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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876.

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§. 14. Die Pflichten der Reichsangehörigen.
gewesene Recht. Gegen den deutschen Bund konnte ein Hochverrath
oder Landesverrath nicht begangen werden; das Bundesverhältniß
war kein Gegenstand eines Staatsverbrechens, der Bund hatte
keine Staatsangehörigen 1). Allerdings bestimmte der, in allen
Bundesstaaten publizirte Bundesbeschluß v. 18. August 1836 2),
daß die gegen die Existenz, Integrität, Sicherheit oder Verfassung
des deutschen Bundes gerichteten Handlungen in dem Staate,
in dem der Thäter Unterthan ist
, als Hochverrath, Lan-
desverrath oder unter einer anderen Benennung gestraft werden
sollen, unter welcher die gleiche Handlung, gegen den einzelnen
Staat selbst begangen, zu strafen sein würde. In diesem Beschluß
selbst aber wird als Grund angegeben, daß die Verfassung des
deutschen Bundes auch ein Theil der Landesverfassung
sei. Die Bundesinstitutionen hatten daher keinen selbständigen
oder unmittelbaren Schutz, sondern nur mittelbar durch den Schutz
der Verfassungs-Einrichtungen der einzelnen Staaten; Unterneh-
mungen gegen den Bund waren nur strafbar als Hoch- oder Lan-
desverrath gegen den Einzelstaat 3).

Durch den Art. 74 der Verfassung hat sich dieses Verhältniß
vollständig geändert. Zwar lehnt er sich in seiner Fassung an den
Wortlaut des Bundesbeschlusses von 1836 an, weil es zur Zeit
der Errichtung des Norddeutschen Bundes noch kein gemeines Straf-
recht gab; aber er bestimmt nicht, daß der Hochverrath oder Lan-
desverraty gegen das Reich als Hoch- oder Landesverrath gegen
den einzelnen Staat, in dessen Gebiet die That verübt worden ist,
anzusehen sei, sondern daß er ebenso wie der Hoch- oder Lan-
desverrath in den einzelnen Staaten zu bestrafen sei 4). Gegen-
stand des Verbrechens ist nicht der Einzelstaat in seiner Eigenschaft
als Bundesglied, sondern das Reich selbst 5). Das Reichs-Straf-
Gesetz-Buch hat die partikulären Gesetze beseitigt und die Bestra-
fung des Hoch- und Landesverrathes sowohl gegen das Reich als

1) Klüber Oeffentl. Recht §. 184 Note 6 S. 240 (4. Aufl.).
2) Sitz XVI. Prot. §. 226.
3) Vgl. Heffter im N. Arch. des Criminalrechts 1840 S. 223 ff. und
Lehrbuch des Strafr. §. 203 Note 5.
4) "Nach Maßgabe der in den letzteren bestehenden oder künftig in Wirk-
samkeit tretenden Gesetze."
5) Schütze Lehrbuch S. 228.

§. 14. Die Pflichten der Reichsangehörigen.
geweſene Recht. Gegen den deutſchen Bund konnte ein Hochverrath
oder Landesverrath nicht begangen werden; das Bundesverhältniß
war kein Gegenſtand eines Staatsverbrechens, der Bund hatte
keine Staatsangehörigen 1). Allerdings beſtimmte der, in allen
Bundesſtaaten publizirte Bundesbeſchluß v. 18. Auguſt 1836 2),
daß die gegen die Exiſtenz, Integrität, Sicherheit oder Verfaſſung
des deutſchen Bundes gerichteten Handlungen in dem Staate,
in dem der Thäter Unterthan iſt
, als Hochverrath, Lan-
desverrath oder unter einer anderen Benennung geſtraft werden
ſollen, unter welcher die gleiche Handlung, gegen den einzelnen
Staat ſelbſt begangen, zu ſtrafen ſein würde. In dieſem Beſchluß
ſelbſt aber wird als Grund angegeben, daß die Verfaſſung des
deutſchen Bundes auch ein Theil der Landesverfaſſung
ſei. Die Bundesinſtitutionen hatten daher keinen ſelbſtändigen
oder unmittelbaren Schutz, ſondern nur mittelbar durch den Schutz
der Verfaſſungs-Einrichtungen der einzelnen Staaten; Unterneh-
mungen gegen den Bund waren nur ſtrafbar als Hoch- oder Lan-
desverrath gegen den Einzelſtaat 3).

Durch den Art. 74 der Verfaſſung hat ſich dieſes Verhältniß
vollſtändig geändert. Zwar lehnt er ſich in ſeiner Faſſung an den
Wortlaut des Bundesbeſchluſſes von 1836 an, weil es zur Zeit
der Errichtung des Norddeutſchen Bundes noch kein gemeines Straf-
recht gab; aber er beſtimmt nicht, daß der Hochverrath oder Lan-
desverraty gegen das Reich als Hoch- oder Landesverrath gegen
den einzelnen Staat, in deſſen Gebiet die That verübt worden iſt,
anzuſehen ſei, ſondern daß er ebenſo wie der Hoch- oder Lan-
desverrath in den einzelnen Staaten zu beſtrafen ſei 4). Gegen-
ſtand des Verbrechens iſt nicht der Einzelſtaat in ſeiner Eigenſchaft
als Bundesglied, ſondern das Reich ſelbſt 5). Das Reichs-Straf-
Geſetz-Buch hat die partikulären Geſetze beſeitigt und die Beſtra-
fung des Hoch- und Landesverrathes ſowohl gegen das Reich als

1) Klüber Oeffentl. Recht §. 184 Note 6 S. 240 (4. Aufl.).
2) Sitz XVI. Prot. §. 226.
3) Vgl. Heffter im N. Arch. des Criminalrechts 1840 S. 223 ff. und
Lehrbuch des Strafr. §. 203 Note 5.
4) „Nach Maßgabe der in den letzteren beſtehenden oder künftig in Wirk-
ſamkeit tretenden Geſetze.“
5) Schütze Lehrbuch S. 228.
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[143/0163] §. 14. Die Pflichten der Reichsangehörigen. geweſene Recht. Gegen den deutſchen Bund konnte ein Hochverrath oder Landesverrath nicht begangen werden; das Bundesverhältniß war kein Gegenſtand eines Staatsverbrechens, der Bund hatte keine Staatsangehörigen 1). Allerdings beſtimmte der, in allen Bundesſtaaten publizirte Bundesbeſchluß v. 18. Auguſt 1836 2), daß die gegen die Exiſtenz, Integrität, Sicherheit oder Verfaſſung des deutſchen Bundes gerichteten Handlungen in dem Staate, in dem der Thäter Unterthan iſt, als Hochverrath, Lan- desverrath oder unter einer anderen Benennung geſtraft werden ſollen, unter welcher die gleiche Handlung, gegen den einzelnen Staat ſelbſt begangen, zu ſtrafen ſein würde. In dieſem Beſchluß ſelbſt aber wird als Grund angegeben, daß die Verfaſſung des deutſchen Bundes auch ein Theil der Landesverfaſſung ſei. Die Bundesinſtitutionen hatten daher keinen ſelbſtändigen oder unmittelbaren Schutz, ſondern nur mittelbar durch den Schutz der Verfaſſungs-Einrichtungen der einzelnen Staaten; Unterneh- mungen gegen den Bund waren nur ſtrafbar als Hoch- oder Lan- desverrath gegen den Einzelſtaat 3). Durch den Art. 74 der Verfaſſung hat ſich dieſes Verhältniß vollſtändig geändert. Zwar lehnt er ſich in ſeiner Faſſung an den Wortlaut des Bundesbeſchluſſes von 1836 an, weil es zur Zeit der Errichtung des Norddeutſchen Bundes noch kein gemeines Straf- recht gab; aber er beſtimmt nicht, daß der Hochverrath oder Lan- desverraty gegen das Reich als Hoch- oder Landesverrath gegen den einzelnen Staat, in deſſen Gebiet die That verübt worden iſt, anzuſehen ſei, ſondern daß er ebenſo wie der Hoch- oder Lan- desverrath in den einzelnen Staaten zu beſtrafen ſei 4). Gegen- ſtand des Verbrechens iſt nicht der Einzelſtaat in ſeiner Eigenſchaft als Bundesglied, ſondern das Reich ſelbſt 5). Das Reichs-Straf- Geſetz-Buch hat die partikulären Geſetze beſeitigt und die Beſtra- fung des Hoch- und Landesverrathes ſowohl gegen das Reich als 1) Klüber Oeffentl. Recht §. 184 Note 6 S. 240 (4. Aufl.). 2) Sitz XVI. Prot. §. 226. 3) Vgl. Heffter im N. Arch. des Criminalrechts 1840 S. 223 ff. und Lehrbuch des Strafr. §. 203 Note 5. 4) „Nach Maßgabe der in den letzteren beſtehenden oder künftig in Wirk- ſamkeit tretenden Geſetze.“ 5) Schütze Lehrbuch S. 228.

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Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876, S. 143. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht01_1876/163>, abgerufen am 24.11.2024.