die amtliche Thätigkeit der verschiedenen Reichsbehörden 1). Mit Recht werden daher alle Reichsbehörden als Kaiserliche Behörden bezeichnet.
Diesem Grundsatz ist es vollkommen entsprechend, daß der Regel nach alle Reichsbeamten vom Kaiser ernannt und entlassen werden. Durch die Ernennung ertheilt der Kaiser den Auftrag, diejenigen Geschäfte zu führen, welche zu dem gesetzlich bestimmten Wirkungskreise des verliehenen Amtes gehören; und selbst, wenn der Kaiser durch ein Vorschlagsrecht des Bundesrathes hinsichtlich der Auswahl der Personen, welche zu einem Reichsamt berufen werden sollen, beschränkt ist, so geht doch formell der öffentlich rechtliche Auftrag in der Regel von ihm aus.
Insbesondere aber kömmt die rechtliche Stellung der Reichs- beamten als Gehülfen des Kaisers dadurch zur Geltung, daß die wichtigsten derselben, und zwar gerade diejenigen, deren Geschäfts- führung am wenigsten durch Gesetze normirt ist, folglich am meisten vom freien Ermessen bestimmt wird, durch Kaiserliche Verfügung einstweilig in den Ruhestand versetzt werden können 2).
3) Die Stellung der Reichsbehörden zum Kaiser ist aber un- geachtet des im Vorstehenden entwickelten Satzes nicht dieselbe wie die Stellung der Landesbehörden zum Landesherrn. Es ist oben hervorgehoben worden, daß zu einem Amt außer einem Kreise von Geschäften auch ein Kreis staatlicher Machtbefugnisse gehört; daß in der Ertheilung eines Amtes neben dem Auftrage zur Er- ledigung der Geschäfte auch eine Delegation von Hoheitsrechten enthalten ist, daß in jedem Amt die Staatsgewalt sich manifestirt. In der Monarchie ist der Monarch der alleinige Träger der Staats- gewalt; von ihm geht daher nicht nur der Auftrag zur Geschäfts- führung sondern auch die Delegation der Staatsgewalt aus. Nach der Reichsverfassung steht die Reichsgewalt nicht dem Kaiser zu, sondern der Gesammtheit der Deutschen Staaten (resp. deren Lan- desherren). Die Delegation der Amtsgewalt der Reichsbehörden
1) Vgl. über die Stellung der Staatsdiener zum Monarchen im monar- chischen Einheitsstaat Gönner Vom Staatsdienst S. 30 ff. v. Gerber Grundzüge S. 227 fg. (Beilage II.) Die dagegen von Schulze in Aegidi's Zeitschrift für Deutsches Staatsr. I. S. 445 erhobenen Einwendungen scheinen mir nicht stichhaltig zu sein.
2) Reichsbeamtengesetz §. 25.
§. 32. Begriff und Syſtem der Reichsbehörden.
die amtliche Thätigkeit der verſchiedenen Reichsbehörden 1). Mit Recht werden daher alle Reichsbehörden als Kaiſerliche Behörden bezeichnet.
Dieſem Grundſatz iſt es vollkommen entſprechend, daß der Regel nach alle Reichsbeamten vom Kaiſer ernannt und entlaſſen werden. Durch die Ernennung ertheilt der Kaiſer den Auftrag, diejenigen Geſchäfte zu führen, welche zu dem geſetzlich beſtimmten Wirkungskreiſe des verliehenen Amtes gehören; und ſelbſt, wenn der Kaiſer durch ein Vorſchlagsrecht des Bundesrathes hinſichtlich der Auswahl der Perſonen, welche zu einem Reichsamt berufen werden ſollen, beſchränkt iſt, ſo geht doch formell der öffentlich rechtliche Auftrag in der Regel von ihm aus.
Insbeſondere aber kömmt die rechtliche Stellung der Reichs- beamten als Gehülfen des Kaiſers dadurch zur Geltung, daß die wichtigſten derſelben, und zwar gerade diejenigen, deren Geſchäfts- führung am wenigſten durch Geſetze normirt iſt, folglich am meiſten vom freien Ermeſſen beſtimmt wird, durch Kaiſerliche Verfügung einſtweilig in den Ruheſtand verſetzt werden können 2).
3) Die Stellung der Reichsbehörden zum Kaiſer iſt aber un- geachtet des im Vorſtehenden entwickelten Satzes nicht dieſelbe wie die Stellung der Landesbehörden zum Landesherrn. Es iſt oben hervorgehoben worden, daß zu einem Amt außer einem Kreiſe von Geſchäften auch ein Kreis ſtaatlicher Machtbefugniſſe gehört; daß in der Ertheilung eines Amtes neben dem Auftrage zur Er- ledigung der Geſchäfte auch eine Delegation von Hoheitsrechten enthalten iſt, daß in jedem Amt die Staatsgewalt ſich manifeſtirt. In der Monarchie iſt der Monarch der alleinige Träger der Staats- gewalt; von ihm geht daher nicht nur der Auftrag zur Geſchäfts- führung ſondern auch die Delegation der Staatsgewalt aus. Nach der Reichsverfaſſung ſteht die Reichsgewalt nicht dem Kaiſer zu, ſondern der Geſammtheit der Deutſchen Staaten (reſp. deren Lan- desherren). Die Delegation der Amtsgewalt der Reichsbehörden
1) Vgl. über die Stellung der Staatsdiener zum Monarchen im monar- chiſchen Einheitsſtaat Gönner Vom Staatsdienſt S. 30 ff. v. Gerber Grundzüge S. 227 fg. (Beilage II.) Die dagegen von Schulze in Aegidi’s Zeitſchrift für Deutſches Staatsr. I. S. 445 erhobenen Einwendungen ſcheinen mir nicht ſtichhaltig zu ſein.
2) Reichsbeamtengeſetz §. 25.
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§. 32. Begriff und Syſtem der Reichsbehörden.
die amtliche Thätigkeit der verſchiedenen Reichsbehörden 1). Mit
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bezeichnet.
Dieſem Grundſatz iſt es vollkommen entſprechend, daß der
Regel nach alle Reichsbeamten vom Kaiſer ernannt und entlaſſen
werden. Durch die Ernennung ertheilt der Kaiſer den Auftrag,
diejenigen Geſchäfte zu führen, welche zu dem geſetzlich beſtimmten
Wirkungskreiſe des verliehenen Amtes gehören; und ſelbſt, wenn
der Kaiſer durch ein Vorſchlagsrecht des Bundesrathes hinſichtlich
der Auswahl der Perſonen, welche zu einem Reichsamt berufen
werden ſollen, beſchränkt iſt, ſo geht doch formell der öffentlich
rechtliche Auftrag in der Regel von ihm aus.
Insbeſondere aber kömmt die rechtliche Stellung der Reichs-
beamten als Gehülfen des Kaiſers dadurch zur Geltung, daß die
wichtigſten derſelben, und zwar gerade diejenigen, deren Geſchäfts-
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vom freien Ermeſſen beſtimmt wird, durch Kaiſerliche Verfügung
einſtweilig in den Ruheſtand verſetzt werden können 2).
3) Die Stellung der Reichsbehörden zum Kaiſer iſt aber un-
geachtet des im Vorſtehenden entwickelten Satzes nicht dieſelbe
wie die Stellung der Landesbehörden zum Landesherrn. Es iſt
oben hervorgehoben worden, daß zu einem Amt außer einem Kreiſe
von Geſchäften auch ein Kreis ſtaatlicher Machtbefugniſſe gehört;
daß in der Ertheilung eines Amtes neben dem Auftrage zur Er-
ledigung der Geſchäfte auch eine Delegation von Hoheitsrechten
enthalten iſt, daß in jedem Amt die Staatsgewalt ſich manifeſtirt.
In der Monarchie iſt der Monarch der alleinige Träger der Staats-
gewalt; von ihm geht daher nicht nur der Auftrag zur Geſchäfts-
führung ſondern auch die Delegation der Staatsgewalt aus. Nach
der Reichsverfaſſung ſteht die Reichsgewalt nicht dem Kaiſer zu,
ſondern der Geſammtheit der Deutſchen Staaten (reſp. deren Lan-
desherren). Die Delegation der Amtsgewalt der Reichsbehörden
1) Vgl. über die Stellung der Staatsdiener zum Monarchen im monar-
chiſchen Einheitsſtaat Gönner Vom Staatsdienſt S. 30 ff. v. Gerber
Grundzüge S. 227 fg. (Beilage II.) Die dagegen von Schulze in Aegidi’s
Zeitſchrift für Deutſches Staatsr. I. S. 445 erhobenen Einwendungen ſcheinen
mir nicht ſtichhaltig zu ſein.
2) Reichsbeamtengeſetz §. 25.
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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876, S. 300. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht01_1876/320>, abgerufen am 24.11.2024.
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