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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876.

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§. 23. Die räumliche Begränzung der Kompetenz der Behörden.
Die Herbeiführung der zum Zwecke von Vollstreckungen,
Ladungen und Zustellungen erforderlichen Handlungen
erfolgt nach Vorschrift der Prozeßordnungen ohne Rücksicht
darauf, ob die Handlungen in dem Bundesstaate, welchem
das Prozeßgericht angehört, oder in einem anderen Bun-
desstaate vorzunehmen sind.

Der hier aufgestellte Satz führt auf den Einheitsstaat oder
auf einen Bundesstaat, in welchem die Rechtspflege Bundessache
ist und alle Gerichte Bundesgerichte sind, zurück 1); abgesehen von
der Schwierigkeit, was man sich unter "Herbeiführung einer
Handlung, welche zum Zwecke von Vollstreckungen u. s. w.
erforderlich ist," zu denken habe.

Eine Aeußerung der fortdauernden Gebietshoheit der Einzel-
staaten ist auch das Recht derselben, den von auswärtigen Staa-
ten bestellten Konsuln für ihr Gebiet das Exequatur zu ertheilen.
Es handelt sich hierbei nicht, wie bei der Ernennung von Konsuln
um die einheitliche Vertretung des Reiches dem Auslande gegen-
über, sondern umgekehrt um die Wahrung der Interessen von
Angehörigen auswärtiger Staaten im Reichsgebiete. Die Erlaub-
niß, einen Konsul zur Wahrung solcher Interessen zu bestellen
und die Anerkennung desselben, d. h. die Einräumung derjenigen
Rechte, welche nach Grundsätzen des Völkerrechts oder besonderen
Verträgen, Konsuln zustehen, an die von dem auswärtigen Staate
für dieses Amt ausersehene Person, kann jeder Staat für den
Umfang seines Gebietes ertheilen 2). Ein Hoheitsrecht des Rei-
ches wird dadurch nicht berührt. Nur kann selbstverständlich kein
Einzelstaat einem fremden Konsul Rechte beilegen, welche mit
Reichsgesetzen, mit Verträgen, welche das Reich abgeschlossen hat,
oder mit der dem Reiche zustehenden, völkerrechtlichen Souveräne-
tät in Widerspruch stehen.



1) Die Motive (Drucksachen des Reichstages von 1874/5 Bd. I. Nr. 4)
S. 193 sagen ausdrücklich: "Ein Unterschied, ob er Gerichtsvollzieher und
das in Betracht kommende Prozeßgericht, vor welches zu laden ist oder dessen
Entscheidungen zu vollstrecken sind, demselben oder verschiedenen Bundesstaaten
angehören, ist nicht gemacht."
2) Es ist dies ausdrücklich "allseitig" anerkannt worden im Bayrischen
Schlußprotokoll Nr. XII. R.-G.-Bl. 1871 S. 25.

§. 23. Die räumliche Begränzung der Kompetenz der Behörden.
Die Herbeiführung der zum Zwecke von Vollſtreckungen,
Ladungen und Zuſtellungen erforderlichen Handlungen
erfolgt nach Vorſchrift der Prozeßordnungen ohne Rückſicht
darauf, ob die Handlungen in dem Bundesſtaate, welchem
das Prozeßgericht angehört, oder in einem anderen Bun-
desſtaate vorzunehmen ſind.

Der hier aufgeſtellte Satz führt auf den Einheitsſtaat oder
auf einen Bundesſtaat, in welchem die Rechtspflege Bundesſache
iſt und alle Gerichte Bundesgerichte ſind, zurück 1); abgeſehen von
der Schwierigkeit, was man ſich unter „Herbeiführung einer
Handlung, welche zum Zwecke von Vollſtreckungen u. ſ. w.
erforderlich iſt,“ zu denken habe.

Eine Aeußerung der fortdauernden Gebietshoheit der Einzel-
ſtaaten iſt auch das Recht derſelben, den von auswärtigen Staa-
ten beſtellten Konſuln für ihr Gebiet das Exequatur zu ertheilen.
Es handelt ſich hierbei nicht, wie bei der Ernennung von Konſuln
um die einheitliche Vertretung des Reiches dem Auslande gegen-
über, ſondern umgekehrt um die Wahrung der Intereſſen von
Angehörigen auswärtiger Staaten im Reichsgebiete. Die Erlaub-
niß, einen Konſul zur Wahrung ſolcher Intereſſen zu beſtellen
und die Anerkennung deſſelben, d. h. die Einräumung derjenigen
Rechte, welche nach Grundſätzen des Völkerrechts oder beſonderen
Verträgen, Konſuln zuſtehen, an die von dem auswärtigen Staate
für dieſes Amt auserſehene Perſon, kann jeder Staat für den
Umfang ſeines Gebietes ertheilen 2). Ein Hoheitsrecht des Rei-
ches wird dadurch nicht berührt. Nur kann ſelbſtverſtändlich kein
Einzelſtaat einem fremden Konſul Rechte beilegen, welche mit
Reichsgeſetzen, mit Verträgen, welche das Reich abgeſchloſſen hat,
oder mit der dem Reiche zuſtehenden, völkerrechtlichen Souveräne-
tät in Widerſpruch ſtehen.



1) Die Motive (Druckſachen des Reichstages von 1874/5 Bd. I. Nr. 4)
S. 193 ſagen ausdrücklich: „Ein Unterſchied, ob er Gerichtsvollzieher und
das in Betracht kommende Prozeßgericht, vor welches zu laden iſt oder deſſen
Entſcheidungen zu vollſtrecken ſind, demſelben oder verſchiedenen Bundesſtaaten
angehören, iſt nicht gemacht.“
2) Es iſt dies ausdrücklich „allſeitig“ anerkannt worden im Bayriſchen
Schlußprotokoll Nr. XII. R.-G.-Bl. 1871 S. 25.
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[205/0225] §. 23. Die räumliche Begränzung der Kompetenz der Behörden. Die Herbeiführung der zum Zwecke von Vollſtreckungen, Ladungen und Zuſtellungen erforderlichen Handlungen erfolgt nach Vorſchrift der Prozeßordnungen ohne Rückſicht darauf, ob die Handlungen in dem Bundesſtaate, welchem das Prozeßgericht angehört, oder in einem anderen Bun- desſtaate vorzunehmen ſind. Der hier aufgeſtellte Satz führt auf den Einheitsſtaat oder auf einen Bundesſtaat, in welchem die Rechtspflege Bundesſache iſt und alle Gerichte Bundesgerichte ſind, zurück 1); abgeſehen von der Schwierigkeit, was man ſich unter „Herbeiführung einer Handlung, welche zum Zwecke von Vollſtreckungen u. ſ. w. erforderlich iſt,“ zu denken habe. Eine Aeußerung der fortdauernden Gebietshoheit der Einzel- ſtaaten iſt auch das Recht derſelben, den von auswärtigen Staa- ten beſtellten Konſuln für ihr Gebiet das Exequatur zu ertheilen. Es handelt ſich hierbei nicht, wie bei der Ernennung von Konſuln um die einheitliche Vertretung des Reiches dem Auslande gegen- über, ſondern umgekehrt um die Wahrung der Intereſſen von Angehörigen auswärtiger Staaten im Reichsgebiete. Die Erlaub- niß, einen Konſul zur Wahrung ſolcher Intereſſen zu beſtellen und die Anerkennung deſſelben, d. h. die Einräumung derjenigen Rechte, welche nach Grundſätzen des Völkerrechts oder beſonderen Verträgen, Konſuln zuſtehen, an die von dem auswärtigen Staate für dieſes Amt auserſehene Perſon, kann jeder Staat für den Umfang ſeines Gebietes ertheilen 2). Ein Hoheitsrecht des Rei- ches wird dadurch nicht berührt. Nur kann ſelbſtverſtändlich kein Einzelſtaat einem fremden Konſul Rechte beilegen, welche mit Reichsgeſetzen, mit Verträgen, welche das Reich abgeſchloſſen hat, oder mit der dem Reiche zuſtehenden, völkerrechtlichen Souveräne- tät in Widerſpruch ſtehen. 1) Die Motive (Druckſachen des Reichstages von 1874/5 Bd. I. Nr. 4) S. 193 ſagen ausdrücklich: „Ein Unterſchied, ob er Gerichtsvollzieher und das in Betracht kommende Prozeßgericht, vor welches zu laden iſt oder deſſen Entſcheidungen zu vollſtrecken ſind, demſelben oder verſchiedenen Bundesſtaaten angehören, iſt nicht gemacht.“ 2) Es iſt dies ausdrücklich „allſeitig“ anerkannt worden im Bayriſchen Schlußprotokoll Nr. XII. R.-G.-Bl. 1871 S. 25.

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Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876, S. 205. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht01_1876/225>, abgerufen am 24.11.2024.