Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876.

Bild:
<< vorherige Seite

§. 2. Die Gründung des nordd. Bundes.
Landestheilen des österreichischen Kaiserstaates sollten durch
besondere Verträge geregelt werden (Art. X). Der Machtstellung
Bayerns sollte dadurch Rechnung getragen werden, daß die Land-
macht des Bundes in 2 Bundesheere, die Nordarmee und die Süd-
armee eingetheilt und in Krieg und Frieden der König von Preußen
Bundes-Oberfeldherr der Nordarmee, der König von Bayern
Bundes-Oberfeldherr der Südarmee sein sollte (Art. IX). Im
Uebrigen stimmen die Grundzüge nicht nur sachlich, sondern zum Theil
selbst hinsichtlich des Ausdrucks so sehr mit der späteren Verfassung
des Norddeutschen Bundes überein, daß man sie mit Recht als
den ersten Entwurf der Norddeutschen Bundesverfassung be-
zeichnen kann.

Der in der Note vom 10. Juni vorhergesehene Fall trat sehr
bald ein. Der Bundesbeschluß vom 14. Juni 1866 bewirkte die
Sprengung des Bundesverhältnisses. Der Preußische Bundestags-
Gesandte verband mit der Austritts-Erklärung Preußens aus dem
Bunde sogleich die Aufforderung, eine neue "Form für die Einheit
der deutschen Nation" zu vereinbaren und erklärte die Bereitwil-
ligkeit der Preußischen Regierung
"einen neuen Bund mit denjenigen deutschen Regierungen
zu schließen, welche ihr dazu die Hand reichen wollen" 1).

Die Verwirklichung dieses Planes wurde durch den raschen
und glücklichen Verlauf des Krieges in unerwarteter Weise ge-
fördert, zugleich aber in Beziehung auf die süddeutschen Staaten
näher präcisirt. Die wesentliche Voraussetzung des neuen Bundes,
der Ausschluß Oesterreichs, gleichzeitig aber die Unter-
scheidung zwischen den nördlich vom Main gelegenen und den süd-
lichen Staaten Deutschlands wurde Oesterreich gegenüber völker-
rechtlich festgestellt durch Art. II. des Präliminar-Friedens von
Nicolsburg vom 26. Juli 1866, mit welchem Art. IV. des Prager
Friedensvertrages vom 23. August 1866 abgesehen von einem Zu-

Union, ist also kein niederländischer Landestheil. Daß die Absicht Preußens
nur auf den Austritt Limburgs gerichtet war, ergiebt sich auch aus der, dem
Art. I. beigefügten Parenthese: "Für diese ist der Austritt aus dem Bunde
schon vor Kurzem beantragt worden", was sich nur auf Limburg beziehen
konnte. Siehe oben S. 5.
1) Hahn S. 126. Vgl. die Preuß. Proclamation "An das deutsche Volk"
vom 16. Juni 1866. (Hahn S. 134.)

§. 2. Die Gründung des nordd. Bundes.
Landestheilen des öſterreichiſchen Kaiſerſtaates ſollten durch
beſondere Verträge geregelt werden (Art. X). Der Machtſtellung
Bayerns ſollte dadurch Rechnung getragen werden, daß die Land-
macht des Bundes in 2 Bundesheere, die Nordarmee und die Süd-
armee eingetheilt und in Krieg und Frieden der König von Preußen
Bundes-Oberfeldherr der Nordarmee, der König von Bayern
Bundes-Oberfeldherr der Südarmee ſein ſollte (Art. IX). Im
Uebrigen ſtimmen die Grundzüge nicht nur ſachlich, ſondern zum Theil
ſelbſt hinſichtlich des Ausdrucks ſo ſehr mit der ſpäteren Verfaſſung
des Norddeutſchen Bundes überein, daß man ſie mit Recht als
den erſten Entwurf der Norddeutſchen Bundesverfaſſung be-
zeichnen kann.

Der in der Note vom 10. Juni vorhergeſehene Fall trat ſehr
bald ein. Der Bundesbeſchluß vom 14. Juni 1866 bewirkte die
Sprengung des Bundesverhältniſſes. Der Preußiſche Bundestags-
Geſandte verband mit der Austritts-Erklärung Preußens aus dem
Bunde ſogleich die Aufforderung, eine neue „Form für die Einheit
der deutſchen Nation“ zu vereinbaren und erklärte die Bereitwil-
ligkeit der Preußiſchen Regierung
„einen neuen Bund mit denjenigen deutſchen Regierungen
zu ſchließen, welche ihr dazu die Hand reichen wollen“ 1).

Die Verwirklichung dieſes Planes wurde durch den raſchen
und glücklichen Verlauf des Krieges in unerwarteter Weiſe ge-
fördert, zugleich aber in Beziehung auf die ſüddeutſchen Staaten
näher präciſirt. Die weſentliche Vorausſetzung des neuen Bundes,
der Ausſchluß Oeſterreichs, gleichzeitig aber die Unter-
ſcheidung zwiſchen den nördlich vom Main gelegenen und den ſüd-
lichen Staaten Deutſchlands wurde Oeſterreich gegenüber völker-
rechtlich feſtgeſtellt durch Art. II. des Präliminar-Friedens von
Nicolsburg vom 26. Juli 1866, mit welchem Art. IV. des Prager
Friedensvertrages vom 23. Auguſt 1866 abgeſehen von einem Zu-

Union, iſt alſo kein niederländiſcher Landestheil. Daß die Abſicht Preußens
nur auf den Austritt Limburgs gerichtet war, ergiebt ſich auch aus der, dem
Art. I. beigefügten Parentheſe: „Für dieſe iſt der Austritt aus dem Bunde
ſchon vor Kurzem beantragt worden“, was ſich nur auf Limburg beziehen
konnte. Siehe oben S. 5.
1) Hahn S. 126. Vgl. die Preuß. Proclamation „An das deutſche Volk“
vom 16. Juni 1866. (Hahn S. 134.)
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0034" n="14"/><fw place="top" type="header">§. 2. Die Gründung des nordd. Bundes.</fw><lb/><hi rendition="#g">Landestheilen</hi> des ö&#x017F;terreichi&#x017F;chen Kai&#x017F;er&#x017F;taates &#x017F;ollten durch<lb/>
be&#x017F;ondere Verträge geregelt werden (Art. <hi rendition="#aq">X</hi>). Der Macht&#x017F;tellung<lb/>
Bayerns &#x017F;ollte dadurch Rechnung getragen werden, daß die Land-<lb/>
macht des Bundes in 2 Bundesheere, die Nordarmee und die Süd-<lb/>
armee eingetheilt und in Krieg und Frieden der König von Preußen<lb/>
Bundes-Oberfeldherr der Nordarmee, der König von Bayern<lb/>
Bundes-Oberfeldherr der Südarmee &#x017F;ein &#x017F;ollte (Art. <hi rendition="#aq">IX</hi>). Im<lb/>
Uebrigen &#x017F;timmen die Grundzüge nicht nur &#x017F;achlich, &#x017F;ondern zum Theil<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t hin&#x017F;ichtlich des Ausdrucks &#x017F;o &#x017F;ehr mit der &#x017F;päteren Verfa&#x017F;&#x017F;ung<lb/>
des Norddeut&#x017F;chen Bundes überein, daß man &#x017F;ie mit Recht als<lb/>
den <hi rendition="#g">er&#x017F;ten Entwurf</hi> der Norddeut&#x017F;chen Bundesverfa&#x017F;&#x017F;ung be-<lb/>
zeichnen kann.</p><lb/>
          <p>Der in der Note vom 10. Juni vorherge&#x017F;ehene Fall trat &#x017F;ehr<lb/>
bald ein. Der Bundesbe&#x017F;chluß vom 14. Juni 1866 bewirkte die<lb/>
Sprengung des Bundesverhältni&#x017F;&#x017F;es. Der Preußi&#x017F;che Bundestags-<lb/>
Ge&#x017F;andte verband mit der Austritts-Erklärung Preußens aus dem<lb/>
Bunde &#x017F;ogleich die Aufforderung, eine neue &#x201E;Form für die Einheit<lb/>
der deut&#x017F;chen Nation&#x201C; zu vereinbaren und erklärte die Bereitwil-<lb/>
ligkeit der Preußi&#x017F;chen Regierung<lb/><hi rendition="#et">&#x201E;einen neuen Bund mit denjenigen deut&#x017F;chen Regierungen<lb/>
zu &#x017F;chließen, welche ihr dazu die Hand reichen wollen&#x201C; <note place="foot" n="1)"><hi rendition="#g">Hahn</hi> S. 126. Vgl. die Preuß. Proclamation &#x201E;An das deut&#x017F;che Volk&#x201C;<lb/>
vom 16. Juni 1866. (<hi rendition="#g">Hahn</hi> S. 134.)</note>.</hi></p><lb/>
          <p>Die Verwirklichung die&#x017F;es Planes wurde durch den ra&#x017F;chen<lb/>
und glücklichen Verlauf des Krieges in unerwarteter Wei&#x017F;e ge-<lb/>
fördert, zugleich aber in Beziehung auf die &#x017F;üddeut&#x017F;chen Staaten<lb/>
näher präci&#x017F;irt. Die we&#x017F;entliche Voraus&#x017F;etzung des neuen Bundes,<lb/>
der <hi rendition="#g">Aus&#x017F;chluß Oe&#x017F;terreichs</hi>, gleichzeitig aber die Unter-<lb/>
&#x017F;cheidung zwi&#x017F;chen den nördlich vom Main gelegenen und den &#x017F;üd-<lb/>
lichen Staaten Deut&#x017F;chlands wurde Oe&#x017F;terreich gegenüber völker-<lb/>
rechtlich fe&#x017F;tge&#x017F;tellt durch Art. <hi rendition="#aq">II.</hi> des Präliminar-Friedens von<lb/>
Nicolsburg vom 26. Juli 1866, mit welchem Art. <hi rendition="#aq">IV.</hi> des Prager<lb/>
Friedensvertrages vom 23. Augu&#x017F;t 1866 abge&#x017F;ehen von einem Zu-<lb/><note xml:id="seg2pn_3_2" prev="#seg2pn_3_1" place="foot" n="3)">Union, i&#x017F;t al&#x017F;o kein niederländi&#x017F;cher Landestheil. Daß die Ab&#x017F;icht Preußens<lb/>
nur auf den Austritt Limburgs gerichtet war, ergiebt &#x017F;ich auch aus der, dem<lb/>
Art. <hi rendition="#aq">I.</hi> beigefügten Parenthe&#x017F;e: &#x201E;Für die&#x017F;e i&#x017F;t der Austritt aus dem Bunde<lb/>
&#x017F;chon vor Kurzem beantragt worden&#x201C;, was &#x017F;ich nur auf Limburg beziehen<lb/>
konnte. Siehe oben S. 5.</note><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[14/0034] §. 2. Die Gründung des nordd. Bundes. Landestheilen des öſterreichiſchen Kaiſerſtaates ſollten durch beſondere Verträge geregelt werden (Art. X). Der Machtſtellung Bayerns ſollte dadurch Rechnung getragen werden, daß die Land- macht des Bundes in 2 Bundesheere, die Nordarmee und die Süd- armee eingetheilt und in Krieg und Frieden der König von Preußen Bundes-Oberfeldherr der Nordarmee, der König von Bayern Bundes-Oberfeldherr der Südarmee ſein ſollte (Art. IX). Im Uebrigen ſtimmen die Grundzüge nicht nur ſachlich, ſondern zum Theil ſelbſt hinſichtlich des Ausdrucks ſo ſehr mit der ſpäteren Verfaſſung des Norddeutſchen Bundes überein, daß man ſie mit Recht als den erſten Entwurf der Norddeutſchen Bundesverfaſſung be- zeichnen kann. Der in der Note vom 10. Juni vorhergeſehene Fall trat ſehr bald ein. Der Bundesbeſchluß vom 14. Juni 1866 bewirkte die Sprengung des Bundesverhältniſſes. Der Preußiſche Bundestags- Geſandte verband mit der Austritts-Erklärung Preußens aus dem Bunde ſogleich die Aufforderung, eine neue „Form für die Einheit der deutſchen Nation“ zu vereinbaren und erklärte die Bereitwil- ligkeit der Preußiſchen Regierung „einen neuen Bund mit denjenigen deutſchen Regierungen zu ſchließen, welche ihr dazu die Hand reichen wollen“ 1). Die Verwirklichung dieſes Planes wurde durch den raſchen und glücklichen Verlauf des Krieges in unerwarteter Weiſe ge- fördert, zugleich aber in Beziehung auf die ſüddeutſchen Staaten näher präciſirt. Die weſentliche Vorausſetzung des neuen Bundes, der Ausſchluß Oeſterreichs, gleichzeitig aber die Unter- ſcheidung zwiſchen den nördlich vom Main gelegenen und den ſüd- lichen Staaten Deutſchlands wurde Oeſterreich gegenüber völker- rechtlich feſtgeſtellt durch Art. II. des Präliminar-Friedens von Nicolsburg vom 26. Juli 1866, mit welchem Art. IV. des Prager Friedensvertrages vom 23. Auguſt 1866 abgeſehen von einem Zu- 3) 1) Hahn S. 126. Vgl. die Preuß. Proclamation „An das deutſche Volk“ vom 16. Juni 1866. (Hahn S. 134.) 3) Union, iſt alſo kein niederländiſcher Landestheil. Daß die Abſicht Preußens nur auf den Austritt Limburgs gerichtet war, ergiebt ſich auch aus der, dem Art. I. beigefügten Parentheſe: „Für dieſe iſt der Austritt aus dem Bunde ſchon vor Kurzem beantragt worden“, was ſich nur auf Limburg beziehen konnte. Siehe oben S. 5.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht01_1876
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht01_1876/34
Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876, S. 14. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht01_1876/34>, abgerufen am 23.11.2024.