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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876.

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§. 48. Die Zuständigkeit des Reichstages.

Aber nicht nur bei Abweichungen vom Etat, sondern auch
bei anderen Verwaltungs-Angelegenheiten von finanzieller Bedeu-
tung ist dieselbe Form zur Anwendung gelangt. So erfordert
z. B. das Bankgesetz v. 14. März 1875 §. 41 (R.-G.-Bl. S. 189)
zur Verlängerung des Privilegiums der Reichsbank über den 1.
Januar 1891 hinaus, d. h. zur Unterlassung der Kündi-
gung
, die "Zustimmung" des Reichstages. Auch das Ges. v.
5. Juni 1869 über die Aufhebung der Portofreiheiten §. 13 Abs.
2 (B.-G.Bl. S. 143) überließ die Bestimmungen über die Be-
rechnung und Verwendung der dadurch erwachsenden Postüber-
schüsse der "Verständigung" im Bundesrathe "unter Zustimmung
des Reichstages", es wurde also die Form der Gesetzgebung für
nicht erforderlich erklärt, wohl aber die Uebereinstimmung von
Bundesrath und Reichstag 1).

3) Ein ferneres Gebiet für die Anwendung der "Genehmigung"
liefern die Verordnungen, welche mit interimistischer Gesetzeskraft
erlassen werden. Die Reichsverfassung selbst kennt zwar keine so-
genannten Nothstands-Verordnungen nach Analogie des Art. 63
der Preuß. Verf.-Urk., welcher die Klausel enthält, "daß dieselben
den Kammern bei ihrem nächsten Zusammentritt zur Genehmigung
sofort vorzulegen sind." Wohl aber hat das Ges. v. 25. Juni 1873
über die Einführung der Reichsverf. in Elsaß-Lothringen §. 8
(R.-G.-Bl. S. 162) dem Kaiser das Recht beigelegt, unter Zu-
stimmung des Bundesrathes, während der Reichstag nicht ver-
sammelt ist, Verordnungen mit gesetzlicher Kraft zu erlassen, und
hinsichtlich derselben die Anordnung getroffen, daß sie dem Reichs-
tage bei dessen nächstem Zusammentritt zur Genehmigung
vorzulegen sind
. Sie treten außer Kraft, sobald die Geneh-
migung versagt wird 2). Es findet also bei diesen Verordnungen

1) In ganz ähnlicher Art bestimmt das Gesetz v. 8. Juli 1872 Art. V.
(R.-G.Bl. S. 291): "Die Feststellung der von den betheiligten Staaten . . . .
liquidirten Beträge erfolgt durch den Bundesrath und den Reichstag." Vgl.
dazu den Bericht der Reichstags-Kommission in den Stenogr. Berichten 1874/5
Anlagen S. 845 ff. (Aktenstück Nro. 89.) Der Reichstag beschloß (Stenogr.
Ber. S. 1189), die liquidirten Beträge "festzustellen"; ein Gesetz darüber
ist nicht ergangen.
2) Die Genehmigung muß pure ertheilt werden. Genehmigung einer
solchen Verordnung unter Abänderung derselben gilt als Verwerfung verbunden
mit der Aufstellung eines neuen Gesetz-Entwurfes. Es ergiebt sich dies aus
Laband, Reichsstaatsrecht. I. 33
§. 48. Die Zuſtändigkeit des Reichstages.

Aber nicht nur bei Abweichungen vom Etat, ſondern auch
bei anderen Verwaltungs-Angelegenheiten von finanzieller Bedeu-
tung iſt dieſelbe Form zur Anwendung gelangt. So erfordert
z. B. das Bankgeſetz v. 14. März 1875 §. 41 (R.-G.-Bl. S. 189)
zur Verlängerung des Privilegiums der Reichsbank über den 1.
Januar 1891 hinaus, d. h. zur Unterlaſſung der Kündi-
gung
, die „Zuſtimmung“ des Reichstages. Auch das Geſ. v.
5. Juni 1869 über die Aufhebung der Portofreiheiten §. 13 Abſ.
2 (B.-G.Bl. S. 143) überließ die Beſtimmungen über die Be-
rechnung und Verwendung der dadurch erwachſenden Poſtüber-
ſchüſſe der „Verſtändigung“ im Bundesrathe „unter Zuſtimmung
des Reichstages“, es wurde alſo die Form der Geſetzgebung für
nicht erforderlich erklärt, wohl aber die Uebereinſtimmung von
Bundesrath und Reichstag 1).

3) Ein ferneres Gebiet für die Anwendung der „Genehmigung“
liefern die Verordnungen, welche mit interimiſtiſcher Geſetzeskraft
erlaſſen werden. Die Reichsverfaſſung ſelbſt kennt zwar keine ſo-
genannten Nothſtands-Verordnungen nach Analogie des Art. 63
der Preuß. Verf.-Urk., welcher die Klauſel enthält, „daß dieſelben
den Kammern bei ihrem nächſten Zuſammentritt zur Genehmigung
ſofort vorzulegen ſind.“ Wohl aber hat das Geſ. v. 25. Juni 1873
über die Einführung der Reichsverf. in Elſaß-Lothringen §. 8
(R.-G.-Bl. S. 162) dem Kaiſer das Recht beigelegt, unter Zu-
ſtimmung des Bundesrathes, während der Reichstag nicht ver-
ſammelt iſt, Verordnungen mit geſetzlicher Kraft zu erlaſſen, und
hinſichtlich derſelben die Anordnung getroffen, daß ſie dem Reichs-
tage bei deſſen nächſtem Zuſammentritt zur Genehmigung
vorzulegen ſind
. Sie treten außer Kraft, ſobald die Geneh-
migung verſagt wird 2). Es findet alſo bei dieſen Verordnungen

1) In ganz ähnlicher Art beſtimmt das Geſetz v. 8. Juli 1872 Art. V.
(R.-G.Bl. S. 291): „Die Feſtſtellung der von den betheiligten Staaten . . . .
liquidirten Beträge erfolgt durch den Bundesrath und den Reichstag.“ Vgl.
dazu den Bericht der Reichstags-Kommiſſion in den Stenogr. Berichten 1874/5
Anlagen S. 845 ff. (Aktenſtück Nro. 89.) Der Reichstag beſchloß (Stenogr.
Ber. S. 1189), die liquidirten Beträge „feſtzuſtellen“; ein Geſetz darüber
iſt nicht ergangen.
2) Die Genehmigung muß pure ertheilt werden. Genehmigung einer
ſolchen Verordnung unter Abänderung derſelben gilt als Verwerfung verbunden
mit der Aufſtellung eines neuen Geſetz-Entwurfes. Es ergiebt ſich dies aus
Laband, Reichsſtaatsrecht. I. 33
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[513/0533] §. 48. Die Zuſtändigkeit des Reichstages. Aber nicht nur bei Abweichungen vom Etat, ſondern auch bei anderen Verwaltungs-Angelegenheiten von finanzieller Bedeu- tung iſt dieſelbe Form zur Anwendung gelangt. So erfordert z. B. das Bankgeſetz v. 14. März 1875 §. 41 (R.-G.-Bl. S. 189) zur Verlängerung des Privilegiums der Reichsbank über den 1. Januar 1891 hinaus, d. h. zur Unterlaſſung der Kündi- gung, die „Zuſtimmung“ des Reichstages. Auch das Geſ. v. 5. Juni 1869 über die Aufhebung der Portofreiheiten §. 13 Abſ. 2 (B.-G.Bl. S. 143) überließ die Beſtimmungen über die Be- rechnung und Verwendung der dadurch erwachſenden Poſtüber- ſchüſſe der „Verſtändigung“ im Bundesrathe „unter Zuſtimmung des Reichstages“, es wurde alſo die Form der Geſetzgebung für nicht erforderlich erklärt, wohl aber die Uebereinſtimmung von Bundesrath und Reichstag 1). 3) Ein ferneres Gebiet für die Anwendung der „Genehmigung“ liefern die Verordnungen, welche mit interimiſtiſcher Geſetzeskraft erlaſſen werden. Die Reichsverfaſſung ſelbſt kennt zwar keine ſo- genannten Nothſtands-Verordnungen nach Analogie des Art. 63 der Preuß. Verf.-Urk., welcher die Klauſel enthält, „daß dieſelben den Kammern bei ihrem nächſten Zuſammentritt zur Genehmigung ſofort vorzulegen ſind.“ Wohl aber hat das Geſ. v. 25. Juni 1873 über die Einführung der Reichsverf. in Elſaß-Lothringen §. 8 (R.-G.-Bl. S. 162) dem Kaiſer das Recht beigelegt, unter Zu- ſtimmung des Bundesrathes, während der Reichstag nicht ver- ſammelt iſt, Verordnungen mit geſetzlicher Kraft zu erlaſſen, und hinſichtlich derſelben die Anordnung getroffen, daß ſie dem Reichs- tage bei deſſen nächſtem Zuſammentritt zur Genehmigung vorzulegen ſind. Sie treten außer Kraft, ſobald die Geneh- migung verſagt wird 2). Es findet alſo bei dieſen Verordnungen 1) In ganz ähnlicher Art beſtimmt das Geſetz v. 8. Juli 1872 Art. V. (R.-G.Bl. S. 291): „Die Feſtſtellung der von den betheiligten Staaten . . . . liquidirten Beträge erfolgt durch den Bundesrath und den Reichstag.“ Vgl. dazu den Bericht der Reichstags-Kommiſſion in den Stenogr. Berichten 1874/5 Anlagen S. 845 ff. (Aktenſtück Nro. 89.) Der Reichstag beſchloß (Stenogr. Ber. S. 1189), die liquidirten Beträge „feſtzuſtellen“; ein Geſetz darüber iſt nicht ergangen. 2) Die Genehmigung muß pure ertheilt werden. Genehmigung einer ſolchen Verordnung unter Abänderung derſelben gilt als Verwerfung verbunden mit der Aufſtellung eines neuen Geſetz-Entwurfes. Es ergiebt ſich dies aus Laband, Reichsſtaatsrecht. I. 33

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Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876, S. 513. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht01_1876/533>, abgerufen am 22.11.2024.