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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876.

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§, 11. Die Rechte der Einzelstaaten.
können. Es ist dies in einzelnen Anwendungen anerkannt, z. B.
im Württembergischen Schlußprotokoll Z. 3, im Bayrischen Schluß-
protokoll Z. IV, im Art. 34 der Reichsverfassung, welcher die
Aufnahme der Hansestädte in das Zollgebiet von einem Antrage
derselben abhängig macht. Auch die Bestimmung des Art. 78
Abs. 1, wonach Verfassungs-Aenderungen im Wege der Gesetzge-
bung zulässig sind, läßt das materielle Erforderniß der Zustim-
mung des berechtigten Staates bei der Aufhebung von Sonder-
rechten unberührt. In dem Badisch-Hessischen Schlußprotokoll
Ziffer 8 wurde dies "allseitig als selbstverständlich" constatirt;
dieselbe Bestimmung wurde in das Bayerische Verfassungs-Bünd-
niß Ziffer V aufgenommen und später bei der definitiven Redak-
tion der Reichsverfassung dieser als Art. 78 Abs. 2 beigefügt 1).
Das Erforderniß der Zustimmung des berechtigten Staates hat
damit Nichts zu thun, daß Vorschriften der Verfassung geändert
werden, sondern nur damit, daß "bestimmte Rechte einzelner Bun-
desstaaten in deren Verhältniß zur Gesammtheit" verändert oder
beseitigt werden sollen. Dasselbe gilt daher auch von Sonder-
rechten, welche nicht in der Verfassung festgestellt worden sind 2).

Zu unterscheiden von Sonderrechten sind aber wider-
rufliche Begünstigungen einzelner Staaten, z. B. der zeitweise
Aufschub der Einführung von Reichsgesetzen, wie er in den Bünd-
nißverträgen mit den süddeutschen Staaten verabredet wurde, oder
finanzielle Begünstigungen auf Widerruf.


1) Ueber die Controverse, welche sich an diesen Satz der Verfassung an-
knüpft, vgl. Laband a. a. O. S. 1487 u. 1516 ff.
2) Dies bestreiten Hänel und Löning an den oben angeführten Stel-
len. -- Die Großherzogl. Hessische Regierung hat mit Bezug auf die im Pro-
tokoll vom 15. Nov. 1870 Ziffer 4 enthaltene Bestimmung über die Vergütung
für die postalische Benutzung der Eisenbahnen, bei der Beschlußfassung im Bun-
desrathe über einen Gesetzentwurf, betreffend Abänderung des §. 4 des Post-
gesetzes, mit Recht den Standpunkt festgehalten, daß die Leistungen der Eisen-
bahnen des Großherzogthums für Postzwecke etc. durch weitere Verständi-
gung
mit der Hessischen Regierung geregelt werden müssen. In den verei-
nigten (V. u. VI.) Bundesraths-Ausschüssen ergab sich bei der Abstimmung
über einen darauf bezüglichen Antrag Stimmengleichheit; im Plenum des
Bundesrathes kam die Frage nicht zur Entscheidung, da Hessen sich eventuell
mit den in dem Gesetzentwurfe enthaltenen Bestimmungen einverstanden erklärte.
Protokolle des Bundesrathes 1875 §. 70 S. 63.

§, 11. Die Rechte der Einzelſtaaten.
können. Es iſt dies in einzelnen Anwendungen anerkannt, z. B.
im Württembergiſchen Schlußprotokoll Z. 3, im Bayriſchen Schluß-
protokoll Z. IV, im Art. 34 der Reichsverfaſſung, welcher die
Aufnahme der Hanſeſtädte in das Zollgebiet von einem Antrage
derſelben abhängig macht. Auch die Beſtimmung des Art. 78
Abſ. 1, wonach Verfaſſungs-Aenderungen im Wege der Geſetzge-
bung zuläſſig ſind, läßt das materielle Erforderniß der Zuſtim-
mung des berechtigten Staates bei der Aufhebung von Sonder-
rechten unberührt. In dem Badiſch-Heſſiſchen Schlußprotokoll
Ziffer 8 wurde dies „allſeitig als ſelbſtverſtändlich“ conſtatirt;
dieſelbe Beſtimmung wurde in das Bayeriſche Verfaſſungs-Bünd-
niß Ziffer V aufgenommen und ſpäter bei der definitiven Redak-
tion der Reichsverfaſſung dieſer als Art. 78 Abſ. 2 beigefügt 1).
Das Erforderniß der Zuſtimmung des berechtigten Staates hat
damit Nichts zu thun, daß Vorſchriften der Verfaſſung geändert
werden, ſondern nur damit, daß „beſtimmte Rechte einzelner Bun-
desſtaaten in deren Verhältniß zur Geſammtheit“ verändert oder
beſeitigt werden ſollen. Daſſelbe gilt daher auch von Sonder-
rechten, welche nicht in der Verfaſſung feſtgeſtellt worden ſind 2).

Zu unterſcheiden von Sonderrechten ſind aber wider-
rufliche Begünſtigungen einzelner Staaten, z. B. der zeitweiſe
Aufſchub der Einführung von Reichsgeſetzen, wie er in den Bünd-
nißverträgen mit den ſüddeutſchen Staaten verabredet wurde, oder
finanzielle Begünſtigungen auf Widerruf.


1) Ueber die Controverſe, welche ſich an dieſen Satz der Verfaſſung an-
knüpft, vgl. Laband a. a. O. S. 1487 u. 1516 ff.
2) Dies beſtreiten Hänel und Löning an den oben angeführten Stel-
len. — Die Großherzogl. Heſſiſche Regierung hat mit Bezug auf die im Pro-
tokoll vom 15. Nov. 1870 Ziffer 4 enthaltene Beſtimmung über die Vergütung
für die poſtaliſche Benutzung der Eiſenbahnen, bei der Beſchlußfaſſung im Bun-
desrathe über einen Geſetzentwurf, betreffend Abänderung des §. 4 des Poſt-
geſetzes, mit Recht den Standpunkt feſtgehalten, daß die Leiſtungen der Eiſen-
bahnen des Großherzogthums für Poſtzwecke ꝛc. durch weitere Verſtändi-
gung
mit der Heſſiſchen Regierung geregelt werden müſſen. In den verei-
nigten (V. u. VI.) Bundesraths-Ausſchüſſen ergab ſich bei der Abſtimmung
über einen darauf bezüglichen Antrag Stimmengleichheit; im Plenum des
Bundesrathes kam die Frage nicht zur Entſcheidung, da Heſſen ſich eventuell
mit den in dem Geſetzentwurfe enthaltenen Beſtimmungen einverſtanden erklärte.
Protokolle des Bundesrathes 1875 §. 70 S. 63.
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[118/0138] §, 11. Die Rechte der Einzelſtaaten. können. Es iſt dies in einzelnen Anwendungen anerkannt, z. B. im Württembergiſchen Schlußprotokoll Z. 3, im Bayriſchen Schluß- protokoll Z. IV, im Art. 34 der Reichsverfaſſung, welcher die Aufnahme der Hanſeſtädte in das Zollgebiet von einem Antrage derſelben abhängig macht. Auch die Beſtimmung des Art. 78 Abſ. 1, wonach Verfaſſungs-Aenderungen im Wege der Geſetzge- bung zuläſſig ſind, läßt das materielle Erforderniß der Zuſtim- mung des berechtigten Staates bei der Aufhebung von Sonder- rechten unberührt. In dem Badiſch-Heſſiſchen Schlußprotokoll Ziffer 8 wurde dies „allſeitig als ſelbſtverſtändlich“ conſtatirt; dieſelbe Beſtimmung wurde in das Bayeriſche Verfaſſungs-Bünd- niß Ziffer V aufgenommen und ſpäter bei der definitiven Redak- tion der Reichsverfaſſung dieſer als Art. 78 Abſ. 2 beigefügt 1). Das Erforderniß der Zuſtimmung des berechtigten Staates hat damit Nichts zu thun, daß Vorſchriften der Verfaſſung geändert werden, ſondern nur damit, daß „beſtimmte Rechte einzelner Bun- desſtaaten in deren Verhältniß zur Geſammtheit“ verändert oder beſeitigt werden ſollen. Daſſelbe gilt daher auch von Sonder- rechten, welche nicht in der Verfaſſung feſtgeſtellt worden ſind 2). Zu unterſcheiden von Sonderrechten ſind aber wider- rufliche Begünſtigungen einzelner Staaten, z. B. der zeitweiſe Aufſchub der Einführung von Reichsgeſetzen, wie er in den Bünd- nißverträgen mit den ſüddeutſchen Staaten verabredet wurde, oder finanzielle Begünſtigungen auf Widerruf. 1) Ueber die Controverſe, welche ſich an dieſen Satz der Verfaſſung an- knüpft, vgl. Laband a. a. O. S. 1487 u. 1516 ff. 2) Dies beſtreiten Hänel und Löning an den oben angeführten Stel- len. — Die Großherzogl. Heſſiſche Regierung hat mit Bezug auf die im Pro- tokoll vom 15. Nov. 1870 Ziffer 4 enthaltene Beſtimmung über die Vergütung für die poſtaliſche Benutzung der Eiſenbahnen, bei der Beſchlußfaſſung im Bun- desrathe über einen Geſetzentwurf, betreffend Abänderung des §. 4 des Poſt- geſetzes, mit Recht den Standpunkt feſtgehalten, daß die Leiſtungen der Eiſen- bahnen des Großherzogthums für Poſtzwecke ꝛc. durch weitere Verſtändi- gung mit der Heſſiſchen Regierung geregelt werden müſſen. In den verei- nigten (V. u. VI.) Bundesraths-Ausſchüſſen ergab ſich bei der Abſtimmung über einen darauf bezüglichen Antrag Stimmengleichheit; im Plenum des Bundesrathes kam die Frage nicht zur Entſcheidung, da Heſſen ſich eventuell mit den in dem Geſetzentwurfe enthaltenen Beſtimmungen einverſtanden erklärte. Protokolle des Bundesrathes 1875 §. 70 S. 63.

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Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876, S. 118. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht01_1876/138>, abgerufen am 21.11.2024.