß es bei Aus-<lb/> übung dieſer Macht die materiellen Schranken beobachtet, welche<lb/> ihm der Rechtsſatz zieht, daß wohlbegründete Rechte nicht ohne<lb/> Zuſtimmung des Berechtigten aufgehoben werden dürfen.</p><lb/> <p>In der Zuſtimmung eines berechtigten Staates zu einem<lb/> Geſetz, welches ein Sonderrecht aufhebt oder beſchränkt, iſt zugleich<lb/> ein <hi rendition="#g">Verzicht</hi> auf dieſes Sonderrecht enthalten. Wenn daher im<lb/> Bundesrath die Stimme des berechtigten Staates unter der, dem<lb/> Geſetz zuſtimmenden Majorität ſich befindet, ſo iſt dies zur rechts-<lb/> gültigen Beſeitigung des Sonderrechts genügend <note place="foot" n="3)">Es wurde auch praktiſch demgemäß verfahren, als das Reichs-Poſtge-<lb/> ſetz vom 28. Oktober 1871 das Vorrecht der Poſt auf ausſchließliche Beför-<lb/> derung politiſcher Zeitungen in Württemberg, wo es bis dahin nicht beſtand,<lb/> einführte, alſo die im Württemb. Protokoll vom 25. Nov. 1870 unter 3 ent-<lb/> haltene Feſtſetzung abänderte. <hi rendition="#g">Hänel</hi> a. a. O. S. 237. Vgl. ferner den<lb/> S. 118 Note 2 mitgetheilten Fall aus dem Protokoll des Bundesrathes vom<lb/> 1875 §. 70.</note>. Ein Zuſtim-<lb/> mung des Landtages des berechtigten Einzelſtaates iſt nicht erfor-<lb/> derlich, weder eine vorgängige vor der Beſchlußfaſſung des Bun-<lb/> desrathes noch eine nachträgliche behufs der Ratihabition des<lb/> Reichsgeſetzes. Bei allen Geſetzgebungsacten des Reiches wird der<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [119/0139]
§. 11. Die Rechte der Einzelſtaaten.
Eine beſtimmte Form für die Aufhebung von Sonderrechten
iſt weder durch poſitives Recht vorgeſchrieben, noch aus der Natur
der Sonderrechte abzuleiten. Es genügt in vielen Fällen ein that-
ſächlicher Verzicht 1). Iſt das Sonderrecht aber gleichzeitig ein
Beſtandtheil der Verfaſſung, ſo bedarf es außer der Zuſtimmung
des berechtigten Staates auch der für Verfaſſungsänderungen im
Art. 78 Abſ. 1 vorgeſchriebenen Form. Ein förmlicher Staats-
vertrag zwiſchen dem Reich und dem Einzelſtaat iſt in keinem
Falle für erforderlich zu erachten, da das Reich wegen ſeiner ſou-
veränen Macht über ſeine Glieder ſich ſtets der Form des Ge-
ſetzes bedienen kann 2). Es iſt nur nothwendig, daß es bei Aus-
übung dieſer Macht die materiellen Schranken beobachtet, welche
ihm der Rechtsſatz zieht, daß wohlbegründete Rechte nicht ohne
Zuſtimmung des Berechtigten aufgehoben werden dürfen.
In der Zuſtimmung eines berechtigten Staates zu einem
Geſetz, welches ein Sonderrecht aufhebt oder beſchränkt, iſt zugleich
ein Verzicht auf dieſes Sonderrecht enthalten. Wenn daher im
Bundesrath die Stimme des berechtigten Staates unter der, dem
Geſetz zuſtimmenden Majorität ſich befindet, ſo iſt dies zur rechts-
gültigen Beſeitigung des Sonderrechts genügend 3). Ein Zuſtim-
mung des Landtages des berechtigten Einzelſtaates iſt nicht erfor-
derlich, weder eine vorgängige vor der Beſchlußfaſſung des Bun-
desrathes noch eine nachträgliche behufs der Ratihabition des
Reichsgeſetzes. Bei allen Geſetzgebungsacten des Reiches wird der
1) So z. B. wenn Württemberg auf ſeinen Eiſenbahnen den Einpfennig-
Tarif einführen oder der Poſt dieſelben Vorrechte beilegen würde, die ihr nach
dem Reichspoſtgeſetz zuſtehen.
2) Die entgegengeſetzte Anſicht vertritt Hänel S. 236 ff., dem Löning
S. 347 beiſtimmt, ſo weit dieſe Sonderrechte in der Form des Vertrages ge-
gründet worden ſind, d. h. ſoweit ſie in Beſtimmungen der Schlußprotokolle
enthalten ſind, die nicht in die jetzige Redaction der Reichsverfaſſung Aufnahme
gefunden haben und durch §. 3 des Publikationsgeſetzes zur Reichsverf. in
Geltung erhalten worden ſind.
3) Es wurde auch praktiſch demgemäß verfahren, als das Reichs-Poſtge-
ſetz vom 28. Oktober 1871 das Vorrecht der Poſt auf ausſchließliche Beför-
derung politiſcher Zeitungen in Württemberg, wo es bis dahin nicht beſtand,
einführte, alſo die im Württemb. Protokoll vom 25. Nov. 1870 unter 3 ent-
haltene Feſtſetzung abänderte. Hänel a. a. O. S. 237. Vgl. ferner den
S. 118 Note 2 mitgetheilten Fall aus dem Protokoll des Bundesrathes vom
1875 §. 70.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |