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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876.

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§. 17. Der Erwerb der Staatsangehörigkeit.

II. Die Verleihung der Staatsangehörigkeit ist ein
Verwaltungsact, zu dessen Vornahme die "höhere" Verwaltungs-
behörde des Staates competent ist. Als solche gilt im Gegensatz
zur Ortspolizei-Behörde die Verwaltungsbehörde zweiter Instanz,
die Bezirks- oder Kreisregierung 1).

Die Verleihung ist ein staatliches Rechtsgeschäft, welches
die Form der Schriftlichkeit, d. h. eine von der competenten Be-
hörde ausgestellte Urkunde erfordert. (§. 6.) Das Rechtsgeschäft
ist ein zweiseitiges, indem es die Acceptation der Staatsangehö-
rigkeit Seitens des aufzunehmenden Bürgers erfordert 2). Regel-
mäßig wird diese Acceptation schon vorher erklärt, indem die
Verleihung nur auf Grund eines Gesuches erfolgt (§. 7) 3); in
allen Fällen aber treten die Wirkungen der Verleihung erst ein
mit dem Zeitpunkte der Aushändigung der Verleihungs-
urkunde (§. 10), durch deren Entgegennahme die Acceptation der
Verleihung in concludenter Weise erklärt wird 4). Da die Ehe-
frau und die noch unter väterlicher Gewalt stehenden minderjäh-
rigen Kinder der Regel nach die Statusverhältnisse, insbesondere
auch die Staatsangehörigkeit des Hausherrn theilen, so erstreckt
sich die Verleihung der Staatsangehörigkeit auch auf sie mit 5).

1) Die Instruction der Sache, die Entgegennahme der Gesuche, protokol-
larische Vernehmung u. s. w. kann jedoch von der Lokalbehörde erfolgen
2) Seine Analogie findet dieser staatsrechtliche Vertrag auf dem Gebiete
des Privatrechts natürlich nicht in den Contracten des Obligationenrechts,
sondern in den familienrechtlichen Verträgen, insbesondere in der Adoption.
3) Minderjährige bedürfen demgemäß zur Stellung des Gesuchs der vä-
terlichen oder vormundschaftlichen Genehmigung. Vgl. Landgraff S. 635.
4) Das Gesetz begnügt sich nicht mit der Ausfertigung der Urkunde
sondern es verlangt deren Aushändigung. Ob dieselbe stattgefunden hat
oder nicht, ist nach den allgemeinen Grundsätzen über die Insinuation
obrigkeitlicher Verfügungen zu beurtheilen; sie kann demnach statt an den Auf-
zunehmenden selbst auch an dessen Angehörige oder legitimirte Bevollmächtigte
erfolgen. Kann jedoch eine Aushändigung thatsächlich nicht stattfinden, so wird
die Verleihung der Staatsangehörigkeit nicht perfekt und kann demnach auch
keine Rechtswirkungen haben. Vgl. über die frühere preußische Praxis v.
Rönne Preuß. Staatsr. I. 2 S. 125 Note 3 (3. Aufl.)
5) Auf großjährige Kinder, welche sich unter väterlicher Gewalt befinden,
erstreckt sich die Verleihung nicht mit; denselben muß vielmehr die Staatsan-
gehörigkeit besonders verliehen werden. Die Motive geben als Grund an,
daß die Feststellung der Thatsache, daß sie unter väterlicher Gewalt stehen,
häufig sehr zweifelhaft ist. Vgl. Landgraff S. 634. 635. Riedel 262.
§. 17. Der Erwerb der Staatsangehörigkeit.

II. Die Verleihung der Staatsangehörigkeit iſt ein
Verwaltungsact, zu deſſen Vornahme die „höhere“ Verwaltungs-
behörde des Staates competent iſt. Als ſolche gilt im Gegenſatz
zur Ortspolizei-Behörde die Verwaltungsbehörde zweiter Inſtanz,
die Bezirks- oder Kreisregierung 1).

Die Verleihung iſt ein ſtaatliches Rechtsgeſchäft, welches
die Form der Schriftlichkeit, d. h. eine von der competenten Be-
hörde ausgeſtellte Urkunde erfordert. (§. 6.) Das Rechtsgeſchäft
iſt ein zweiſeitiges, indem es die Acceptation der Staatsangehö-
rigkeit Seitens des aufzunehmenden Bürgers erfordert 2). Regel-
mäßig wird dieſe Acceptation ſchon vorher erklärt, indem die
Verleihung nur auf Grund eines Geſuches erfolgt (§. 7) 3); in
allen Fällen aber treten die Wirkungen der Verleihung erſt ein
mit dem Zeitpunkte der Aushändigung der Verleihungs-
urkunde (§. 10), durch deren Entgegennahme die Acceptation der
Verleihung in concludenter Weiſe erklärt wird 4). Da die Ehe-
frau und die noch unter väterlicher Gewalt ſtehenden minderjäh-
rigen Kinder der Regel nach die Statusverhältniſſe, insbeſondere
auch die Staatsangehörigkeit des Hausherrn theilen, ſo erſtreckt
ſich die Verleihung der Staatsangehörigkeit auch auf ſie mit 5).

1) Die Inſtruction der Sache, die Entgegennahme der Geſuche, protokol-
lariſche Vernehmung u. ſ. w. kann jedoch von der Lokalbehörde erfolgen
2) Seine Analogie findet dieſer ſtaatsrechtliche Vertrag auf dem Gebiete
des Privatrechts natürlich nicht in den Contracten des Obligationenrechts,
ſondern in den familienrechtlichen Verträgen, insbeſondere in der Adoption.
3) Minderjährige bedürfen demgemäß zur Stellung des Geſuchs der vä-
terlichen oder vormundſchaftlichen Genehmigung. Vgl. Landgraff S. 635.
4) Das Geſetz begnügt ſich nicht mit der Ausfertigung der Urkunde
ſondern es verlangt deren Aushändigung. Ob dieſelbe ſtattgefunden hat
oder nicht, iſt nach den allgemeinen Grundſätzen über die Inſinuation
obrigkeitlicher Verfügungen zu beurtheilen; ſie kann demnach ſtatt an den Auf-
zunehmenden ſelbſt auch an deſſen Angehörige oder legitimirte Bevollmächtigte
erfolgen. Kann jedoch eine Aushändigung thatſächlich nicht ſtattfinden, ſo wird
die Verleihung der Staatsangehörigkeit nicht perfekt und kann demnach auch
keine Rechtswirkungen haben. Vgl. über die frühere preußiſche Praxis v.
Rönne Preuß. Staatsr. I. 2 S. 125 Note 3 (3. Aufl.)
5) Auf großjährige Kinder, welche ſich unter väterlicher Gewalt befinden,
erſtreckt ſich die Verleihung nicht mit; denſelben muß vielmehr die Staatsan-
gehörigkeit beſonders verliehen werden. Die Motive geben als Grund an,
daß die Feſtſtellung der Thatſache, daß ſie unter väterlicher Gewalt ſtehen,
häufig ſehr zweifelhaft iſt. Vgl. Landgraff S. 634. 635. Riedel 262.
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[166/0186] §. 17. Der Erwerb der Staatsangehörigkeit. II. Die Verleihung der Staatsangehörigkeit iſt ein Verwaltungsact, zu deſſen Vornahme die „höhere“ Verwaltungs- behörde des Staates competent iſt. Als ſolche gilt im Gegenſatz zur Ortspolizei-Behörde die Verwaltungsbehörde zweiter Inſtanz, die Bezirks- oder Kreisregierung 1). Die Verleihung iſt ein ſtaatliches Rechtsgeſchäft, welches die Form der Schriftlichkeit, d. h. eine von der competenten Be- hörde ausgeſtellte Urkunde erfordert. (§. 6.) Das Rechtsgeſchäft iſt ein zweiſeitiges, indem es die Acceptation der Staatsangehö- rigkeit Seitens des aufzunehmenden Bürgers erfordert 2). Regel- mäßig wird dieſe Acceptation ſchon vorher erklärt, indem die Verleihung nur auf Grund eines Geſuches erfolgt (§. 7) 3); in allen Fällen aber treten die Wirkungen der Verleihung erſt ein mit dem Zeitpunkte der Aushändigung der Verleihungs- urkunde (§. 10), durch deren Entgegennahme die Acceptation der Verleihung in concludenter Weiſe erklärt wird 4). Da die Ehe- frau und die noch unter väterlicher Gewalt ſtehenden minderjäh- rigen Kinder der Regel nach die Statusverhältniſſe, insbeſondere auch die Staatsangehörigkeit des Hausherrn theilen, ſo erſtreckt ſich die Verleihung der Staatsangehörigkeit auch auf ſie mit 5). 1) Die Inſtruction der Sache, die Entgegennahme der Geſuche, protokol- lariſche Vernehmung u. ſ. w. kann jedoch von der Lokalbehörde erfolgen 2) Seine Analogie findet dieſer ſtaatsrechtliche Vertrag auf dem Gebiete des Privatrechts natürlich nicht in den Contracten des Obligationenrechts, ſondern in den familienrechtlichen Verträgen, insbeſondere in der Adoption. 3) Minderjährige bedürfen demgemäß zur Stellung des Geſuchs der vä- terlichen oder vormundſchaftlichen Genehmigung. Vgl. Landgraff S. 635. 4) Das Geſetz begnügt ſich nicht mit der Ausfertigung der Urkunde ſondern es verlangt deren Aushändigung. Ob dieſelbe ſtattgefunden hat oder nicht, iſt nach den allgemeinen Grundſätzen über die Inſinuation obrigkeitlicher Verfügungen zu beurtheilen; ſie kann demnach ſtatt an den Auf- zunehmenden ſelbſt auch an deſſen Angehörige oder legitimirte Bevollmächtigte erfolgen. Kann jedoch eine Aushändigung thatſächlich nicht ſtattfinden, ſo wird die Verleihung der Staatsangehörigkeit nicht perfekt und kann demnach auch keine Rechtswirkungen haben. Vgl. über die frühere preußiſche Praxis v. Rönne Preuß. Staatsr. I. 2 S. 125 Note 3 (3. Aufl.) 5) Auf großjährige Kinder, welche ſich unter väterlicher Gewalt befinden, erſtreckt ſich die Verleihung nicht mit; denſelben muß vielmehr die Staatsan- gehörigkeit beſonders verliehen werden. Die Motive geben als Grund an, daß die Feſtſtellung der Thatſache, daß ſie unter väterlicher Gewalt ſtehen, häufig ſehr zweifelhaft iſt. Vgl. Landgraff S. 634. 635. Riedel 262.

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Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876, S. 166. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht01_1876/186>, abgerufen am 24.11.2024.