Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876.§. 41. Die Rechtsfolgen der Pflichtverletzung. hältnisses am reinsten zum Ausdruck. Wenn man von der obendargelegten Auffassung des Anstellungs-Vertrages ausgeht, so er- giebt sich von selbst der Rechtsgrund, der Inhalt und Umfang und der Zweck der Disciplinargewalt. In der staatsrechtlichen und strafrechtlichen Literatur und in zahlreichen von ihr beeinfluß- ten Gesetzen wird die Disciplinar-Bestrafung in Zusammenhang gebracht mit der öffentlichen Strafgewalt und es ergeben sich als- dann große Schwierigkeiten hinsichtlich der Bestimmung des gegen- seitigen Verhältnisses derselben. Das Disciplinarrecht erscheint nach der herrschenden Auffas- 1) Von Einfluß auf die Doctrin wurde insbesondere ein Aufsatz von
Heffter im Neuen Arch. des Kriminalrechts Bd. 13 (1832) S. 48 ff., wo- selbst Disciplinarvergehen und Vergehen im Amt völlig vermengt sind. Ganz ähnlich Buddeus in Weiske's Rechtslexikon I. S. 220 fg. Ferner Mitter- maier zu Feuerbach's Lehrb. §. 477 Note I. u. IV. (14. Aufl. S. 749 ff.) Berner Lehrb. S. 548 behandelt die Disciplinarvergehen als leichtere, mit Kriminalstrafe verschonte Amtsvergehen. Schütze Lehrb. S. 522 u. in v. Holtzendorff's Rechtslexikon I. S. 62 (2. Aufl.) erklärt ausdrücklich, daß sich Amtsdelicte und Disciplinarvergehen nicht begrifflich oder grundsätzlich unetrscheiden. Auf demselben Standpunkte steht auch Meves in v. Holtzend. Handb. des Strafrechts III. S. 939 fg. Vgl. ferner Bülau im Bluntschli- Brater'schen Staatslex. Bd. III. S. 140 und v. Pölz ebendas. Bd. IX. S. 696 ff., welche zwar die thatsächlichen Unterschiede zwischen Disciplinargewalt und Strafgewalt richtig charakterisiren, beide aber als im Wesentlichen gleich- artig ansehen. §. 41. Die Rechtsfolgen der Pflichtverletzung. hältniſſes am reinſten zum Ausdruck. Wenn man von der obendargelegten Auffaſſung des Anſtellungs-Vertrages ausgeht, ſo er- giebt ſich von ſelbſt der Rechtsgrund, der Inhalt und Umfang und der Zweck der Disciplinargewalt. In der ſtaatsrechtlichen und ſtrafrechtlichen Literatur und in zahlreichen von ihr beeinfluß- ten Geſetzen wird die Disciplinar-Beſtrafung in Zuſammenhang gebracht mit der öffentlichen Strafgewalt und es ergeben ſich als- dann große Schwierigkeiten hinſichtlich der Beſtimmung des gegen- ſeitigen Verhältniſſes derſelben. Das Disciplinarrecht erſcheint nach der herrſchenden Auffaſ- 1) Von Einfluß auf die Doctrin wurde insbeſondere ein Aufſatz von
Heffter im Neuen Arch. des Kriminalrechts Bd. 13 (1832) S. 48 ff., wo- ſelbſt Disciplinarvergehen und Vergehen im Amt völlig vermengt ſind. Ganz ähnlich Buddeus in Weiske’s Rechtslexikon I. S. 220 fg. Ferner Mitter- maier zu Feuerbach’s Lehrb. §. 477 Note I. u. IV. (14. Aufl. S. 749 ff.) Berner Lehrb. S. 548 behandelt die Disciplinarvergehen als leichtere, mit Kriminalſtrafe verſchonte Amtsvergehen. Schütze Lehrb. S. 522 u. in v. Holtzendorff’s Rechtslexikon I. S. 62 (2. Aufl.) erklärt ausdrücklich, daß ſich Amtsdelicte und Disciplinarvergehen nicht begrifflich oder grundſätzlich unetrſcheiden. Auf demſelben Standpunkte ſteht auch Meves in v. Holtzend. Handb. des Strafrechts III. S. 939 fg. Vgl. ferner Bülau im Bluntſchli- Brater’ſchen Staatslex. Bd. III. S. 140 und v. Pölz ebendaſ. Bd. IX. S. 696 ff., welche zwar die thatſächlichen Unterſchiede zwiſchen Disciplinargewalt und Strafgewalt richtig charakteriſiren, beide aber als im Weſentlichen gleich- artig anſehen. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <p><pb facs="#f0468" n="448"/><fw place="top" type="header">§. 41. Die Rechtsfolgen der Pflichtverletzung.</fw><lb/> hältniſſes am reinſten zum Ausdruck. Wenn man von der oben<lb/> dargelegten Auffaſſung des Anſtellungs-Vertrages ausgeht, ſo er-<lb/> giebt ſich von ſelbſt der Rechtsgrund, der Inhalt und Umfang<lb/> und der Zweck der Disciplinargewalt. In der ſtaatsrechtlichen<lb/> und ſtrafrechtlichen Literatur und in zahlreichen von ihr beeinfluß-<lb/> ten Geſetzen wird die Disciplinar-Beſtrafung in Zuſammenhang<lb/> gebracht mit der öffentlichen Strafgewalt und es ergeben ſich als-<lb/> dann große Schwierigkeiten hinſichtlich der Beſtimmung des gegen-<lb/> ſeitigen Verhältniſſes derſelben.</p><lb/> <p>Das Disciplinarrecht erſcheint nach der herrſchenden Auffaſ-<lb/> ſung als ein <hi rendition="#g">Spezial</hi>-Strafrecht für Beamte; Disciplinar-Ver-<lb/> gehen ſind eine Klaſſe von Amts-Vergehen; Disciplinar-Strafen<lb/> treten als Ergänzung zu dem Syſtem der öffentlichen Strafen<lb/> hinzu; das Disciplinar-Verfahren erſcheint als eine Abart des<lb/> Straf-Prozeſſes <note place="foot" n="1)">Von Einfluß auf die Doctrin wurde insbeſondere ein Aufſatz von<lb/><hi rendition="#g">Heffter</hi> im Neuen Arch. des Kriminalrechts Bd. 13 (1832) S. 48 ff., wo-<lb/> ſelbſt Disciplinarvergehen und Vergehen im Amt völlig vermengt ſind. Ganz<lb/> ähnlich <hi rendition="#g">Buddeus</hi> in <hi rendition="#g">Weiske’s</hi> Rechtslexikon <hi rendition="#aq">I.</hi> S. 220 fg. Ferner <hi rendition="#g">Mitter-<lb/> maier</hi> zu <hi rendition="#g">Feuerbach’s</hi> Lehrb. §. 477 Note <hi rendition="#aq">I.</hi> u. <hi rendition="#aq">IV.</hi> (14. Aufl. S. 749 ff.)<lb/><hi rendition="#g">Berner</hi> Lehrb. S. 548 behandelt die Disciplinarvergehen als leichtere, mit<lb/> Kriminalſtrafe verſchonte Amtsvergehen. <hi rendition="#g">Schütze</hi> Lehrb. S. 522 u. in v.<lb/><hi rendition="#g">Holtzendorff’s</hi> Rechtslexikon <hi rendition="#aq">I.</hi> S. 62 (2. Aufl.) erklärt ausdrücklich, daß<lb/> ſich Amtsdelicte und Disciplinarvergehen nicht begrifflich oder grundſätzlich<lb/> unetrſcheiden. Auf demſelben Standpunkte ſteht auch <hi rendition="#g">Meves</hi> in v. <hi rendition="#g">Holtzend</hi>.<lb/> Handb. des Strafrechts <hi rendition="#aq">III.</hi> S. 939 fg. Vgl. ferner <hi rendition="#g">Bülau</hi> im <hi rendition="#g">Bluntſchli-<lb/> Brater’ſchen</hi> Staatslex. Bd. <hi rendition="#aq">III.</hi> S. 140 und v. <hi rendition="#g">Pölz</hi> ebendaſ. Bd. <hi rendition="#aq">IX.</hi><lb/> S. 696 ff., welche zwar die thatſächlichen Unterſchiede zwiſchen Disciplinargewalt<lb/> und Strafgewalt richtig charakteriſiren, beide aber als im Weſentlichen gleich-<lb/> artig anſehen.</note>. Von dieſem Geſichtspunkte aus macht die alte<lb/> Regel <hi rendition="#aq">ne bis in idem</hi> große Schwierigkeiten; denn man kann nur<lb/> in der gezwungenſten Weiſe es erklären, daß ein Beamter wegen<lb/><hi rendition="#g">derſelben</hi> ſtrafbaren Handlung ſowohl kriminell als auch dis-<lb/> ciplinariſch verfolgt und beſtraft werden kann. Nicht minder ſchwie-<lb/> rig iſt es, ſich mit der Lehre von der Strafverjährung abzufinden<lb/> und die Thatſache zu erklären, daß die Verjährung der Strafverfol-<lb/> gung nicht nothwendig die Disciplinar-Beſtrafung ausſchließt. Völlig<lb/> unmöglich aber erſcheint es, zwiſchen den kriminellen Amtsvergehen<lb/> und den Disciplinar-Vergehen eine Gränzlinie aufzuſtellen; beide<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [448/0468]
§. 41. Die Rechtsfolgen der Pflichtverletzung.
hältniſſes am reinſten zum Ausdruck. Wenn man von der oben
dargelegten Auffaſſung des Anſtellungs-Vertrages ausgeht, ſo er-
giebt ſich von ſelbſt der Rechtsgrund, der Inhalt und Umfang
und der Zweck der Disciplinargewalt. In der ſtaatsrechtlichen
und ſtrafrechtlichen Literatur und in zahlreichen von ihr beeinfluß-
ten Geſetzen wird die Disciplinar-Beſtrafung in Zuſammenhang
gebracht mit der öffentlichen Strafgewalt und es ergeben ſich als-
dann große Schwierigkeiten hinſichtlich der Beſtimmung des gegen-
ſeitigen Verhältniſſes derſelben.
Das Disciplinarrecht erſcheint nach der herrſchenden Auffaſ-
ſung als ein Spezial-Strafrecht für Beamte; Disciplinar-Ver-
gehen ſind eine Klaſſe von Amts-Vergehen; Disciplinar-Strafen
treten als Ergänzung zu dem Syſtem der öffentlichen Strafen
hinzu; das Disciplinar-Verfahren erſcheint als eine Abart des
Straf-Prozeſſes 1). Von dieſem Geſichtspunkte aus macht die alte
Regel ne bis in idem große Schwierigkeiten; denn man kann nur
in der gezwungenſten Weiſe es erklären, daß ein Beamter wegen
derſelben ſtrafbaren Handlung ſowohl kriminell als auch dis-
ciplinariſch verfolgt und beſtraft werden kann. Nicht minder ſchwie-
rig iſt es, ſich mit der Lehre von der Strafverjährung abzufinden
und die Thatſache zu erklären, daß die Verjährung der Strafverfol-
gung nicht nothwendig die Disciplinar-Beſtrafung ausſchließt. Völlig
unmöglich aber erſcheint es, zwiſchen den kriminellen Amtsvergehen
und den Disciplinar-Vergehen eine Gränzlinie aufzuſtellen; beide
1) Von Einfluß auf die Doctrin wurde insbeſondere ein Aufſatz von
Heffter im Neuen Arch. des Kriminalrechts Bd. 13 (1832) S. 48 ff., wo-
ſelbſt Disciplinarvergehen und Vergehen im Amt völlig vermengt ſind. Ganz
ähnlich Buddeus in Weiske’s Rechtslexikon I. S. 220 fg. Ferner Mitter-
maier zu Feuerbach’s Lehrb. §. 477 Note I. u. IV. (14. Aufl. S. 749 ff.)
Berner Lehrb. S. 548 behandelt die Disciplinarvergehen als leichtere, mit
Kriminalſtrafe verſchonte Amtsvergehen. Schütze Lehrb. S. 522 u. in v.
Holtzendorff’s Rechtslexikon I. S. 62 (2. Aufl.) erklärt ausdrücklich, daß
ſich Amtsdelicte und Disciplinarvergehen nicht begrifflich oder grundſätzlich
unetrſcheiden. Auf demſelben Standpunkte ſteht auch Meves in v. Holtzend.
Handb. des Strafrechts III. S. 939 fg. Vgl. ferner Bülau im Bluntſchli-
Brater’ſchen Staatslex. Bd. III. S. 140 und v. Pölz ebendaſ. Bd. IX.
S. 696 ff., welche zwar die thatſächlichen Unterſchiede zwiſchen Disciplinargewalt
und Strafgewalt richtig charakteriſiren, beide aber als im Weſentlichen gleich-
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