Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876.§. 20. Begriff und staatsrechtliche Natur des Bundesgebietes. weilen die Frage nach dem Recht des Reichs am Reichsgebiet mitder Frage nach dem Mitgliederbestande des Reiches verwechselt oder zusammengeworfen 1). Auch nach einer anderen Richtung hin ist die Bedeutung der In Beziehung auf das Wesen der Gebietshoheit kann man 1) So v. Rönne S. 33 fg. auch Seydel Comment. S. 29 fg. u. a. Ebenso giebt Grotefend deutsches Staatsr. §. 324 nicht viel mehr als eine Aufzählung der im Art. 1 der Verf. genannten Staaten. 2) Zu den sonderbarsten Curiositäten der Literatur des Reichsstaatsrechts gehört die Schrift von H. Beta Das Neue Deutsche Reich. 1871, in welcher es dem Deutschen Reiche zum Vorwurf gemacht wird, daß es ein räumlich begränztes Gebiet habe und nicht alle in der ganzen Welt zerstreut lebenden Deutsche umfasse, überhaupt nicht "kosmopolitisch" sei. 3) So z. B. Riedel S. 9 ff., der dahin nicht blos die räumliche Com-
petenz der Normal-Eichungskommission, des Oberhandelsgerichts und des Bun- desamts für das Heimathswesen, sondern sogar Marine, Schifffahrt und Con- sulatwesen zählt. §. 20. Begriff und ſtaatsrechtliche Natur des Bundesgebietes. weilen die Frage nach dem Recht des Reichs am Reichsgebiet mitder Frage nach dem Mitgliederbeſtande des Reiches verwechſelt oder zuſammengeworfen 1). Auch nach einer anderen Richtung hin iſt die Bedeutung der In Beziehung auf das Weſen der Gebietshoheit kann man 1) So v. Rönne S. 33 fg. auch Seydel Comment. S. 29 fg. u. a. Ebenſo giebt Grotefend deutſches Staatsr. §. 324 nicht viel mehr als eine Aufzählung der im Art. 1 der Verf. genannten Staaten. 2) Zu den ſonderbarſten Curioſitäten der Literatur des Reichsſtaatsrechts gehört die Schrift von H. Beta Das Neue Deutſche Reich. 1871, in welcher es dem Deutſchen Reiche zum Vorwurf gemacht wird, daß es ein räumlich begränztes Gebiet habe und nicht alle in der ganzen Welt zerſtreut lebenden Deutſche umfaſſe, überhaupt nicht „kosmopolitiſch“ ſei. 3) So z. B. Riedel S. 9 ff., der dahin nicht blos die räumliche Com-
petenz der Normal-Eichungskommiſſion, des Oberhandelsgerichts und des Bun- desamts für das Heimathsweſen, ſondern ſogar Marine, Schifffahrt und Con- ſulatweſen zählt. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0203" n="183"/><fw place="top" type="header">§. 20. Begriff und ſtaatsrechtliche Natur des Bundesgebietes.</fw><lb/> weilen die Frage nach dem Recht des Reichs am Reichsgebiet mit<lb/> der Frage nach dem Mitgliederbeſtande des Reiches verwechſelt<lb/> oder zuſammengeworfen <note place="foot" n="1)">So v. <hi rendition="#g">Rönne</hi> S. 33 fg. auch <hi rendition="#g">Seydel</hi> Comment. S. 29 fg. u. a.<lb/> Ebenſo giebt <hi rendition="#g">Grotefend</hi> deutſches Staatsr. §. 324 nicht viel mehr als eine<lb/> Aufzählung der im Art. 1 der Verf. genannten Staaten.</note>.</p><lb/> <p>Auch nach einer anderen Richtung hin iſt die Bedeutung der<lb/> Frage noch näher feſtzuſtellen. Es liegt in der Natur jeder poli-<lb/> tiſchen Einrichtung, daß ſie räumlich begränzt iſt, daß ſie ein Gebiet<lb/> hat <note place="foot" n="2)">Zu den ſonderbarſten Curioſitäten der Literatur des Reichsſtaatsrechts<lb/> gehört die Schrift von H. <hi rendition="#g">Beta</hi> Das Neue Deutſche Reich. 1871, in welcher<lb/> es dem Deutſchen Reiche zum Vorwurf gemacht wird, daß es ein räumlich<lb/> begränztes Gebiet habe und nicht alle in der ganzen Welt zerſtreut lebenden<lb/> Deutſche umfaſſe, überhaupt nicht „kosmopolitiſch“ ſei.</note>. In dieſer Hinſicht iſt daher zwar auch der Staat auf ein<lb/> Gebiet begränzt; aber die Begriffe Staat und Gebiet brauchen<lb/> nicht zuſammenzufallen. Auch der Staatenbund hat ſein Bundes-<lb/> gebiet; man ſpricht von dem Deutſch-Oeſterreichiſchen Poſtgebiet,<lb/> vom Zollvereins-Gebiet u. ſ. w., und man kann andererſeits inner-<lb/> halb jedes Staates nach den verſchiedenſten Rückſichten Gebiete<lb/> unterſcheiden, z. B. Geltungsgebiete einzelner Geſetze oder Ver-<lb/> waltungs-Einrichtungen. Es iſt daher ſtaatsrechtlich völlig werth-<lb/> los, diejenigen Angelegenheiten aufzuzählen, in welchen das deutſche<lb/> Reich ein Gebiet bildet <note place="foot" n="3)">So z. B. <hi rendition="#g">Riedel</hi> S. 9 ff., der dahin nicht blos die räumliche Com-<lb/> petenz der Normal-Eichungskommiſſion, des Oberhandelsgerichts und des Bun-<lb/> desamts für das Heimathsweſen, ſondern ſogar Marine, Schifffahrt und Con-<lb/> ſulatweſen zählt.</note>; denn nicht die territoriale Abgränzung<lb/> irgend einer Einrichtung iſt entſcheidend, ſondern das rechtliche<lb/> Verhältniß, welches ein räumlich begrenztes Stück der Erdober-<lb/> fläche zu einer rechtlich relevanten Einheit macht. Nicht daß die<lb/> zum deutſchen Reiche gehörenden Länder in vielen Beziehungen<lb/> zugleich die Grenzen für eine Reihe von Einrichtungen ſind und<lb/> den räumlichen Geltungsbereich einer Reihe von Geſetzen bilden,<lb/> iſt ſtaatsrechtlich erheblich, ſondern von Bedeutung iſt, daß das<lb/> Gebiet des Reiches das Object der ſtaatlichen Reichsgewalt iſt und<lb/> durch die letztere zu einer ſtaatsrechtlichen Einheit gemacht wird.</p><lb/> <p>In Beziehung auf das Weſen der Gebietshoheit kann man<lb/> die ältere Anſicht, wonach die Gebietshoheit einen beſonderen Be-<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [183/0203]
§. 20. Begriff und ſtaatsrechtliche Natur des Bundesgebietes.
weilen die Frage nach dem Recht des Reichs am Reichsgebiet mit
der Frage nach dem Mitgliederbeſtande des Reiches verwechſelt
oder zuſammengeworfen 1).
Auch nach einer anderen Richtung hin iſt die Bedeutung der
Frage noch näher feſtzuſtellen. Es liegt in der Natur jeder poli-
tiſchen Einrichtung, daß ſie räumlich begränzt iſt, daß ſie ein Gebiet
hat 2). In dieſer Hinſicht iſt daher zwar auch der Staat auf ein
Gebiet begränzt; aber die Begriffe Staat und Gebiet brauchen
nicht zuſammenzufallen. Auch der Staatenbund hat ſein Bundes-
gebiet; man ſpricht von dem Deutſch-Oeſterreichiſchen Poſtgebiet,
vom Zollvereins-Gebiet u. ſ. w., und man kann andererſeits inner-
halb jedes Staates nach den verſchiedenſten Rückſichten Gebiete
unterſcheiden, z. B. Geltungsgebiete einzelner Geſetze oder Ver-
waltungs-Einrichtungen. Es iſt daher ſtaatsrechtlich völlig werth-
los, diejenigen Angelegenheiten aufzuzählen, in welchen das deutſche
Reich ein Gebiet bildet 3); denn nicht die territoriale Abgränzung
irgend einer Einrichtung iſt entſcheidend, ſondern das rechtliche
Verhältniß, welches ein räumlich begrenztes Stück der Erdober-
fläche zu einer rechtlich relevanten Einheit macht. Nicht daß die
zum deutſchen Reiche gehörenden Länder in vielen Beziehungen
zugleich die Grenzen für eine Reihe von Einrichtungen ſind und
den räumlichen Geltungsbereich einer Reihe von Geſetzen bilden,
iſt ſtaatsrechtlich erheblich, ſondern von Bedeutung iſt, daß das
Gebiet des Reiches das Object der ſtaatlichen Reichsgewalt iſt und
durch die letztere zu einer ſtaatsrechtlichen Einheit gemacht wird.
In Beziehung auf das Weſen der Gebietshoheit kann man
die ältere Anſicht, wonach die Gebietshoheit einen beſonderen Be-
1) So v. Rönne S. 33 fg. auch Seydel Comment. S. 29 fg. u. a.
Ebenſo giebt Grotefend deutſches Staatsr. §. 324 nicht viel mehr als eine
Aufzählung der im Art. 1 der Verf. genannten Staaten.
2) Zu den ſonderbarſten Curioſitäten der Literatur des Reichsſtaatsrechts
gehört die Schrift von H. Beta Das Neue Deutſche Reich. 1871, in welcher
es dem Deutſchen Reiche zum Vorwurf gemacht wird, daß es ein räumlich
begränztes Gebiet habe und nicht alle in der ganzen Welt zerſtreut lebenden
Deutſche umfaſſe, überhaupt nicht „kosmopolitiſch“ ſei.
3) So z. B. Riedel S. 9 ff., der dahin nicht blos die räumliche Com-
petenz der Normal-Eichungskommiſſion, des Oberhandelsgerichts und des Bun-
desamts für das Heimathsweſen, ſondern ſogar Marine, Schifffahrt und Con-
ſulatweſen zählt.
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