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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876.

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§. 37. Der Begriff der Reichsbeamten.
wurde seitdem die vorwiegende. Die Dienstpflicht des Staatsbe-
amten wurde als potenzirte Unterthanen-Pflicht erklärt und dem
Staat das Recht beigelegt, die Unterthanen zum Eintritt in den
Staatsdienst zu zwingen 1). Heffter a. a. O. S. 126 nimmt
ein solches Recht des Staates im Princip an, stellt aber einige
auf Billigkeitsgründen beruhende Einschränkungen seiner Ausübung
auf 2). Perthes a. a. O. S. 52 fg., bes. S. 55, führt diese
Ansicht noch prinzipieller durch und sieht nur in dem Andrange
zum Staatsdienst einen Grund, statt den Unwilligen zu zwingen,
lieber den sich freiwillig Meldenden zu nehmen. Völlig auf dem-
selben Standpunkte steht Dahlmann Politik (3. Aufl.) S. 271 ff.
(§. 251--255) und in der neuesten Literatur klingt diese Theorie
noch fort, indem die Anstellung des Staatsbeamten fast allgemein
als ein einseitiger Akt des Staates angesehen wird 3).

Diese Theorie beruht einfach darauf, daß man sich keinen anderen
Vertrag denken konnte als einen obligatorischen, und daß man daher
eine Dienstpflicht, welche nicht als contraktliche aufgefaßt werden kann,
nur als Unterthanenpflicht zu construiren vermochte. Ihr liegt ferner
eine Verwechslung zu Grunde zwischen der Begründung des Staats-
diener-Verhältnisses und der Verleihung eines Amtes. Ein Amt kann
auch auferlegt werden ohne Begründung des Staatsdiener-Verhältnis-
ses, als staatsbürgerliche Last, als Reihedienst. Die Pflicht, Vormund-

1) Der Beamte schließe keinen Vertrag mit dem Staate, sondern erfülle
seine Pflicht. Eine Ausnahme sei nur vorhanden, wenn ein Ausländer
zu einem Staatsdienst berufen werde; hier werde ein Vertrag geschlossen.
Gönner S. 93 ff.
2) Derselbe faßt dann das durch Ausübung dieses Zwangsrecht entstehende
Rechtsverhältniß wieder ganz privatrechtlich auf, als eine Obligation quasi ex
contractu,
nach Analogie der Tutel, so daß der Staat dem Beamten leisten
solle quod ex bona fide dare facere oportet. S. 130 ff. Consequenter Weise
müßte dies doch auch für den Beamten gelten und so gelangt man wieder
völlig in die privatrechtliche Contractslehre. Da auch schon Seuffert a. a. O.
S. 9 ff., die Pflicht jedes Unterthanen zum Staatsdienste behauptet und dem-
gemäß annimmt, daß Jeder, den der Staat in seinen Dienst beruft, den "An-
stellungsvertrag" abschließen muß, so ist diese Ansicht von der Heffters nicht
wesentlich verschieden. Zwangsvertrag oder Quasivertrag ist bloßer Wortstreit.
3) Zachariä II. S. 30 (§. 136) will das Zwangsrecht des Staates als
Regel
nicht anerkennen, wohl aber im Falle eines Nothstandes nach den
Grundsätzen des ius eminens. Im Prinzip gesteht er also doch das Zwangs-
recht dem Staate zu und beschränkt nur dessen Ausübung.

§. 37. Der Begriff der Reichsbeamten.
wurde ſeitdem die vorwiegende. Die Dienſtpflicht des Staatsbe-
amten wurde als potenzirte Unterthanen-Pflicht erklärt und dem
Staat das Recht beigelegt, die Unterthanen zum Eintritt in den
Staatsdienſt zu zwingen 1). Heffter a. a. O. S. 126 nimmt
ein ſolches Recht des Staates im Princip an, ſtellt aber einige
auf Billigkeitsgründen beruhende Einſchränkungen ſeiner Ausübung
auf 2). Perthes a. a. O. S. 52 fg., beſ. S. 55, führt dieſe
Anſicht noch prinzipieller durch und ſieht nur in dem Andrange
zum Staatsdienſt einen Grund, ſtatt den Unwilligen zu zwingen,
lieber den ſich freiwillig Meldenden zu nehmen. Völlig auf dem-
ſelben Standpunkte ſteht Dahlmann Politik (3. Aufl.) S. 271 ff.
(§. 251—255) und in der neueſten Literatur klingt dieſe Theorie
noch fort, indem die Anſtellung des Staatsbeamten faſt allgemein
als ein einſeitiger Akt des Staates angeſehen wird 3).

Dieſe Theorie beruht einfach darauf, daß man ſich keinen anderen
Vertrag denken konnte als einen obligatoriſchen, und daß man daher
eine Dienſtpflicht, welche nicht als contraktliche aufgefaßt werden kann,
nur als Unterthanenpflicht zu conſtruiren vermochte. Ihr liegt ferner
eine Verwechslung zu Grunde zwiſchen der Begründung des Staats-
diener-Verhältniſſes und der Verleihung eines Amtes. Ein Amt kann
auch auferlegt werden ohne Begründung des Staatsdiener-Verhältniſ-
ſes, als ſtaatsbürgerliche Laſt, als Reihedienſt. Die Pflicht, Vormund-

1) Der Beamte ſchließe keinen Vertrag mit dem Staate, ſondern erfülle
ſeine Pflicht. Eine Ausnahme ſei nur vorhanden, wenn ein Ausländer
zu einem Staatsdienſt berufen werde; hier werde ein Vertrag geſchloſſen.
Gönner S. 93 ff.
2) Derſelbe faßt dann das durch Ausübung dieſes Zwangsrecht entſtehende
Rechtsverhältniß wieder ganz privatrechtlich auf, als eine Obligation quasi ex
contractu,
nach Analogie der Tutel, ſo daß der Staat dem Beamten leiſten
ſolle quod ex bona fide dare facere oportet. S. 130 ff. Conſequenter Weiſe
müßte dies doch auch für den Beamten gelten und ſo gelangt man wieder
völlig in die privatrechtliche Contractslehre. Da auch ſchon Seuffert a. a. O.
S. 9 ff., die Pflicht jedes Unterthanen zum Staatsdienſte behauptet und dem-
gemäß annimmt, daß Jeder, den der Staat in ſeinen Dienſt beruft, den „An-
ſtellungsvertrag“ abſchließen muß, ſo iſt dieſe Anſicht von der Heffters nicht
weſentlich verſchieden. Zwangsvertrag oder Quaſivertrag iſt bloßer Wortſtreit.
3) Zachariä II. S. 30 (§. 136) will das Zwangsrecht des Staates als
Regel
nicht anerkennen, wohl aber im Falle eines Nothſtandes nach den
Grundſätzen des ius eminens. Im Prinzip geſteht er alſo doch das Zwangs-
recht dem Staate zu und beſchränkt nur deſſen Ausübung.
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[394/0414] §. 37. Der Begriff der Reichsbeamten. wurde ſeitdem die vorwiegende. Die Dienſtpflicht des Staatsbe- amten wurde als potenzirte Unterthanen-Pflicht erklärt und dem Staat das Recht beigelegt, die Unterthanen zum Eintritt in den Staatsdienſt zu zwingen 1). Heffter a. a. O. S. 126 nimmt ein ſolches Recht des Staates im Princip an, ſtellt aber einige auf Billigkeitsgründen beruhende Einſchränkungen ſeiner Ausübung auf 2). Perthes a. a. O. S. 52 fg., beſ. S. 55, führt dieſe Anſicht noch prinzipieller durch und ſieht nur in dem Andrange zum Staatsdienſt einen Grund, ſtatt den Unwilligen zu zwingen, lieber den ſich freiwillig Meldenden zu nehmen. Völlig auf dem- ſelben Standpunkte ſteht Dahlmann Politik (3. Aufl.) S. 271 ff. (§. 251—255) und in der neueſten Literatur klingt dieſe Theorie noch fort, indem die Anſtellung des Staatsbeamten faſt allgemein als ein einſeitiger Akt des Staates angeſehen wird 3). Dieſe Theorie beruht einfach darauf, daß man ſich keinen anderen Vertrag denken konnte als einen obligatoriſchen, und daß man daher eine Dienſtpflicht, welche nicht als contraktliche aufgefaßt werden kann, nur als Unterthanenpflicht zu conſtruiren vermochte. Ihr liegt ferner eine Verwechslung zu Grunde zwiſchen der Begründung des Staats- diener-Verhältniſſes und der Verleihung eines Amtes. Ein Amt kann auch auferlegt werden ohne Begründung des Staatsdiener-Verhältniſ- ſes, als ſtaatsbürgerliche Laſt, als Reihedienſt. Die Pflicht, Vormund- 1) Der Beamte ſchließe keinen Vertrag mit dem Staate, ſondern erfülle ſeine Pflicht. Eine Ausnahme ſei nur vorhanden, wenn ein Ausländer zu einem Staatsdienſt berufen werde; hier werde ein Vertrag geſchloſſen. Gönner S. 93 ff. 2) Derſelbe faßt dann das durch Ausübung dieſes Zwangsrecht entſtehende Rechtsverhältniß wieder ganz privatrechtlich auf, als eine Obligation quasi ex contractu, nach Analogie der Tutel, ſo daß der Staat dem Beamten leiſten ſolle quod ex bona fide dare facere oportet. S. 130 ff. Conſequenter Weiſe müßte dies doch auch für den Beamten gelten und ſo gelangt man wieder völlig in die privatrechtliche Contractslehre. Da auch ſchon Seuffert a. a. O. S. 9 ff., die Pflicht jedes Unterthanen zum Staatsdienſte behauptet und dem- gemäß annimmt, daß Jeder, den der Staat in ſeinen Dienſt beruft, den „An- ſtellungsvertrag“ abſchließen muß, ſo iſt dieſe Anſicht von der Heffters nicht weſentlich verſchieden. Zwangsvertrag oder Quaſivertrag iſt bloßer Wortſtreit. 3) Zachariä II. S. 30 (§. 136) will das Zwangsrecht des Staates als Regel nicht anerkennen, wohl aber im Falle eines Nothſtandes nach den Grundſätzen des ius eminens. Im Prinzip geſteht er alſo doch das Zwangs- recht dem Staate zu und beſchränkt nur deſſen Ausübung.

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Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876, S. 394. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht01_1876/414>, abgerufen am 22.11.2024.