I. "Innerhalb des Bundesrathes findet die Souveränetät einer jeden Regierung ihren unbestrittenen Ausdruck", sagte Fürst Bis- marck in dem zur Berathung der Nordd. Bundesverfassung einbe- rufenen Reichstage am 27. März 1867 1). Die Souveränetät der einzelnen Staaten ist in Wahrheit -- wie oben ausgeführt worden ist -- ein Antheil an der Souveränetät des Reiches und dieser Antheil wird ausgeübt durch die Theilnahme der einzelnen Staaten am Bundesrathe. Jedes Mitglied des Reiches hat als solches ein Anrecht auf Theilnahme am Bundesrathe und andererseits ist die Mitgliedschaft am Bunde das unerläßliche Fundament für die Theilnahme am Bundesrathe. Hieraus folgt:
1. Der Kaiser als solcher, d. h. als Organ des Reiches, hat nicht die Befugniß, Mitglieder des Bundesrathes zu ernennen oder in irgend einer anderen Art an der Thätigkeit des Bundes- rathes Theil zu nehmen; nur der König von Preußen als Mitglied des Reiches hat einen Antheil am Bundesrath. Die Reichsverfassung spricht zwar an mehreren Stellen (Art. 5 Abs. 2. Art. 7 Abs. 3. Art. 37) von einer "Stimme des Präsidiums" oder einer "Präsidialstimme," und im Art. 8 von einer Vertretung des "Präsidiums" in den Bundesraths-Ausschüssen; allein der Bundes- rath hat nach Art. 6 der Verf. keine anderen Mitglieder als "Ver- treter der Mitglieder des Bundes" und außer den Stimmen, welche "Preußen" nach Art. 6 im Bundesrathe führt, giebt es keine, dem Kaiser zustehende Stimmen. Die Präsidialstimme ist sonach nicht die kaiserliche Stimme, sondern die preußische2).
2. Elsaß-Lothringen hat keine Stimme im Bundes- rathe und kann keine haben. Es beruht dies nicht auf den prak- tischen Schwierigkeiten, wie die Vertreter von Elsaß-Lothringen ernannt und mit Instruktionen versehen werden sollen, sondern
1) Stenogr. Ber. S. 388.
2) Fürst Bismarck im Nordd. Reichstage am 16. April 1869: "Die Instruktion des Preußischen Bevollmächtigten wird beschlossen in dem Preu- ßischen Ministerium ebenso wie die des Sächsischen Bevollmächtigten im Säch- sischen Ministerium; letztere geht aus von Sr. Maj. dem Könige von Sachsen, und die meinige in letzter Instanz nicht von dem Präsidium des Bundes, sondern von Sr. Maj. dem Könige von Preußen."
§. 26. Die Staatenrechte im Bundesrathe.
§. 28. Die Staatenrechte im Bundesrathe.
I. „Innerhalb des Bundesrathes findet die Souveränetät einer jeden Regierung ihren unbeſtrittenen Ausdruck“, ſagte Fürſt Bis- marck in dem zur Berathung der Nordd. Bundesverfaſſung einbe- rufenen Reichstage am 27. März 1867 1). Die Souveränetät der einzelnen Staaten iſt in Wahrheit — wie oben ausgeführt worden iſt — ein Antheil an der Souveränetät des Reiches und dieſer Antheil wird ausgeübt durch die Theilnahme der einzelnen Staaten am Bundesrathe. Jedes Mitglied des Reiches hat als ſolches ein Anrecht auf Theilnahme am Bundesrathe und andererſeits iſt die Mitgliedſchaft am Bunde das unerläßliche Fundament für die Theilnahme am Bundesrathe. Hieraus folgt:
1. Der Kaiſer als ſolcher, d. h. als Organ des Reiches, hat nicht die Befugniß, Mitglieder des Bundesrathes zu ernennen oder in irgend einer anderen Art an der Thätigkeit des Bundes- rathes Theil zu nehmen; nur der König von Preußen als Mitglied des Reiches hat einen Antheil am Bundesrath. Die Reichsverfaſſung ſpricht zwar an mehreren Stellen (Art. 5 Abſ. 2. Art. 7 Abſ. 3. Art. 37) von einer „Stimme des Präſidiums“ oder einer „Präſidialſtimme,“ und im Art. 8 von einer Vertretung des „Präſidiums“ in den Bundesraths-Ausſchüſſen; allein der Bundes- rath hat nach Art. 6 der Verf. keine anderen Mitglieder als „Ver- treter der Mitglieder des Bundes“ und außer den Stimmen, welche „Preußen“ nach Art. 6 im Bundesrathe führt, giebt es keine, dem Kaiſer zuſtehende Stimmen. Die Präſidialſtimme iſt ſonach nicht die kaiſerliche Stimme, ſondern die preußiſche2).
2. Elſaß-Lothringen hat keine Stimme im Bundes- rathe und kann keine haben. Es beruht dies nicht auf den prak- tiſchen Schwierigkeiten, wie die Vertreter von Elſaß-Lothringen ernannt und mit Inſtruktionen verſehen werden ſollen, ſondern
1) Stenogr. Ber. S. 388.
2) Fürſt Bismarck im Nordd. Reichstage am 16. April 1869: „Die Inſtruktion des Preußiſchen Bevollmächtigten wird beſchloſſen in dem Preu- ßiſchen Miniſterium ebenſo wie die des Sächſiſchen Bevollmächtigten im Säch- ſiſchen Miniſterium; letztere geht aus von Sr. Maj. dem Könige von Sachſen, und die meinige in letzter Inſtanz nicht von dem Präſidium des Bundes, ſondern von Sr. Maj. dem Könige von Preußen.“
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§. 26. Die Staatenrechte im Bundesrathe.
§. 28. Die Staatenrechte im Bundesrathe.
I. „Innerhalb des Bundesrathes findet die Souveränetät einer
jeden Regierung ihren unbeſtrittenen Ausdruck“, ſagte Fürſt Bis-
marck in dem zur Berathung der Nordd. Bundesverfaſſung einbe-
rufenen Reichstage am 27. März 1867 1). Die Souveränetät der
einzelnen Staaten iſt in Wahrheit — wie oben ausgeführt worden
iſt — ein Antheil an der Souveränetät des Reiches und dieſer
Antheil wird ausgeübt durch die Theilnahme der einzelnen Staaten
am Bundesrathe. Jedes Mitglied des Reiches hat als ſolches ein
Anrecht auf Theilnahme am Bundesrathe und andererſeits iſt die
Mitgliedſchaft am Bunde das unerläßliche Fundament für die
Theilnahme am Bundesrathe. Hieraus folgt:
1. Der Kaiſer als ſolcher, d. h. als Organ des Reiches,
hat nicht die Befugniß, Mitglieder des Bundesrathes zu ernennen
oder in irgend einer anderen Art an der Thätigkeit des Bundes-
rathes Theil zu nehmen; nur der König von Preußen als
Mitglied des Reiches hat einen Antheil am Bundesrath. Die
Reichsverfaſſung ſpricht zwar an mehreren Stellen (Art. 5 Abſ. 2.
Art. 7 Abſ. 3. Art. 37) von einer „Stimme des Präſidiums“ oder
einer „Präſidialſtimme,“ und im Art. 8 von einer Vertretung des
„Präſidiums“ in den Bundesraths-Ausſchüſſen; allein der Bundes-
rath hat nach Art. 6 der Verf. keine anderen Mitglieder als „Ver-
treter der Mitglieder des Bundes“ und außer den Stimmen,
welche „Preußen“ nach Art. 6 im Bundesrathe führt, giebt es
keine, dem Kaiſer zuſtehende Stimmen. Die Präſidialſtimme iſt
ſonach nicht die kaiſerliche Stimme, ſondern die preußiſche 2).
2. Elſaß-Lothringen hat keine Stimme im Bundes-
rathe und kann keine haben. Es beruht dies nicht auf den prak-
tiſchen Schwierigkeiten, wie die Vertreter von Elſaß-Lothringen
ernannt und mit Inſtruktionen verſehen werden ſollen, ſondern
1) Stenogr. Ber. S. 388.
2) Fürſt Bismarck im Nordd. Reichstage am 16. April 1869: „Die
Inſtruktion des Preußiſchen Bevollmächtigten wird beſchloſſen in dem Preu-
ßiſchen Miniſterium ebenſo wie die des Sächſiſchen Bevollmächtigten im Säch-
ſiſchen Miniſterium; letztere geht aus von Sr. Maj. dem Könige von Sachſen,
und die meinige in letzter Inſtanz nicht von dem Präſidium des
Bundes, ſondern von Sr. Maj. dem Könige von Preußen.“
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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876, S. 234. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht01_1876/254>, abgerufen am 24.11.2024.
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