tigte und von ihm ernannte Reichsbeamte, der auf seinen Befehl und in seinem Namen handelt, befugt. Nicht minder ist der Kaiser der Vertreter des Reiches bei allen Rechtsbeziehungen zwischen dem Reiche und den Einzelstaaten. Bei der Begründung oder Geltend- machung von Rechten und Pflichten zwischen dem Reich und einem Gliedstaat wird der letztere durch seinen Landesherrn, die Ge- sammtheit (das Reich) durch den Kaiser vertreten.
Auch bei der Ernennung der Reichsbeamten handelt der Kaiser als Vertreter des Reiches, in soweit dadurch der Beamte vermö- gensrechtliche Ansprüche gegen die Reichskasse erwirbt. Wenn das Reich im Wege der Gesetzgebung Rechtsnormen aufstellt, so ist es der Kaiser, der sie "im Namen des Reiches verordnet," wie die Eingangsformel jedes Reichsgesetzes lehrt. Der Kaiser ist also der Vertreter des Reiches nicht nur in völkerrechtlicher, sondern auch in staatsrechtlicher und privatrechtlicher Beziehung.
2. Dem Kaiser liegt die Regierung des Reiches ob. Es entspricht dies der Befugniß und Verpflichtung des Vor- standes einer Privatcorporation zur Geschäftsführung. Be- grifflich beruht der Gegensatz der Geschäftsführung und der Ver- tretung darauf, das die erstere eine lediglich innere Angelegenheit der Corporation ist, welche die Vornahme aller, zur Erfüllung der Zwecke der Corporation erforderlichen Handlungen und Maßregeln umfaßt, während die Vertretung nur Dritten gegenüber in Betracht kommt und darin besteht, daß für die Corporation Dritten gegen- über durch den Vertreter Rechts-Verhältnisse begründet werden.
Dieser Unterschied ist auch für das Staatsrecht von sehr großer Bedeutung. Was man gewöhnlich Verwaltung oder auch in un- passender Weise "Executive" nennt und woraus die frühere Theorie irrthümlich eine "executive Gewalt" gemacht hat, entspricht diesem Begriff der Geschäftsführung, der für die Corporationen und Gesell- schaften des Privatrechts längst erkannt und festgestellt ist. Er unterscheidet sich von ihm nur durch die Art der Geschäfte; die Geschäfte des Staates sind öffentlichrechtlichen Inhalts, sie betreffen die Erfüllung der Aufgaben und Zwecke des Staates, die Hand- habung der ihm zukommenden Hoheitsrechte, die Förderung seines Gedeihens; sie sind Regierungsgeschäfte.
Bei einem Theile dieser Geschäfte ist der Kaiser durch Ver- fassung oder Gesetz an die Mitwirkung anderer Organe gebunden,
15*
§. 26. Der Inhalt der kaiſerlichen Rechte.
tigte und von ihm ernannte Reichsbeamte, der auf ſeinen Befehl und in ſeinem Namen handelt, befugt. Nicht minder iſt der Kaiſer der Vertreter des Reiches bei allen Rechtsbeziehungen zwiſchen dem Reiche und den Einzelſtaaten. Bei der Begründung oder Geltend- machung von Rechten und Pflichten zwiſchen dem Reich und einem Gliedſtaat wird der letztere durch ſeinen Landesherrn, die Ge- ſammtheit (das Reich) durch den Kaiſer vertreten.
Auch bei der Ernennung der Reichsbeamten handelt der Kaiſer als Vertreter des Reiches, in ſoweit dadurch der Beamte vermö- gensrechtliche Anſprüche gegen die Reichskaſſe erwirbt. Wenn das Reich im Wege der Geſetzgebung Rechtsnormen aufſtellt, ſo iſt es der Kaiſer, der ſie „im Namen des Reiches verordnet,“ wie die Eingangsformel jedes Reichsgeſetzes lehrt. Der Kaiſer iſt alſo der Vertreter des Reiches nicht nur in völkerrechtlicher, ſondern auch in ſtaatsrechtlicher und privatrechtlicher Beziehung.
2. Dem Kaiſer liegt die Regierung des Reiches ob. Es entſpricht dies der Befugniß und Verpflichtung des Vor- ſtandes einer Privatcorporation zur Geſchäftsführung. Be- grifflich beruht der Gegenſatz der Geſchäftsführung und der Ver- tretung darauf, das die erſtere eine lediglich innere Angelegenheit der Corporation iſt, welche die Vornahme aller, zur Erfüllung der Zwecke der Corporation erforderlichen Handlungen und Maßregeln umfaßt, während die Vertretung nur Dritten gegenüber in Betracht kommt und darin beſteht, daß für die Corporation Dritten gegen- über durch den Vertreter Rechts-Verhältniſſe begründet werden.
Dieſer Unterſchied iſt auch für das Staatsrecht von ſehr großer Bedeutung. Was man gewöhnlich Verwaltung oder auch in un- paſſender Weiſe „Executive“ nennt und woraus die frühere Theorie irrthümlich eine „executive Gewalt“ gemacht hat, entſpricht dieſem Begriff der Geſchäftsführung, der für die Corporationen und Geſell- ſchaften des Privatrechts längſt erkannt und feſtgeſtellt iſt. Er unterſcheidet ſich von ihm nur durch die Art der Geſchäfte; die Geſchäfte des Staates ſind öffentlichrechtlichen Inhalts, ſie betreffen die Erfüllung der Aufgaben und Zwecke des Staates, die Hand- habung der ihm zukommenden Hoheitsrechte, die Förderung ſeines Gedeihens; ſie ſind Regierungsgeſchäfte.
Bei einem Theile dieſer Geſchäfte iſt der Kaiſer durch Ver- faſſung oder Geſetz an die Mitwirkung anderer Organe gebunden,
15*
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><p><pbfacs="#f0247"n="227"/><fwplace="top"type="header">§. 26. Der Inhalt der kaiſerlichen Rechte.</fw><lb/>
tigte und von ihm ernannte Reichsbeamte, der auf ſeinen Befehl<lb/>
und in ſeinem Namen handelt, befugt. Nicht minder iſt der Kaiſer<lb/>
der Vertreter des Reiches bei allen Rechtsbeziehungen zwiſchen dem<lb/>
Reiche und den Einzelſtaaten. Bei der Begründung oder Geltend-<lb/>
machung von Rechten und Pflichten zwiſchen dem Reich und einem<lb/>
Gliedſtaat wird der letztere durch ſeinen Landesherrn, die Ge-<lb/>ſammtheit (das Reich) durch den Kaiſer vertreten.</p><lb/><p>Auch bei der Ernennung der Reichsbeamten handelt der Kaiſer<lb/>
als Vertreter des Reiches, in ſoweit dadurch der Beamte vermö-<lb/>
gensrechtliche Anſprüche gegen die Reichskaſſe erwirbt. Wenn das<lb/>
Reich im Wege der Geſetzgebung Rechtsnormen aufſtellt, ſo iſt es<lb/>
der Kaiſer, der ſie „im Namen des Reiches verordnet,“ wie die<lb/>
Eingangsformel jedes Reichsgeſetzes lehrt. Der Kaiſer iſt alſo der<lb/>
Vertreter des Reiches nicht nur in völkerrechtlicher, ſondern auch<lb/>
in ſtaatsrechtlicher und privatrechtlicher Beziehung.</p><lb/><p>2. <hirendition="#g">Dem Kaiſer liegt die Regierung des Reiches<lb/>
ob</hi>. Es entſpricht dies der Befugniß und Verpflichtung des Vor-<lb/>ſtandes einer Privatcorporation zur <hirendition="#g">Geſchäftsführung</hi>. Be-<lb/>
grifflich beruht der Gegenſatz der Geſchäftsführung und der Ver-<lb/>
tretung darauf, das die erſtere eine lediglich innere Angelegenheit<lb/>
der Corporation iſt, welche die Vornahme aller, zur Erfüllung der<lb/>
Zwecke der Corporation erforderlichen Handlungen und Maßregeln<lb/>
umfaßt, während die Vertretung nur Dritten gegenüber in Betracht<lb/>
kommt und darin beſteht, daß für die Corporation Dritten gegen-<lb/>
über durch den Vertreter Rechts-Verhältniſſe begründet werden.</p><lb/><p>Dieſer Unterſchied iſt auch für das Staatsrecht von ſehr großer<lb/>
Bedeutung. Was man gewöhnlich Verwaltung oder auch in un-<lb/>
paſſender Weiſe „Executive“ nennt und woraus die frühere Theorie<lb/>
irrthümlich eine „executive Gewalt“ gemacht hat, entſpricht dieſem<lb/>
Begriff der Geſchäftsführung, der für die Corporationen und Geſell-<lb/>ſchaften des Privatrechts längſt erkannt und feſtgeſtellt iſt. Er<lb/>
unterſcheidet ſich von ihm nur durch die Art der Geſchäfte; die<lb/>
Geſchäfte des Staates ſind öffentlichrechtlichen Inhalts, ſie betreffen<lb/>
die Erfüllung der Aufgaben und Zwecke des Staates, die Hand-<lb/>
habung der ihm zukommenden Hoheitsrechte, die Förderung ſeines<lb/>
Gedeihens; ſie ſind <hirendition="#g">Regierungsgeſchäfte</hi>.</p><lb/><p>Bei einem Theile dieſer Geſchäfte iſt der Kaiſer durch Ver-<lb/>
faſſung oder Geſetz an die Mitwirkung anderer Organe gebunden,<lb/><fwplace="bottom"type="sig">15*</fw><lb/></p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[227/0247]
§. 26. Der Inhalt der kaiſerlichen Rechte.
tigte und von ihm ernannte Reichsbeamte, der auf ſeinen Befehl
und in ſeinem Namen handelt, befugt. Nicht minder iſt der Kaiſer
der Vertreter des Reiches bei allen Rechtsbeziehungen zwiſchen dem
Reiche und den Einzelſtaaten. Bei der Begründung oder Geltend-
machung von Rechten und Pflichten zwiſchen dem Reich und einem
Gliedſtaat wird der letztere durch ſeinen Landesherrn, die Ge-
ſammtheit (das Reich) durch den Kaiſer vertreten.
Auch bei der Ernennung der Reichsbeamten handelt der Kaiſer
als Vertreter des Reiches, in ſoweit dadurch der Beamte vermö-
gensrechtliche Anſprüche gegen die Reichskaſſe erwirbt. Wenn das
Reich im Wege der Geſetzgebung Rechtsnormen aufſtellt, ſo iſt es
der Kaiſer, der ſie „im Namen des Reiches verordnet,“ wie die
Eingangsformel jedes Reichsgeſetzes lehrt. Der Kaiſer iſt alſo der
Vertreter des Reiches nicht nur in völkerrechtlicher, ſondern auch
in ſtaatsrechtlicher und privatrechtlicher Beziehung.
2. Dem Kaiſer liegt die Regierung des Reiches
ob. Es entſpricht dies der Befugniß und Verpflichtung des Vor-
ſtandes einer Privatcorporation zur Geſchäftsführung. Be-
grifflich beruht der Gegenſatz der Geſchäftsführung und der Ver-
tretung darauf, das die erſtere eine lediglich innere Angelegenheit
der Corporation iſt, welche die Vornahme aller, zur Erfüllung der
Zwecke der Corporation erforderlichen Handlungen und Maßregeln
umfaßt, während die Vertretung nur Dritten gegenüber in Betracht
kommt und darin beſteht, daß für die Corporation Dritten gegen-
über durch den Vertreter Rechts-Verhältniſſe begründet werden.
Dieſer Unterſchied iſt auch für das Staatsrecht von ſehr großer
Bedeutung. Was man gewöhnlich Verwaltung oder auch in un-
paſſender Weiſe „Executive“ nennt und woraus die frühere Theorie
irrthümlich eine „executive Gewalt“ gemacht hat, entſpricht dieſem
Begriff der Geſchäftsführung, der für die Corporationen und Geſell-
ſchaften des Privatrechts längſt erkannt und feſtgeſtellt iſt. Er
unterſcheidet ſich von ihm nur durch die Art der Geſchäfte; die
Geſchäfte des Staates ſind öffentlichrechtlichen Inhalts, ſie betreffen
die Erfüllung der Aufgaben und Zwecke des Staates, die Hand-
habung der ihm zukommenden Hoheitsrechte, die Förderung ſeines
Gedeihens; ſie ſind Regierungsgeſchäfte.
Bei einem Theile dieſer Geſchäfte iſt der Kaiſer durch Ver-
faſſung oder Geſetz an die Mitwirkung anderer Organe gebunden,
15*
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876, S. 227. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht01_1876/247>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.