Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876.§. 26. Der Inhalt der kaiserlichen Rechte. die Richtung der Politik, die Zielpunkte der staatlichen Geschäfts-führung des Reiches. Wenn auch thatsächlich die Führung der Geschäfte dem Reichskanzler obliegt, so ist derselbe doch rechtlich lediglich das Willenswerkzeug und der Gehülfe des Kaisers. Auch die übrigen Reichsbeamten werden der Regel nach vom d) Dem Kaiser liegt die Wahrnehmung der auswärtigen Be- 3. Der Kaiser ist der Verwalter der Machtmittel Auch in dieser Beziehung ist seine Stellung derjenigen analog, 1) Siehe unten die Lehre von den Reichsbehörden und den Reichs- beamten. 2) Natürlich nur, insofern der Kaiser denselben für erforderlich oder nütz-
lich erachtet. Aus dieser, in der Natur der Regierungsthätigkeit liegenden Handlungsfreiheit macht v. Mohl Reichsstaatsr. S. 310 ein besonderes, dem Kaiser zustehendes "unbeschränktes Recht der Abbrechung des diplomatischen Verkehres." §. 26. Der Inhalt der kaiſerlichen Rechte. die Richtung der Politik, die Zielpunkte der ſtaatlichen Geſchäfts-führung des Reiches. Wenn auch thatſächlich die Führung der Geſchäfte dem Reichskanzler obliegt, ſo iſt derſelbe doch rechtlich lediglich das Willenswerkzeug und der Gehülfe des Kaiſers. Auch die übrigen Reichsbeamten werden der Regel nach vom d) Dem Kaiſer liegt die Wahrnehmung der auswärtigen Be- 3. Der Kaiſer iſt der Verwalter der Machtmittel Auch in dieſer Beziehung iſt ſeine Stellung derjenigen analog, 1) Siehe unten die Lehre von den Reichsbehörden und den Reichs- beamten. 2) Natürlich nur, inſofern der Kaiſer denſelben für erforderlich oder nütz-
lich erachtet. Aus dieſer, in der Natur der Regierungsthätigkeit liegenden Handlungsfreiheit macht v. Mohl Reichsſtaatsr. S. 310 ein beſonderes, dem Kaiſer zuſtehendes „unbeſchränktes Recht der Abbrechung des diplomatiſchen Verkehres.“ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0249" n="229"/><fw place="top" type="header">§. 26. Der Inhalt der kaiſerlichen Rechte.</fw><lb/> die Richtung der Politik, die Zielpunkte der ſtaatlichen Geſchäfts-<lb/> führung des Reiches. Wenn auch thatſächlich die Führung der<lb/> Geſchäfte dem Reichskanzler obliegt, ſo iſt derſelbe doch rechtlich<lb/> lediglich das Willenswerkzeug und der Gehülfe des Kaiſers.</p><lb/> <p>Auch die übrigen Reichsbeamten werden der Regel nach vom<lb/> Kaiſer ernannt und erforderlichen Falles entlaſſen oder in den<lb/> Ruheſtand verſetzt <note place="foot" n="1)">Siehe unten die Lehre von den Reichsbehörden und den Reichs-<lb/> beamten.</note>. (R.-V. Art. 18.)</p><lb/> <p><hi rendition="#aq">d</hi>) Dem Kaiſer liegt die Wahrnehmung der auswärtigen Be-<lb/> ziehungen des Reiches ob, die Aufrechthaltung des diplomatiſchen<lb/> Verkehrs <note place="foot" n="2)">Natürlich nur, inſofern der Kaiſer denſelben für erforderlich oder nütz-<lb/> lich erachtet. Aus dieſer, in der Natur der Regierungsthätigkeit liegenden<lb/> Handlungsfreiheit macht v. <hi rendition="#g">Mohl</hi> Reichsſtaatsr. S. 310 ein beſonderes, dem<lb/> Kaiſer zuſtehendes „unbeſchränktes <hi rendition="#g">Recht</hi> der Abbrechung des diplomatiſchen<lb/> Verkehres.“</note>, die Anbahnung und Führung von Verhandlungen<lb/> über abzuſchließende völkerrechtliche Verträge, die Wahrnehmung<lb/> der Intereſſen des Reiches, ſeiner Mitglieder und ſeiner Ange-<lb/> hörigen fremden Staaten gegenüber. R.-V. Art. 11. 56.</p><lb/> <p>3. <hi rendition="#g">Der Kaiſer iſt der Verwalter der Machtmittel<lb/> des Reiches</hi>.</p><lb/> <p>Auch in dieſer Beziehung iſt ſeine Stellung derjenigen analog,<lb/> welche der Vorſtand einer privatrechtlichen Korporation hat. Nur<lb/> darf man nicht vergeſſen, daß eine Privatrechts-Korporation keine<lb/> anderen Machtmitteln hat als pekuniäre und keine andere Admini-<lb/> ſtration als Vermögensverwaltung. Für den Vorſtand einer Privat-<lb/> korporation äußert ſich die hier in Betracht kommende Funktion<lb/> etwa darin, daß er die Vereinskaſſe unter ſeinem Verſchluß hat.<lb/> Der Staat dagegen gebietet auch über Machtmittel öffentlich recht-<lb/> licher Natur, über die ſtaatlich organiſirten Streitkräfte. Die Ver-<lb/> waltung dieſer Machtmittel findet ihren ſchärfſten Ausdruck in dem<lb/><hi rendition="#g">Oberbefehl</hi> über das Heer und die Kriegsmarine und in der<lb/> Ausübung dieſes Oberbefehls nicht nur zur Bekämpfung äußerer<lb/> Feinde, ſondern, wenn es erforderlich iſt, auch zur Vollſtreckung<lb/> der Execution gegen Bundesglieder, welche ihre verfaſſungsmäßigen<lb/> Bundespflichten nicht erfüllen (Art. 19), und zur Aufrechthaltung<lb/> der öffentlichen Sicherheit im Innern, wenn dieſelbe in einem<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [229/0249]
§. 26. Der Inhalt der kaiſerlichen Rechte.
die Richtung der Politik, die Zielpunkte der ſtaatlichen Geſchäfts-
führung des Reiches. Wenn auch thatſächlich die Führung der
Geſchäfte dem Reichskanzler obliegt, ſo iſt derſelbe doch rechtlich
lediglich das Willenswerkzeug und der Gehülfe des Kaiſers.
Auch die übrigen Reichsbeamten werden der Regel nach vom
Kaiſer ernannt und erforderlichen Falles entlaſſen oder in den
Ruheſtand verſetzt 1). (R.-V. Art. 18.)
d) Dem Kaiſer liegt die Wahrnehmung der auswärtigen Be-
ziehungen des Reiches ob, die Aufrechthaltung des diplomatiſchen
Verkehrs 2), die Anbahnung und Führung von Verhandlungen
über abzuſchließende völkerrechtliche Verträge, die Wahrnehmung
der Intereſſen des Reiches, ſeiner Mitglieder und ſeiner Ange-
hörigen fremden Staaten gegenüber. R.-V. Art. 11. 56.
3. Der Kaiſer iſt der Verwalter der Machtmittel
des Reiches.
Auch in dieſer Beziehung iſt ſeine Stellung derjenigen analog,
welche der Vorſtand einer privatrechtlichen Korporation hat. Nur
darf man nicht vergeſſen, daß eine Privatrechts-Korporation keine
anderen Machtmitteln hat als pekuniäre und keine andere Admini-
ſtration als Vermögensverwaltung. Für den Vorſtand einer Privat-
korporation äußert ſich die hier in Betracht kommende Funktion
etwa darin, daß er die Vereinskaſſe unter ſeinem Verſchluß hat.
Der Staat dagegen gebietet auch über Machtmittel öffentlich recht-
licher Natur, über die ſtaatlich organiſirten Streitkräfte. Die Ver-
waltung dieſer Machtmittel findet ihren ſchärfſten Ausdruck in dem
Oberbefehl über das Heer und die Kriegsmarine und in der
Ausübung dieſes Oberbefehls nicht nur zur Bekämpfung äußerer
Feinde, ſondern, wenn es erforderlich iſt, auch zur Vollſtreckung
der Execution gegen Bundesglieder, welche ihre verfaſſungsmäßigen
Bundespflichten nicht erfüllen (Art. 19), und zur Aufrechthaltung
der öffentlichen Sicherheit im Innern, wenn dieſelbe in einem
1) Siehe unten die Lehre von den Reichsbehörden und den Reichs-
beamten.
2) Natürlich nur, inſofern der Kaiſer denſelben für erforderlich oder nütz-
lich erachtet. Aus dieſer, in der Natur der Regierungsthätigkeit liegenden
Handlungsfreiheit macht v. Mohl Reichsſtaatsr. S. 310 ein beſonderes, dem
Kaiſer zuſtehendes „unbeſchränktes Recht der Abbrechung des diplomatiſchen
Verkehres.“
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