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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876.

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§. 24. Die staatsrechtliche Natur des Kaiserthums.

Die jetzige Reichsverfassung hat in den Artikeln 5 Abs. 2,
7 Abs. 2 und 3, 8 Abs. 1 und 37 1) den Ausdruck "Präsidium"
beibehalten; im Uebrigen durchweg den Ausdruck "Kaiser" an die
Stelle gesetzt. Daß beide Ausdrücke sachlich ganz dasselbe bedeuten,
ergiebt sich aus der oben erwähnten Fassung des Art. 11 Abs. 1.
Noch bestimmter und klarer ist dies ausgesprochen in dem Schrei-
ben des Königs von Bayern an den König von Preußen, durch
welches die Anregung zur Wiederherstellung des Kaisertitels gegeben
wurde. In demselben heißt es 2):

"Ich habe Mich daher an die deutschen Fürsten mit dem
Vorschlage gewendet, gemeinschaftlich mit Mir bei Eurer Majestät
in Anregung zu bringen, daß die Ausübung der Präsi-
dialrechte des Bundes
mit Führung des Titels eines deut-
schen Kaisers verbunden werde" 3).

Durch die consequente Durchführung der Bezeichnung "Kaiser"
in der Reichsverfassung ist indeß auch eine sachliche Aenderung be-
wirkt worden, trotzdem nach der ausdrücklichen Angabe der Motive,
mit denen die neue Redaction dem Reichstage vorgelegt wurde 4),
"materielle Aenderungen des bestehenden Verfassungsrechts nicht
beabsichtigt worden sind" und bei den Berathungen des Reichstages
die gleiche Intention vom Abg. Lasker und dem Fürsten Bismarck
sehr bestimmt betont worden ist 5). Denn die Bestimmung des
Art. 17, daß die Anordnungen und Verfügungen des Kaisers im
Namen des Reiches erlassen werden und zu ihrer Gültigkeit der
Gegenzeichnung des Reichskanzlers bedürfen, erstreckt sich nunmehr
auch auf alle diejenigen Anordnungen des Kaisers, welche sich auf
die Marine beziehen oder welche nach der früheren Verfassung nicht
dem Bundespräsidium, sondern dem Bundesfeldherrn zustanden.

1) Die Zusammenstellung von Thudichum in v. Holzendorff's Jahrb.
I. S. 11 ist nicht ganz vollständig.
2) St.-B. des Nordd. Reichstages 1870. II. außerord. Sess. S. 76.
3) Uebereinstimmend damit ist die Erklärung des St.-Min. Delbrück
vom 8. Dez. 1870 bei Einbringung des Ges.-Entw. über die Aufnahme der
Bezeichnung Kaiser und Reich. Die Bezeichnung "Kaiser" sollte darnach zu-
nächst nur aufgenommen werden: "an der Stelle der Bundesverfassung, welche
die Präsidialstellung der Krone Preußen bezeichnet." Stenogr. Ber.
II. außerord. Sess. 1870. S. 167.
4) I. Session 1871. Drucksachen Nr. 4.
5) Stenogr. Berichte S. 95.
La[ - 1 Zeichen fehlt]and, Reichsstaatsrecht. I. 14
§. 24. Die ſtaatsrechtliche Natur des Kaiſerthums.

Die jetzige Reichsverfaſſung hat in den Artikeln 5 Abſ. 2,
7 Abſ. 2 und 3, 8 Abſ. 1 und 37 1) den Ausdruck „Präſidium“
beibehalten; im Uebrigen durchweg den Ausdruck „Kaiſer“ an die
Stelle geſetzt. Daß beide Ausdrücke ſachlich ganz daſſelbe bedeuten,
ergiebt ſich aus der oben erwähnten Faſſung des Art. 11 Abſ. 1.
Noch beſtimmter und klarer iſt dies ausgeſprochen in dem Schrei-
ben des Königs von Bayern an den König von Preußen, durch
welches die Anregung zur Wiederherſtellung des Kaiſertitels gegeben
wurde. In demſelben heißt es 2):

„Ich habe Mich daher an die deutſchen Fürſten mit dem
Vorſchlage gewendet, gemeinſchaftlich mit Mir bei Eurer Majeſtät
in Anregung zu bringen, daß die Ausübung der Präſi-
dialrechte des Bundes
mit Führung des Titels eines deut-
ſchen Kaiſers verbunden werde3).

Durch die conſequente Durchführung der Bezeichnung „Kaiſer“
in der Reichsverfaſſung iſt indeß auch eine ſachliche Aenderung be-
wirkt worden, trotzdem nach der ausdrücklichen Angabe der Motive,
mit denen die neue Redaction dem Reichstage vorgelegt wurde 4),
„materielle Aenderungen des beſtehenden Verfaſſungsrechts nicht
beabſichtigt worden ſind“ und bei den Berathungen des Reichstages
die gleiche Intention vom Abg. Lasker und dem Fürſten Bismarck
ſehr beſtimmt betont worden iſt 5). Denn die Beſtimmung des
Art. 17, daß die Anordnungen und Verfügungen des Kaiſers im
Namen des Reiches erlaſſen werden und zu ihrer Gültigkeit der
Gegenzeichnung des Reichskanzlers bedürfen, erſtreckt ſich nunmehr
auch auf alle diejenigen Anordnungen des Kaiſers, welche ſich auf
die Marine beziehen oder welche nach der früheren Verfaſſung nicht
dem Bundespräſidium, ſondern dem Bundesfeldherrn zuſtanden.

1) Die Zuſammenſtellung von Thudichum in v. Holzendorff’s Jahrb.
I. S. 11 iſt nicht ganz vollſtändig.
2) St.-B. des Nordd. Reichstages 1870. II. außerord. Seſſ. S. 76.
3) Uebereinſtimmend damit iſt die Erklärung des St.-Min. Delbrück
vom 8. Dez. 1870 bei Einbringung des Geſ.-Entw. über die Aufnahme der
Bezeichnung Kaiſer und Reich. Die Bezeichnung „Kaiſer“ ſollte darnach zu-
nächſt nur aufgenommen werden: „an der Stelle der Bundesverfaſſung, welche
die Präſidialſtellung der Krone Preußen bezeichnet.“ Stenogr. Ber.
II. außerord. Seſſ. 1870. S. 167.
4) I. Seſſion 1871. Druckſachen Nr. 4.
5) Stenogr. Berichte S. 95.
La[ – 1 Zeichen fehlt]and, Reichsſtaatsrecht. I. 14
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[209/0229] §. 24. Die ſtaatsrechtliche Natur des Kaiſerthums. Die jetzige Reichsverfaſſung hat in den Artikeln 5 Abſ. 2, 7 Abſ. 2 und 3, 8 Abſ. 1 und 37 1) den Ausdruck „Präſidium“ beibehalten; im Uebrigen durchweg den Ausdruck „Kaiſer“ an die Stelle geſetzt. Daß beide Ausdrücke ſachlich ganz daſſelbe bedeuten, ergiebt ſich aus der oben erwähnten Faſſung des Art. 11 Abſ. 1. Noch beſtimmter und klarer iſt dies ausgeſprochen in dem Schrei- ben des Königs von Bayern an den König von Preußen, durch welches die Anregung zur Wiederherſtellung des Kaiſertitels gegeben wurde. In demſelben heißt es 2): „Ich habe Mich daher an die deutſchen Fürſten mit dem Vorſchlage gewendet, gemeinſchaftlich mit Mir bei Eurer Majeſtät in Anregung zu bringen, daß die Ausübung der Präſi- dialrechte des Bundes mit Führung des Titels eines deut- ſchen Kaiſers verbunden werde“ 3). Durch die conſequente Durchführung der Bezeichnung „Kaiſer“ in der Reichsverfaſſung iſt indeß auch eine ſachliche Aenderung be- wirkt worden, trotzdem nach der ausdrücklichen Angabe der Motive, mit denen die neue Redaction dem Reichstage vorgelegt wurde 4), „materielle Aenderungen des beſtehenden Verfaſſungsrechts nicht beabſichtigt worden ſind“ und bei den Berathungen des Reichstages die gleiche Intention vom Abg. Lasker und dem Fürſten Bismarck ſehr beſtimmt betont worden iſt 5). Denn die Beſtimmung des Art. 17, daß die Anordnungen und Verfügungen des Kaiſers im Namen des Reiches erlaſſen werden und zu ihrer Gültigkeit der Gegenzeichnung des Reichskanzlers bedürfen, erſtreckt ſich nunmehr auch auf alle diejenigen Anordnungen des Kaiſers, welche ſich auf die Marine beziehen oder welche nach der früheren Verfaſſung nicht dem Bundespräſidium, ſondern dem Bundesfeldherrn zuſtanden. 1) Die Zuſammenſtellung von Thudichum in v. Holzendorff’s Jahrb. I. S. 11 iſt nicht ganz vollſtändig. 2) St.-B. des Nordd. Reichstages 1870. II. außerord. Seſſ. S. 76. 3) Uebereinſtimmend damit iſt die Erklärung des St.-Min. Delbrück vom 8. Dez. 1870 bei Einbringung des Geſ.-Entw. über die Aufnahme der Bezeichnung Kaiſer und Reich. Die Bezeichnung „Kaiſer“ ſollte darnach zu- nächſt nur aufgenommen werden: „an der Stelle der Bundesverfaſſung, welche die Präſidialſtellung der Krone Preußen bezeichnet.“ Stenogr. Ber. II. außerord. Seſſ. 1870. S. 167. 4) I. Seſſion 1871. Druckſachen Nr. 4. 5) Stenogr. Berichte S. 95. La_and, Reichsſtaatsrecht. I. 14

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Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876, S. 209. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht01_1876/229>, abgerufen am 24.11.2024.