Staate eingeht, so daß er dem letzteren als gleichberechtigter Con- trahent gegenüber steht, wird kein Staatsbeamter.
Die Pflicht zur Leistung von Diensten kann ferner beruhen auf einem Gewalts-Verhältniß, welches nicht durch den freien Willens-Entschluß der Betheiligten begründet ist, sondern ohne denselben besteht. Auf dem Gebiete des Privatrechts liefert die väterliche Gewalt und das in derselben enthaltene Recht des Vaters auf häusliche oder gewerbliche Dienstleistungen der Hauskinder das deutlichste Beispiel. In ähnlicher Art begründet die Hoheit des Staates über seine Angehörigen das Recht des Staates auf Dienste und die Pflicht der Angehörigen, dieselben zu leisten. Die Erfüllung dieser Unterthanen- oder Bürger-Pflichten erzeugt aber ebenfalls nicht das Beamten-Verhältniß. Wer dem Staate Dienste leistet als Soldat durch Erfüllung der allgemeinen Wehrpflicht, als Geschworener oder Schöffe durch Erfüllung der Gerichtspflicht, durch Uebernahme von Vormundschaften, als Mitglied von Steuer- Einschätzungskommissionen u. dgl. ist kein Beamter, trotzdem er einen Kreis staatlicher, ja sogar obrigkeitlicher, Geschäfte versieht, also ein Amt hat, und dem Staate dient. Der Grund ist nicht darin zu sehen, daß er sein Amt nicht dauernd verwaltet, sondern darin, daß seine Dienstpflicht nichts Anderes ist als die Unter- thanenpflicht und in derselben enthalten ist.
Es giebt nun aber eine dritte Klasse von Dienstverhältnissen, bei welchen die beiden charakteristischen Momente der eben erörter- ten Klassen verbunden sind, d. h. welche einerseits durch freie Willens-Uebereinstimmung, also durch Vertrag begründet wer- den, andererseits aber ihrem Inhalte nach ein Gewalts-Verhält- niß sind.
Die Geschichte des Privatrechts liefert hiefür ein klassisches Beispiel durch die Vassallität. Die Commendation des mittelalter-
fest angestellte Beamte leisten, kann der Staat in anderen Fällen durch einen Arbeits-Vertrag sich verschaffen; der angestellte Baumeister und der nicht an- gestellte Bau-Unternehmer, der Syndikus einer Behörde, der Mitglied derselben ist, und der Rechts-Anwalt, der von ihr zur Durchführung eines fiskalischen Rechtsanspruchs engagirt ist, der Kanzlei-Beamte und der zur Aushülfe hin- zugezogene Schreiber u. s. w. unterscheiden sich nicht von einander durch die Art ihrer Dienste, sondern durch die Art des rechtlichen Verhältnisses zum Staate, welches sie zur Leistung der Dienste verpflichtet.
§. 37. Der Begriff der Reichsbeamten.
Staate eingeht, ſo daß er dem letzteren als gleichberechtigter Con- trahent gegenüber ſteht, wird kein Staatsbeamter.
Die Pflicht zur Leiſtung von Dienſten kann ferner beruhen auf einem Gewalts-Verhältniß, welches nicht durch den freien Willens-Entſchluß der Betheiligten begründet iſt, ſondern ohne denſelben beſteht. Auf dem Gebiete des Privatrechts liefert die väterliche Gewalt und das in derſelben enthaltene Recht des Vaters auf häusliche oder gewerbliche Dienſtleiſtungen der Hauskinder das deutlichſte Beiſpiel. In ähnlicher Art begründet die Hoheit des Staates über ſeine Angehörigen das Recht des Staates auf Dienſte und die Pflicht der Angehörigen, dieſelben zu leiſten. Die Erfüllung dieſer Unterthanen- oder Bürger-Pflichten erzeugt aber ebenfalls nicht das Beamten-Verhältniß. Wer dem Staate Dienſte leiſtet als Soldat durch Erfüllung der allgemeinen Wehrpflicht, als Geſchworener oder Schöffe durch Erfüllung der Gerichtspflicht, durch Uebernahme von Vormundſchaften, als Mitglied von Steuer- Einſchätzungskommiſſionen u. dgl. iſt kein Beamter, trotzdem er einen Kreis ſtaatlicher, ja ſogar obrigkeitlicher, Geſchäfte verſieht, alſo ein Amt hat, und dem Staate dient. Der Grund iſt nicht darin zu ſehen, daß er ſein Amt nicht dauernd verwaltet, ſondern darin, daß ſeine Dienſtpflicht nichts Anderes iſt als die Unter- thanenpflicht und in derſelben enthalten iſt.
Es giebt nun aber eine dritte Klaſſe von Dienſtverhältniſſen, bei welchen die beiden charakteriſtiſchen Momente der eben erörter- ten Klaſſen verbunden ſind, d. h. welche einerſeits durch freie Willens-Uebereinſtimmung, alſo durch Vertrag begründet wer- den, andererſeits aber ihrem Inhalte nach ein Gewalts-Verhält- niß ſind.
Die Geſchichte des Privatrechts liefert hiefür ein klaſſiſches Beiſpiel durch die Vaſſallität. Die Commendation des mittelalter-
feſt angeſtellte Beamte leiſten, kann der Staat in anderen Fällen durch einen Arbeits-Vertrag ſich verſchaffen; der angeſtellte Baumeiſter und der nicht an- geſtellte Bau-Unternehmer, der Syndikus einer Behörde, der Mitglied derſelben iſt, und der Rechts-Anwalt, der von ihr zur Durchführung eines fiskaliſchen Rechtsanſpruchs engagirt iſt, der Kanzlei-Beamte und der zur Aushülfe hin- zugezogene Schreiber u. ſ. w. unterſcheiden ſich nicht von einander durch die Art ihrer Dienſte, ſondern durch die Art des rechtlichen Verhältniſſes zum Staate, welches ſie zur Leiſtung der Dienſte verpflichtet.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><p><pbfacs="#f0406"n="386"/><fwplace="top"type="header">§. 37. Der Begriff der Reichsbeamten.</fw><lb/>
Staate eingeht, ſo daß er dem letzteren als gleichberechtigter Con-<lb/>
trahent gegenüber ſteht, wird kein Staatsbeamter.</p><lb/><p>Die Pflicht zur Leiſtung von Dienſten kann ferner beruhen<lb/>
auf einem Gewalts-Verhältniß, welches nicht durch den freien<lb/>
Willens-Entſchluß der Betheiligten begründet iſt, ſondern ohne<lb/>
denſelben beſteht. Auf dem Gebiete des Privatrechts liefert die<lb/>
väterliche Gewalt und das in derſelben enthaltene Recht des Vaters<lb/>
auf häusliche oder gewerbliche Dienſtleiſtungen der Hauskinder<lb/>
das deutlichſte Beiſpiel. In ähnlicher Art begründet die Hoheit<lb/>
des Staates über ſeine Angehörigen das Recht des Staates auf<lb/>
Dienſte und die Pflicht der Angehörigen, dieſelben zu leiſten. Die<lb/>
Erfüllung dieſer Unterthanen- oder Bürger-Pflichten erzeugt aber<lb/>
ebenfalls nicht das Beamten-Verhältniß. Wer dem Staate Dienſte<lb/>
leiſtet als Soldat durch Erfüllung der allgemeinen Wehrpflicht,<lb/>
als Geſchworener oder Schöffe durch Erfüllung der Gerichtspflicht,<lb/>
durch Uebernahme von Vormundſchaften, als Mitglied von Steuer-<lb/>
Einſchätzungskommiſſionen u. dgl. iſt kein Beamter, trotzdem er<lb/>
einen Kreis ſtaatlicher, ja ſogar obrigkeitlicher, Geſchäfte verſieht,<lb/>
alſo ein Amt hat, und dem Staate dient. Der Grund iſt nicht<lb/>
darin zu ſehen, daß er ſein Amt nicht dauernd verwaltet, ſondern<lb/>
darin, daß ſeine Dienſtpflicht nichts Anderes iſt als die Unter-<lb/>
thanenpflicht und in derſelben enthalten iſt.</p><lb/><p>Es giebt nun aber eine dritte Klaſſe von Dienſtverhältniſſen,<lb/>
bei welchen die beiden charakteriſtiſchen Momente der eben erörter-<lb/>
ten Klaſſen verbunden ſind, d. h. welche einerſeits durch freie<lb/>
Willens-Uebereinſtimmung, alſo durch Vertrag <hirendition="#g">begründet</hi> wer-<lb/>
den, andererſeits aber ihrem <hirendition="#g">Inhalte</hi> nach ein Gewalts-Verhält-<lb/>
niß ſind.</p><lb/><p>Die Geſchichte des Privatrechts liefert hiefür ein klaſſiſches<lb/>
Beiſpiel durch die Vaſſallität. Die Commendation des mittelalter-<lb/><notexml:id="seg2pn_42_2"prev="#seg2pn_42_1"place="foot"n="1)">feſt angeſtellte Beamte leiſten, kann der Staat in anderen Fällen durch einen<lb/>
Arbeits-Vertrag ſich verſchaffen; der angeſtellte Baumeiſter und der nicht an-<lb/>
geſtellte Bau-Unternehmer, der Syndikus einer Behörde, der Mitglied derſelben<lb/>
iſt, und der Rechts-Anwalt, der von ihr zur Durchführung eines fiskaliſchen<lb/>
Rechtsanſpruchs engagirt iſt, der Kanzlei-Beamte und der zur Aushülfe hin-<lb/>
zugezogene Schreiber u. ſ. w. unterſcheiden ſich nicht von einander durch die<lb/>
Art ihrer Dienſte, ſondern durch die Art des rechtlichen Verhältniſſes zum<lb/>
Staate, welches ſie zur Leiſtung der Dienſte verpflichtet.</note><lb/></p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[386/0406]
§. 37. Der Begriff der Reichsbeamten.
Staate eingeht, ſo daß er dem letzteren als gleichberechtigter Con-
trahent gegenüber ſteht, wird kein Staatsbeamter.
Die Pflicht zur Leiſtung von Dienſten kann ferner beruhen
auf einem Gewalts-Verhältniß, welches nicht durch den freien
Willens-Entſchluß der Betheiligten begründet iſt, ſondern ohne
denſelben beſteht. Auf dem Gebiete des Privatrechts liefert die
väterliche Gewalt und das in derſelben enthaltene Recht des Vaters
auf häusliche oder gewerbliche Dienſtleiſtungen der Hauskinder
das deutlichſte Beiſpiel. In ähnlicher Art begründet die Hoheit
des Staates über ſeine Angehörigen das Recht des Staates auf
Dienſte und die Pflicht der Angehörigen, dieſelben zu leiſten. Die
Erfüllung dieſer Unterthanen- oder Bürger-Pflichten erzeugt aber
ebenfalls nicht das Beamten-Verhältniß. Wer dem Staate Dienſte
leiſtet als Soldat durch Erfüllung der allgemeinen Wehrpflicht,
als Geſchworener oder Schöffe durch Erfüllung der Gerichtspflicht,
durch Uebernahme von Vormundſchaften, als Mitglied von Steuer-
Einſchätzungskommiſſionen u. dgl. iſt kein Beamter, trotzdem er
einen Kreis ſtaatlicher, ja ſogar obrigkeitlicher, Geſchäfte verſieht,
alſo ein Amt hat, und dem Staate dient. Der Grund iſt nicht
darin zu ſehen, daß er ſein Amt nicht dauernd verwaltet, ſondern
darin, daß ſeine Dienſtpflicht nichts Anderes iſt als die Unter-
thanenpflicht und in derſelben enthalten iſt.
Es giebt nun aber eine dritte Klaſſe von Dienſtverhältniſſen,
bei welchen die beiden charakteriſtiſchen Momente der eben erörter-
ten Klaſſen verbunden ſind, d. h. welche einerſeits durch freie
Willens-Uebereinſtimmung, alſo durch Vertrag begründet wer-
den, andererſeits aber ihrem Inhalte nach ein Gewalts-Verhält-
niß ſind.
Die Geſchichte des Privatrechts liefert hiefür ein klaſſiſches
Beiſpiel durch die Vaſſallität. Die Commendation des mittelalter-
1)
1) feſt angeſtellte Beamte leiſten, kann der Staat in anderen Fällen durch einen
Arbeits-Vertrag ſich verſchaffen; der angeſtellte Baumeiſter und der nicht an-
geſtellte Bau-Unternehmer, der Syndikus einer Behörde, der Mitglied derſelben
iſt, und der Rechts-Anwalt, der von ihr zur Durchführung eines fiskaliſchen
Rechtsanſpruchs engagirt iſt, der Kanzlei-Beamte und der zur Aushülfe hin-
zugezogene Schreiber u. ſ. w. unterſcheiden ſich nicht von einander durch die
Art ihrer Dienſte, ſondern durch die Art des rechtlichen Verhältniſſes zum
Staate, welches ſie zur Leiſtung der Dienſte verpflichtet.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876, S. 386. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht01_1876/406>, abgerufen am 28.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.