Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876.

Bild:
<< vorherige Seite

§. 37. Der Begriff der Reichsbeamten.
waltung und die Ernennung der Militärbeamten den Einzelstaaten
überlassen, soweit nicht besondere Conventionen ein Anderes be-
stimmen. (Art. 66.) Trotzdem sind diese Beamten dem Reichs-
beamten-Gesetz unterworfen, wofern sie "nach Vorschrift der Reichs-
verfassung den Anordnungen des Kaisers Folge zu leisten ver-
pflichtet sind." Durch diese Klausel werden ausgenommen die Post-
und Telegraphenbeamten in Bayern und Württemberg und die
Militärbeamten in Bayern, wegen der diesen Staaten verfassungs-
mäßig eingeräumten Sonderrechte hinsichtlich der Post- und Tele-
graphen-Verwaltung und resp. Heeresverwaltung.

Der Art. 50 der Reichs-Verfassung enthält ausdrücklich die
Bestimmung, daß sämmtliche Beamte der Post- und Telegra-
phenverwaltung verpflichtet sind, den Kaiserlichen Anordnungen
Folge zu leisten. Dagegen findet sich eine ähnliche Bestimmung
hinsichtlich der Militärbeamten in der Reichs-Verfassung nicht.
Der Art. 63 überträgt dem Kaiser in Krieg und Frieden den
"Befehl" über die gesammte Landmacht des Reiches und Art. 64
verpflichtet alle "Deutschen Truppen" den Befehlen des Kaisers
unbedingte Folge zu leisten. Der militärische Oberbefehl ist aber
nicht identisch mit der Leitung der Verwaltung des Heerwesens.
Dessen ungeachtet ist es zweifellos, daß die Gesetze vom 2. Juni
1869 und 31. März 1873 auf die Militärbeamten (ausgenommen
die bayerischen) Anwendung finden 1).

Unter die Anordnungen des Reichsbeamtengesetzes gehören

(Stenogr. Ber. S. 556). Ferner in einem Erlaß des Preuß. Ministers des
Innern vom 9. Juli 1869 (Min.-Bl. für die Preuß. innere Verwaltung 1869
S. 161.) In demselben Sinne hat das Preuß. Kammergericht entschieden
durch Urtheil vom 1. November 1869 (in demselben Minist.-Blatt 1870 S. 52).
Nach Erlaß des Reichsbeamten-Gesetzes ist derselbe Satz mit seinen Con-
sequenzen festgehalten worden von dem Kaiserl. Disciplinarhofe in
der Entscheidung vom 2. April 1874 (Centralbl. für das Deutsche Reich 1874
S. 145 fg.) Der II. Senat des Reichs-Oberhandelsger. hat zwar in dem
Urth. vom 5. März 1874 (Entscheidungen Bd. 13 S. 29 ff.) ausgeführt, daß
mit dem Tage der Gesetzeskraft des Gesetzes vom 31. März 1873 die nicht
vom Kaiser ernannten Postbeamten Reichsbeamte wurden; aber es ist hier die
Einschränkung hinzuzufügen: "im Sinne dieses Gesetzes."
1) Vgl. die Motive von 1872 S. 30. Das R.-G. vom 31. März 1873
§. 120 ff. erwähnt sie ausdrücklich; ebenso das Verz. der Reichsbeamten vom
30. Juni 1873 (R.-G.-Bl. S. 169); vgl. ferner die Verordn. v. 5. Juli 1871
(R.-G.-Bl. S. 308) u. s. w.

§. 37. Der Begriff der Reichsbeamten.
waltung und die Ernennung der Militärbeamten den Einzelſtaaten
überlaſſen, ſoweit nicht beſondere Conventionen ein Anderes be-
ſtimmen. (Art. 66.) Trotzdem ſind dieſe Beamten dem Reichs-
beamten-Geſetz unterworfen, wofern ſie „nach Vorſchrift der Reichs-
verfaſſung den Anordnungen des Kaiſers Folge zu leiſten ver-
pflichtet ſind.“ Durch dieſe Klauſel werden ausgenommen die Poſt-
und Telegraphenbeamten in Bayern und Württemberg und die
Militärbeamten in Bayern, wegen der dieſen Staaten verfaſſungs-
mäßig eingeräumten Sonderrechte hinſichtlich der Poſt- und Tele-
graphen-Verwaltung und reſp. Heeresverwaltung.

Der Art. 50 der Reichs-Verfaſſung enthält ausdrücklich die
Beſtimmung, daß ſämmtliche Beamte der Poſt- und Telegra-
phenverwaltung verpflichtet ſind, den Kaiſerlichen Anordnungen
Folge zu leiſten. Dagegen findet ſich eine ähnliche Beſtimmung
hinſichtlich der Militärbeamten in der Reichs-Verfaſſung nicht.
Der Art. 63 überträgt dem Kaiſer in Krieg und Frieden den
„Befehl“ über die geſammte Landmacht des Reiches und Art. 64
verpflichtet alle „Deutſchen Truppen“ den Befehlen des Kaiſers
unbedingte Folge zu leiſten. Der militäriſche Oberbefehl iſt aber
nicht identiſch mit der Leitung der Verwaltung des Heerweſens.
Deſſen ungeachtet iſt es zweifellos, daß die Geſetze vom 2. Juni
1869 und 31. März 1873 auf die Militärbeamten (ausgenommen
die bayeriſchen) Anwendung finden 1).

Unter die Anordnungen des Reichsbeamtengeſetzes gehören

(Stenogr. Ber. S. 556). Ferner in einem Erlaß des Preuß. Miniſters des
Innern vom 9. Juli 1869 (Min.-Bl. für die Preuß. innere Verwaltung 1869
S. 161.) In demſelben Sinne hat das Preuß. Kammergericht entſchieden
durch Urtheil vom 1. November 1869 (in demſelben Miniſt.-Blatt 1870 S. 52).
Nach Erlaß des Reichsbeamten-Geſetzes iſt derſelbe Satz mit ſeinen Con-
ſequenzen feſtgehalten worden von dem Kaiſerl. Disciplinarhofe in
der Entſcheidung vom 2. April 1874 (Centralbl. für das Deutſche Reich 1874
S. 145 fg.) Der II. Senat des Reichs-Oberhandelsger. hat zwar in dem
Urth. vom 5. März 1874 (Entſcheidungen Bd. 13 S. 29 ff.) ausgeführt, daß
mit dem Tage der Geſetzeskraft des Geſetzes vom 31. März 1873 die nicht
vom Kaiſer ernannten Poſtbeamten Reichsbeamte wurden; aber es iſt hier die
Einſchränkung hinzuzufügen: „im Sinne dieſes Geſetzes.“
1) Vgl. die Motive von 1872 S. 30. Das R.-G. vom 31. März 1873
§. 120 ff. erwähnt ſie ausdrücklich; ebenſo das Verz. der Reichsbeamten vom
30. Juni 1873 (R.-G.-Bl. S. 169); vgl. ferner die Verordn. v. 5. Juli 1871
(R.-G.-Bl. S. 308) u. ſ. w.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0419" n="399"/><fw place="top" type="header">§. 37. Der Begriff der Reichsbeamten.</fw><lb/>
waltung und die Ernennung der Militärbeamten den Einzel&#x017F;taaten<lb/>
überla&#x017F;&#x017F;en, &#x017F;oweit nicht be&#x017F;ondere Conventionen ein Anderes be-<lb/>
&#x017F;timmen. (Art. 66.) Trotzdem &#x017F;ind die&#x017F;e Beamten dem Reichs-<lb/>
beamten-Ge&#x017F;etz unterworfen, wofern &#x017F;ie &#x201E;nach Vor&#x017F;chrift der Reichs-<lb/>
verfa&#x017F;&#x017F;ung den Anordnungen des Kai&#x017F;ers Folge zu lei&#x017F;ten ver-<lb/>
pflichtet &#x017F;ind.&#x201C; Durch die&#x017F;e Klau&#x017F;el werden ausgenommen die Po&#x017F;t-<lb/>
und Telegraphenbeamten in Bayern und Württemberg und die<lb/>
Militärbeamten in Bayern, wegen der die&#x017F;en Staaten verfa&#x017F;&#x017F;ungs-<lb/>
mäßig eingeräumten Sonderrechte hin&#x017F;ichtlich der Po&#x017F;t- und Tele-<lb/>
graphen-Verwaltung und re&#x017F;p. Heeresverwaltung.</p><lb/>
              <p>Der Art. 50 der Reichs-Verfa&#x017F;&#x017F;ung enthält ausdrücklich die<lb/>
Be&#x017F;timmung, daß <hi rendition="#g">&#x017F;ämmtliche</hi> Beamte der Po&#x017F;t- und Telegra-<lb/>
phenverwaltung verpflichtet &#x017F;ind, den Kai&#x017F;erlichen Anordnungen<lb/>
Folge zu lei&#x017F;ten. Dagegen findet &#x017F;ich eine ähnliche Be&#x017F;timmung<lb/>
hin&#x017F;ichtlich der Militärbeamten in der Reichs-Verfa&#x017F;&#x017F;ung nicht.<lb/>
Der Art. 63 überträgt dem Kai&#x017F;er in Krieg und Frieden den<lb/>
&#x201E;Befehl&#x201C; über die ge&#x017F;ammte Landmacht des Reiches und Art. 64<lb/>
verpflichtet alle &#x201E;Deut&#x017F;chen Truppen&#x201C; den Befehlen des Kai&#x017F;ers<lb/>
unbedingte Folge zu lei&#x017F;ten. Der militäri&#x017F;che Oberbefehl i&#x017F;t aber<lb/>
nicht identi&#x017F;ch mit der Leitung der Verwaltung des Heerwe&#x017F;ens.<lb/>
De&#x017F;&#x017F;en ungeachtet i&#x017F;t es zweifellos, daß die Ge&#x017F;etze vom 2. Juni<lb/>
1869 und 31. März 1873 auf die Militärbeamten (ausgenommen<lb/>
die bayeri&#x017F;chen) Anwendung finden <note place="foot" n="1)">Vgl. die Motive von 1872 S. 30. Das R.-G. vom 31. März 1873<lb/>
§. 120 ff. erwähnt &#x017F;ie ausdrücklich; eben&#x017F;o das Verz. der Reichsbeamten vom<lb/>
30. Juni 1873 (R.-G.-Bl. S. 169); vgl. ferner die Verordn. v. 5. Juli 1871<lb/>
(R.-G.-Bl. S. 308) u. &#x017F;. w.</note>.</p><lb/>
              <p>Unter die Anordnungen des Reichsbeamtenge&#x017F;etzes gehören<lb/><note xml:id="seg2pn_45_2" prev="#seg2pn_45_1" place="foot" n="2)">(Stenogr. Ber. S. 556). Ferner in einem Erlaß des Preuß. Mini&#x017F;ters des<lb/>
Innern vom 9. Juli 1869 (Min.-Bl. für die Preuß. innere Verwaltung 1869<lb/>
S. 161.) In dem&#x017F;elben Sinne hat das Preuß. Kammergericht ent&#x017F;chieden<lb/>
durch Urtheil vom 1. November 1869 (in dem&#x017F;elben Mini&#x017F;t.-Blatt 1870 S. 52).<lb/><hi rendition="#g">Nach Erlaß</hi> des Reichsbeamten-Ge&#x017F;etzes i&#x017F;t der&#x017F;elbe Satz mit &#x017F;einen Con-<lb/>
&#x017F;equenzen fe&#x017F;tgehalten worden von dem <hi rendition="#g">Kai&#x017F;erl. Disciplinarhofe</hi> in<lb/>
der Ent&#x017F;cheidung vom 2. April 1874 (Centralbl. für das Deut&#x017F;che Reich 1874<lb/>
S. 145 fg.) Der <hi rendition="#aq">II.</hi> Senat des Reichs-Oberhandelsger. hat zwar in dem<lb/>
Urth. vom 5. März 1874 (Ent&#x017F;cheidungen Bd. 13 S. 29 ff.) ausgeführt, daß<lb/>
mit dem Tage der Ge&#x017F;etzeskraft des Ge&#x017F;etzes vom 31. März 1873 die nicht<lb/>
vom Kai&#x017F;er ernannten Po&#x017F;tbeamten Reichsbeamte wurden; aber es i&#x017F;t hier die<lb/>
Ein&#x017F;chränkung hinzuzufügen: &#x201E;im Sinne die&#x017F;es Ge&#x017F;etzes.&#x201C;</note><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[399/0419] §. 37. Der Begriff der Reichsbeamten. waltung und die Ernennung der Militärbeamten den Einzelſtaaten überlaſſen, ſoweit nicht beſondere Conventionen ein Anderes be- ſtimmen. (Art. 66.) Trotzdem ſind dieſe Beamten dem Reichs- beamten-Geſetz unterworfen, wofern ſie „nach Vorſchrift der Reichs- verfaſſung den Anordnungen des Kaiſers Folge zu leiſten ver- pflichtet ſind.“ Durch dieſe Klauſel werden ausgenommen die Poſt- und Telegraphenbeamten in Bayern und Württemberg und die Militärbeamten in Bayern, wegen der dieſen Staaten verfaſſungs- mäßig eingeräumten Sonderrechte hinſichtlich der Poſt- und Tele- graphen-Verwaltung und reſp. Heeresverwaltung. Der Art. 50 der Reichs-Verfaſſung enthält ausdrücklich die Beſtimmung, daß ſämmtliche Beamte der Poſt- und Telegra- phenverwaltung verpflichtet ſind, den Kaiſerlichen Anordnungen Folge zu leiſten. Dagegen findet ſich eine ähnliche Beſtimmung hinſichtlich der Militärbeamten in der Reichs-Verfaſſung nicht. Der Art. 63 überträgt dem Kaiſer in Krieg und Frieden den „Befehl“ über die geſammte Landmacht des Reiches und Art. 64 verpflichtet alle „Deutſchen Truppen“ den Befehlen des Kaiſers unbedingte Folge zu leiſten. Der militäriſche Oberbefehl iſt aber nicht identiſch mit der Leitung der Verwaltung des Heerweſens. Deſſen ungeachtet iſt es zweifellos, daß die Geſetze vom 2. Juni 1869 und 31. März 1873 auf die Militärbeamten (ausgenommen die bayeriſchen) Anwendung finden 1). Unter die Anordnungen des Reichsbeamtengeſetzes gehören 2) 1) Vgl. die Motive von 1872 S. 30. Das R.-G. vom 31. März 1873 §. 120 ff. erwähnt ſie ausdrücklich; ebenſo das Verz. der Reichsbeamten vom 30. Juni 1873 (R.-G.-Bl. S. 169); vgl. ferner die Verordn. v. 5. Juli 1871 (R.-G.-Bl. S. 308) u. ſ. w. 2) (Stenogr. Ber. S. 556). Ferner in einem Erlaß des Preuß. Miniſters des Innern vom 9. Juli 1869 (Min.-Bl. für die Preuß. innere Verwaltung 1869 S. 161.) In demſelben Sinne hat das Preuß. Kammergericht entſchieden durch Urtheil vom 1. November 1869 (in demſelben Miniſt.-Blatt 1870 S. 52). Nach Erlaß des Reichsbeamten-Geſetzes iſt derſelbe Satz mit ſeinen Con- ſequenzen feſtgehalten worden von dem Kaiſerl. Disciplinarhofe in der Entſcheidung vom 2. April 1874 (Centralbl. für das Deutſche Reich 1874 S. 145 fg.) Der II. Senat des Reichs-Oberhandelsger. hat zwar in dem Urth. vom 5. März 1874 (Entſcheidungen Bd. 13 S. 29 ff.) ausgeführt, daß mit dem Tage der Geſetzeskraft des Geſetzes vom 31. März 1873 die nicht vom Kaiſer ernannten Poſtbeamten Reichsbeamte wurden; aber es iſt hier die Einſchränkung hinzuzufügen: „im Sinne dieſes Geſetzes.“

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht01_1876
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht01_1876/419
Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876, S. 399. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht01_1876/419>, abgerufen am 22.11.2024.