ist, ob sie ihre Mitgliedschaftsrechte im Bundesrathe ausüben wol- len oder nicht. Denn Art. 7 sagt in Beziehung auf die Beschluß- fassung des Bundesrathes: "Nicht vertretene oder nicht instruirte Stim- men werden nicht gezählt."
Hier ist ausdrücklich die Möglichkeit hingestellt, daß ein Staat entweder gar nicht sich vertreten läßt oder daß er seinen Vertreter im einzelnen Falle nicht instruirt, also sein Stimmrecht nicht aus- übt. Es ist auch die Rechtsfolge eines solchen Verhaltens bestimmt normirt. Sie besteht nicht darin, daß der Einzelstaat vom Reiche angehalten werden könnte, seine Stimme abzugeben; sondern darin daß der Staat, welcher auf die Ausübung seines Stimmrechts verzichtet, bei der Beschlußfassung des Bundesraths unberücksichtigt bleibt 1). Im Zusammenhange damit steht der Grundsatz, daß zur Beschlußfähigkeit des Bundesrathes keine bestimmte Anzahl von Stimmen erforderlich ist 2). Damit entfällt das rechtliche Interesse des Reiches daran, daß die Einzelstaaten von ihren Mitgliedschaftsrechten im Bundesrath Gebrauch machen. Der Bundesrath, als ein unentbehrliches Organ des Reiches, dessen Funktionen es nicht missen kann, wird in seiner Thätigkeit dadurch nicht gehemmt, daß ein oder einige Einzelstaaten ihr Stimmrecht nicht ausüben.
2) Die Theilnahme an dem Bundesrath wird Seitens der Einzelstaaten ausgeübt durch Geschäftsträger, welche die R.-V. in demselben Art. 6 als "Vertreter" und "Bevollmächtigte" be- zeichnet. Beide Ausdrücke bedeuten dasselbe; sie beziehen sich auf den Gegensatz zu den an Aufträge und Instruktionen nicht gebun- denen Reichstags-Abgeordneten. In der Abstimmung des Bevoll- mächtigten kommt nicht sein subjectiver Wille, auch nicht die per-
1) Auch Fürst Bismarck hat bei der Verhandlung über den Waldeck'- schen Accessions-Vertrag im Preuß. Abgeordneten-Hause am 11. Dezember 1867 (Stenogr. Berichte I. S. 341) anerkannt, daß es dem Fürsten von Waldeck völlig frei stehe, die ihm zustehende Stimme im Bundesrath ruhen zu lassen.
2) In der Reichsverfassung dadurch anerkannt, daß im Gegensatz zu den Bestimmungen über den Reichstag für die Bundesrathsbeschlüsse kein Minimum der Stimmenzahl angeordnet ist. v. Rönne S. 149. Westerkamp S. 100. Seydel S. 105.
§. 28. Die Staatenrechte im Bundesrathe.
iſt, ob ſie ihre Mitgliedſchaftsrechte im Bundesrathe ausüben wol- len oder nicht. Denn Art. 7 ſagt in Beziehung auf die Beſchluß- faſſung des Bundesrathes: „Nicht vertretene oder nicht inſtruirte Stim- men werden nicht gezählt.“
Hier iſt ausdrücklich die Möglichkeit hingeſtellt, daß ein Staat entweder gar nicht ſich vertreten läßt oder daß er ſeinen Vertreter im einzelnen Falle nicht inſtruirt, alſo ſein Stimmrecht nicht aus- übt. Es iſt auch die Rechtsfolge eines ſolchen Verhaltens beſtimmt normirt. Sie beſteht nicht darin, daß der Einzelſtaat vom Reiche angehalten werden könnte, ſeine Stimme abzugeben; ſondern darin daß der Staat, welcher auf die Ausübung ſeines Stimmrechts verzichtet, bei der Beſchlußfaſſung des Bundesraths unberückſichtigt bleibt 1). Im Zuſammenhange damit ſteht der Grundſatz, daß zur Beſchlußfähigkeit des Bundesrathes keine beſtimmte Anzahl von Stimmen erforderlich iſt 2). Damit entfällt das rechtliche Intereſſe des Reiches daran, daß die Einzelſtaaten von ihren Mitgliedſchaftsrechten im Bundesrath Gebrauch machen. Der Bundesrath, als ein unentbehrliches Organ des Reiches, deſſen Funktionen es nicht miſſen kann, wird in ſeiner Thätigkeit dadurch nicht gehemmt, daß ein oder einige Einzelſtaaten ihr Stimmrecht nicht ausüben.
2) Die Theilnahme an dem Bundesrath wird Seitens der Einzelſtaaten ausgeübt durch Geſchäftsträger, welche die R.-V. in demſelben Art. 6 als „Vertreter“ und „Bevollmächtigte“ be- zeichnet. Beide Ausdrücke bedeuten daſſelbe; ſie beziehen ſich auf den Gegenſatz zu den an Aufträge und Inſtruktionen nicht gebun- denen Reichstags-Abgeordneten. In der Abſtimmung des Bevoll- mächtigten kommt nicht ſein ſubjectiver Wille, auch nicht die per-
1) Auch Fürſt Bismarck hat bei der Verhandlung über den Waldeck’- ſchen Acceſſions-Vertrag im Preuß. Abgeordneten-Hauſe am 11. Dezember 1867 (Stenogr. Berichte I. S. 341) anerkannt, daß es dem Fürſten von Waldeck völlig frei ſtehe, die ihm zuſtehende Stimme im Bundesrath ruhen zu laſſen.
2) In der Reichsverfaſſung dadurch anerkannt, daß im Gegenſatz zu den Beſtimmungen über den Reichstag für die Bundesrathsbeſchlüſſe kein Minimum der Stimmenzahl angeordnet iſt. v. Rönne S. 149. Weſterkamp S. 100. Seydel S. 105.
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§. 28. Die Staatenrechte im Bundesrathe.
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faſſung des Bundesrathes:
„Nicht vertretene oder nicht inſtruirte Stim-
men werden nicht gezählt.“
Hier iſt ausdrücklich die Möglichkeit hingeſtellt, daß ein Staat
entweder gar nicht ſich vertreten läßt oder daß er ſeinen Vertreter
im einzelnen Falle nicht inſtruirt, alſo ſein Stimmrecht nicht aus-
übt. Es iſt auch die Rechtsfolge eines ſolchen Verhaltens beſtimmt
normirt. Sie beſteht nicht darin, daß der Einzelſtaat vom Reiche
angehalten werden könnte, ſeine Stimme abzugeben; ſondern darin
daß der Staat, welcher auf die Ausübung ſeines Stimmrechts
verzichtet, bei der Beſchlußfaſſung des Bundesraths unberückſichtigt
bleibt 1). Im Zuſammenhange damit ſteht der Grundſatz, daß zur
Beſchlußfähigkeit des Bundesrathes keine beſtimmte Anzahl
von Stimmen erforderlich iſt 2). Damit entfällt das rechtliche
Intereſſe des Reiches daran, daß die Einzelſtaaten von ihren
Mitgliedſchaftsrechten im Bundesrath Gebrauch machen. Der
Bundesrath, als ein unentbehrliches Organ des Reiches, deſſen
Funktionen es nicht miſſen kann, wird in ſeiner Thätigkeit dadurch
nicht gehemmt, daß ein oder einige Einzelſtaaten ihr Stimmrecht
nicht ausüben.
2) Die Theilnahme an dem Bundesrath wird Seitens der
Einzelſtaaten ausgeübt durch Geſchäftsträger, welche die R.-V.
in demſelben Art. 6 als „Vertreter“ und „Bevollmächtigte“ be-
zeichnet. Beide Ausdrücke bedeuten daſſelbe; ſie beziehen ſich auf
den Gegenſatz zu den an Aufträge und Inſtruktionen nicht gebun-
denen Reichstags-Abgeordneten. In der Abſtimmung des Bevoll-
mächtigten kommt nicht ſein ſubjectiver Wille, auch nicht die per-
1) Auch Fürſt Bismarck hat bei der Verhandlung über den Waldeck’-
ſchen Acceſſions-Vertrag im Preuß. Abgeordneten-Hauſe am 11. Dezember
1867 (Stenogr. Berichte I. S. 341) anerkannt, daß es dem Fürſten von
Waldeck völlig frei ſtehe, die ihm zuſtehende Stimme im Bundesrath ruhen
zu laſſen.
2) In der Reichsverfaſſung dadurch anerkannt, daß im Gegenſatz zu den
Beſtimmungen über den Reichstag für die Bundesrathsbeſchlüſſe kein Minimum
der Stimmenzahl angeordnet iſt. v. Rönne S. 149. Weſterkamp S. 100.
Seydel S. 105.
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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876, S. 238. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht01_1876/258>, abgerufen am 27.07.2024.
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