Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876.

Bild:
<< vorherige Seite

§. 32. Begriff und System der Reichsbehörden.
Gerichte, welche das Reichsstrafgesetzbuch, das Reichshandelsgesetz-
buch u. s. w. anwenden, die Zollbehörden mit Ausnahme der
kaiserlichen Zollämter in Hamburg und Bremen, die Eichungsämter,
Strandämter, Heimathsämter u. s. w. Landesbehörden.

Aus demselben Grunde sind alle Militär-Verwaltungs-Behör-
den nicht Reichsbehörden, sondern Landesbehörden, und zwar nicht
nur in Bayern, sondern im ganzen Reiche. Denn die Reichsverf.
überträgt zwar den Oberbefehl auf den Kaiser, stattet das Reich
mit der uneingeschränkten Befugniß zur Militärgesetzgebung aus
und macht die gesammten Kosten des Militärwesens zu einem
Theile der Reichsfinanzwirthschaft; aber sie entzieht den einzelnen
Staaten weder die sogen. Militärhoheit noch die eigene Militär-
Verwaltung. Soweit durch Militär-Konventionen die Deutschen
Staaten auf diese Rechte verzichtet haben, ist die Ausübung der-
selben auf Preußen übergegangen; das preußische Kriegsmini-
sterium ist aber ebenso wenig eine Reichsbehörde wie das württem-
bergische und das sächsische 1) und von diesen Landesbehörden ist
das Bayerische Kriegsministerium nur durch die größere Selbst-
ständigkeit und Unabhängigkeit dem Reiche gegenüber, aber nicht
hinsichtlich des Rechtsgrundes seiner Amtsgewalt, verschieden. Nur
in Bezug auf das preußische Kreigsministerium ist dies in soweit
einzuschränken, daß dasselbe in einigen Beziehungen zugleich als
Reichsbehörde fungirt, indem es zur Ausübung der dem Reiche
zustehenden obersten Leitung und Kontrole in Angelegenheiten der
Heeresverwaltung dient.

2) Da ein Reichsamt ein durch Rechtsvorschriften begränzter
Kreis von Geschäften des Reiches ist, so ergiebt sich hieraus auch
das Verhältniß der Reichsbehörden zu den übrigen Organen des
Reiches.

Der Geschäftsführer des Reiches ist der Kaiser. Daraus
folgt, daß alle Inhaber von Reichsämtern Gehülfen des Kaisers
sind, da sie Geschäfte besorgen, welche ideell dem Kaiser obliegen.

1) In dem "Verzeichniß der Reichsbehörden" im R.-G-Bl. 1874 S. 136
werden diese 3 Kriegsministerien zwar als oberste Reichsbehörden bezeichnet
und ebenso werden hier die übrigen Militärbehörden aufgeführt. Dieses Ver-
zeichniß bezieht sich aber auf das Reichsbeamten-Gesetz und es ist deshalb der
Ausdruck Reichsbehörde in demjenigen Sinne genommen, welcher der in dem
cit. Gesetz gegebenen Definition von Reichs beamten entspricht.

§. 32. Begriff und Syſtem der Reichsbehörden.
Gerichte, welche das Reichsſtrafgeſetzbuch, das Reichshandelsgeſetz-
buch u. ſ. w. anwenden, die Zollbehörden mit Ausnahme der
kaiſerlichen Zollämter in Hamburg und Bremen, die Eichungsämter,
Strandämter, Heimathsämter u. ſ. w. Landesbehörden.

Aus demſelben Grunde ſind alle Militär-Verwaltungs-Behör-
den nicht Reichsbehörden, ſondern Landesbehörden, und zwar nicht
nur in Bayern, ſondern im ganzen Reiche. Denn die Reichsverf.
überträgt zwar den Oberbefehl auf den Kaiſer, ſtattet das Reich
mit der uneingeſchränkten Befugniß zur Militärgeſetzgebung aus
und macht die geſammten Koſten des Militärweſens zu einem
Theile der Reichsfinanzwirthſchaft; aber ſie entzieht den einzelnen
Staaten weder die ſogen. Militärhoheit noch die eigene Militär-
Verwaltung. Soweit durch Militär-Konventionen die Deutſchen
Staaten auf dieſe Rechte verzichtet haben, iſt die Ausübung der-
ſelben auf Preußen übergegangen; das preußiſche Kriegsmini-
ſterium iſt aber ebenſo wenig eine Reichsbehörde wie das württem-
bergiſche und das ſächſiſche 1) und von dieſen Landesbehörden iſt
das Bayeriſche Kriegsminiſterium nur durch die größere Selbſt-
ſtändigkeit und Unabhängigkeit dem Reiche gegenüber, aber nicht
hinſichtlich des Rechtsgrundes ſeiner Amtsgewalt, verſchieden. Nur
in Bezug auf das preußiſche Kreigsminiſterium iſt dies in ſoweit
einzuſchränken, daß daſſelbe in einigen Beziehungen zugleich als
Reichsbehörde fungirt, indem es zur Ausübung der dem Reiche
zuſtehenden oberſten Leitung und Kontrole in Angelegenheiten der
Heeresverwaltung dient.

2) Da ein Reichsamt ein durch Rechtsvorſchriften begränzter
Kreis von Geſchäften des Reiches iſt, ſo ergiebt ſich hieraus auch
das Verhältniß der Reichsbehörden zu den übrigen Organen des
Reiches.

Der Geſchäftsführer des Reiches iſt der Kaiſer. Daraus
folgt, daß alle Inhaber von Reichsämtern Gehülfen des Kaiſers
ſind, da ſie Geſchäfte beſorgen, welche ideell dem Kaiſer obliegen.

1) In dem „Verzeichniß der Reichsbehörden“ im R.-G-Bl. 1874 S. 136
werden dieſe 3 Kriegsminiſterien zwar als oberſte Reichsbehörden bezeichnet
und ebenſo werden hier die übrigen Militärbehörden aufgeführt. Dieſes Ver-
zeichniß bezieht ſich aber auf das Reichsbeamten-Geſetz und es iſt deshalb der
Ausdruck Reichsbehörde in demjenigen Sinne genommen, welcher der in dem
cit. Geſetz gegebenen Definition von Reichs beamten entſpricht.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0318" n="298"/><fw place="top" type="header">§. 32. Begriff und Sy&#x017F;tem der Reichsbehörden.</fw><lb/>
Gerichte, welche das Reichs&#x017F;trafge&#x017F;etzbuch, das Reichshandelsge&#x017F;etz-<lb/>
buch u. &#x017F;. w. anwenden, die Zollbehörden mit Ausnahme der<lb/>
kai&#x017F;erlichen Zollämter in Hamburg und Bremen, die Eichungsämter,<lb/>
Strandämter, Heimathsämter u. &#x017F;. w. Landesbehörden.</p><lb/>
              <p>Aus dem&#x017F;elben Grunde &#x017F;ind alle Militär-Verwaltungs-Behör-<lb/>
den nicht Reichsbehörden, &#x017F;ondern Landesbehörden, und zwar nicht<lb/>
nur in Bayern, &#x017F;ondern im ganzen Reiche. Denn die Reichsverf.<lb/>
überträgt zwar den Oberbefehl auf den Kai&#x017F;er, &#x017F;tattet das Reich<lb/>
mit der uneinge&#x017F;chränkten Befugniß zur Militärge&#x017F;etzgebung aus<lb/>
und macht die ge&#x017F;ammten Ko&#x017F;ten des Militärwe&#x017F;ens zu einem<lb/>
Theile der Reichsfinanzwirth&#x017F;chaft; aber &#x017F;ie entzieht den einzelnen<lb/>
Staaten weder die &#x017F;ogen. Militärhoheit noch die eigene Militär-<lb/>
Verwaltung. Soweit durch Militär-Konventionen die Deut&#x017F;chen<lb/>
Staaten auf die&#x017F;e Rechte verzichtet haben, i&#x017F;t die Ausübung der-<lb/>
&#x017F;elben auf <hi rendition="#g">Preußen</hi> übergegangen; das preußi&#x017F;che Kriegsmini-<lb/>
&#x017F;terium i&#x017F;t aber eben&#x017F;o wenig eine Reichsbehörde wie das württem-<lb/>
bergi&#x017F;che und das &#x017F;äch&#x017F;i&#x017F;che <note place="foot" n="1)">In dem &#x201E;Verzeichniß der Reichsbehörden&#x201C; im R.-G-Bl. 1874 S. 136<lb/>
werden die&#x017F;e 3 Kriegsmini&#x017F;terien zwar als ober&#x017F;te Reichsbehörden bezeichnet<lb/>
und eben&#x017F;o werden hier die übrigen Militärbehörden aufgeführt. Die&#x017F;es Ver-<lb/>
zeichniß bezieht &#x017F;ich aber auf das Reichsbeamten-Ge&#x017F;etz und es i&#x017F;t deshalb der<lb/>
Ausdruck Reichsbehörde in demjenigen Sinne genommen, welcher der in dem<lb/>
cit. Ge&#x017F;etz gegebenen Definition von Reichs <hi rendition="#g">beamten</hi> ent&#x017F;pricht.</note> und von die&#x017F;en Landesbehörden i&#x017F;t<lb/>
das Bayeri&#x017F;che Kriegsmini&#x017F;terium nur durch die größere Selb&#x017F;t-<lb/>
&#x017F;tändigkeit und Unabhängigkeit dem Reiche gegenüber, aber nicht<lb/>
hin&#x017F;ichtlich des Rechtsgrundes &#x017F;einer Amtsgewalt, ver&#x017F;chieden. Nur<lb/>
in Bezug auf das preußi&#x017F;che Kreigsmini&#x017F;terium i&#x017F;t dies in &#x017F;oweit<lb/>
einzu&#x017F;chränken, daß da&#x017F;&#x017F;elbe in einigen Beziehungen zugleich als<lb/>
Reichsbehörde fungirt, indem es zur Ausübung der dem Reiche<lb/>
zu&#x017F;tehenden ober&#x017F;ten Leitung und Kontrole in Angelegenheiten der<lb/>
Heeresverwaltung dient.</p><lb/>
              <p>2) Da ein Reichsamt ein durch Rechtsvor&#x017F;chriften begränzter<lb/>
Kreis von Ge&#x017F;chäften des Reiches i&#x017F;t, &#x017F;o ergiebt &#x017F;ich hieraus auch<lb/>
das Verhältniß der Reichsbehörden zu den übrigen Organen des<lb/>
Reiches.</p><lb/>
              <p>Der <hi rendition="#g">Ge&#x017F;chäftsführer</hi> des Reiches i&#x017F;t der Kai&#x017F;er. Daraus<lb/>
folgt, daß alle Inhaber von Reichsämtern Gehülfen des Kai&#x017F;ers<lb/>
&#x017F;ind, da &#x017F;ie Ge&#x017F;chäfte be&#x017F;orgen, welche ideell dem Kai&#x017F;er obliegen.<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[298/0318] §. 32. Begriff und Syſtem der Reichsbehörden. Gerichte, welche das Reichsſtrafgeſetzbuch, das Reichshandelsgeſetz- buch u. ſ. w. anwenden, die Zollbehörden mit Ausnahme der kaiſerlichen Zollämter in Hamburg und Bremen, die Eichungsämter, Strandämter, Heimathsämter u. ſ. w. Landesbehörden. Aus demſelben Grunde ſind alle Militär-Verwaltungs-Behör- den nicht Reichsbehörden, ſondern Landesbehörden, und zwar nicht nur in Bayern, ſondern im ganzen Reiche. Denn die Reichsverf. überträgt zwar den Oberbefehl auf den Kaiſer, ſtattet das Reich mit der uneingeſchränkten Befugniß zur Militärgeſetzgebung aus und macht die geſammten Koſten des Militärweſens zu einem Theile der Reichsfinanzwirthſchaft; aber ſie entzieht den einzelnen Staaten weder die ſogen. Militärhoheit noch die eigene Militär- Verwaltung. Soweit durch Militär-Konventionen die Deutſchen Staaten auf dieſe Rechte verzichtet haben, iſt die Ausübung der- ſelben auf Preußen übergegangen; das preußiſche Kriegsmini- ſterium iſt aber ebenſo wenig eine Reichsbehörde wie das württem- bergiſche und das ſächſiſche 1) und von dieſen Landesbehörden iſt das Bayeriſche Kriegsminiſterium nur durch die größere Selbſt- ſtändigkeit und Unabhängigkeit dem Reiche gegenüber, aber nicht hinſichtlich des Rechtsgrundes ſeiner Amtsgewalt, verſchieden. Nur in Bezug auf das preußiſche Kreigsminiſterium iſt dies in ſoweit einzuſchränken, daß daſſelbe in einigen Beziehungen zugleich als Reichsbehörde fungirt, indem es zur Ausübung der dem Reiche zuſtehenden oberſten Leitung und Kontrole in Angelegenheiten der Heeresverwaltung dient. 2) Da ein Reichsamt ein durch Rechtsvorſchriften begränzter Kreis von Geſchäften des Reiches iſt, ſo ergiebt ſich hieraus auch das Verhältniß der Reichsbehörden zu den übrigen Organen des Reiches. Der Geſchäftsführer des Reiches iſt der Kaiſer. Daraus folgt, daß alle Inhaber von Reichsämtern Gehülfen des Kaiſers ſind, da ſie Geſchäfte beſorgen, welche ideell dem Kaiſer obliegen. 1) In dem „Verzeichniß der Reichsbehörden“ im R.-G-Bl. 1874 S. 136 werden dieſe 3 Kriegsminiſterien zwar als oberſte Reichsbehörden bezeichnet und ebenſo werden hier die übrigen Militärbehörden aufgeführt. Dieſes Ver- zeichniß bezieht ſich aber auf das Reichsbeamten-Geſetz und es iſt deshalb der Ausdruck Reichsbehörde in demjenigen Sinne genommen, welcher der in dem cit. Geſetz gegebenen Definition von Reichs beamten entſpricht.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht01_1876
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht01_1876/318
Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876, S. 298. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht01_1876/318>, abgerufen am 24.11.2024.