Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876.§. 48. Die Zuständigkeit des Reichstages. durch die Ertheilung der Genehmigung formell keine Verwandlungin Gesetze statt; sie werden namentlich nicht nochmals als Gesetze publizirt; sie bleiben Verordnungen, die der Kaiser mit Zustim- mung des Bundesrathes erlassen hat. Formell ganz getrennt von ihnen steht die Resolution des Reichstages, welche die Genehmigung ausspricht; durch den Reichskanzler wird im Gesetzblatt für Elsaß- Lothringen lediglich bekannt gemacht, daß die Genehmigung ertheit worden ist 1). Anderseits sind sie nur erlassen unter dem Vor- behalt der Genehmigung; die Versagung derselben entzieht ihnen analog dem Eintritt einer ex nunc wirkenden Resolutivbedingung die Gesetzeskraft. In einzelnen Fällen ist auch für die Reichsgesetzgebung eine 4) Ein besonders deutliches Beispiel für den Unterschied zwi- dem formalen Charakter der Genehmigung. Vgl. Stenogr. Berichte des Reichs- tages v. 1874/5 S. 123 fg. 139. 141. 1) Vgl. Verordn. v. 17. Sept. 1874 über die Geschäftssprache der Gerichte
(Gesetzbl. f. E.-L. S. 31) und dazu die Bekanntmachung vom 15. November 1874 (ebendas. S. 52.) Verordn. v. 5. März 1875 (Gesetzbl. S. 61.) und dazu die Bekanntmachung vom 10. Novemb. 1875 (ebendas. S. 188). §. 48. Die Zuſtändigkeit des Reichstages. durch die Ertheilung der Genehmigung formell keine Verwandlungin Geſetze ſtatt; ſie werden namentlich nicht nochmals als Geſetze publizirt; ſie bleiben Verordnungen, die der Kaiſer mit Zuſtim- mung des Bundesrathes erlaſſen hat. Formell ganz getrennt von ihnen ſteht die Reſolution des Reichstages, welche die Genehmigung ausſpricht; durch den Reichskanzler wird im Geſetzblatt für Elſaß- Lothringen lediglich bekannt gemacht, daß die Genehmigung ertheit worden iſt 1). Anderſeits ſind ſie nur erlaſſen unter dem Vor- behalt der Genehmigung; die Verſagung derſelben entzieht ihnen analog dem Eintritt einer ex nunc wirkenden Reſolutivbedingung die Geſetzeskraft. In einzelnen Fällen iſt auch für die Reichsgeſetzgebung eine 4) Ein beſonders deutliches Beiſpiel für den Unterſchied zwi- dem formalen Charakter der Genehmigung. Vgl. Stenogr. Berichte des Reichs- tages v. 1874/5 S. 123 fg. 139. 141. 1) Vgl. Verordn. v. 17. Sept. 1874 über die Geſchäftsſprache der Gerichte
(Geſetzbl. f. E.-L. S. 31) und dazu die Bekanntmachung vom 15. November 1874 (ebendaſ. S. 52.) Verordn. v. 5. März 1875 (Geſetzbl. S. 61.) und dazu die Bekanntmachung vom 10. Novemb. 1875 (ebendaſ. S. 188). <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0534" n="514"/><fw place="top" type="header">§. 48. Die Zuſtändigkeit des Reichstages.</fw><lb/> durch die Ertheilung der Genehmigung formell keine Verwandlung<lb/> in Geſetze ſtatt; ſie werden namentlich nicht nochmals als Geſetze<lb/> publizirt; ſie bleiben Verordnungen, die der Kaiſer mit Zuſtim-<lb/> mung des Bundesrathes erlaſſen hat. Formell ganz getrennt von<lb/> ihnen ſteht die Reſolution des Reichstages, welche die Genehmigung<lb/> ausſpricht; durch den Reichskanzler wird im Geſetzblatt für Elſaß-<lb/> Lothringen lediglich bekannt gemacht, daß die Genehmigung ertheit<lb/> worden iſt <note place="foot" n="1)">Vgl. Verordn. v. 17. Sept. 1874 über die Geſchäftsſprache der Gerichte<lb/> (Geſetzbl. f. E.-L. S. 31) und dazu die Bekanntmachung vom 15. November<lb/> 1874 (ebendaſ. S. 52.) Verordn. v. 5. März 1875 (Geſetzbl. S. 61.) und<lb/> dazu die Bekanntmachung vom 10. Novemb. 1875 (ebendaſ. S. 188).</note>. Anderſeits ſind ſie nur erlaſſen unter dem Vor-<lb/> behalt der Genehmigung; die Verſagung derſelben entzieht ihnen<lb/> analog dem Eintritt einer <hi rendition="#aq">ex nunc</hi> wirkenden Reſolutivbedingung<lb/> die Geſetzeskraft.</p><lb/> <p>In einzelnen Fällen iſt auch für die Reichsgeſetzgebung eine<lb/> ähnliche Anordnung getroffen. So ermächtigt z. B. das Brau-<lb/> ſteuer-Geſetz v. 31. Mai 1872 §. 1. den Bundesrath „vorbehaltlich<lb/> der nachträglichen Genehmigung des Reichstages“ den gewöhnlichen<lb/> Steuerſatz von 1 Thlr. 10 Sgr. von Malzſurrogaten für einzelne<lb/> Stoffe nach Maßgabe ihres Brauwerthes zu ermäßigen.</p><lb/> <p>4) Ein beſonders deutliches Beiſpiel für den Unterſchied zwi-<lb/> ſchen der Form des Geſetzes und der der Genehmigung des Reichs-<lb/> tages liefert ferner das <hi rendition="#g">Wahlgeſetz</hi> vom 31. Mai 1869. Im<lb/> §. 15 iſt dem Bundesrath der Erlaß des Wahlreglements über-<lb/> tragen; daſſelbe iſt eine Ausführungs-Verordnung zum Wahlge-<lb/> ſetz. Auch die Abänderung deſſelben kann daher in der <hi rendition="#g">Form</hi><lb/> der Verordnung erfolgen. Aber §. 15 Abſ. 2 des Wahlgeſetzes<lb/> beſtimmt, daß das Wahlreglement nur <hi rendition="#g">unter Zuſtimmung</hi><lb/> des Reichstages abgeändert werden kann. Das heißt nicht, daß<lb/> die Abänderung durch ein <hi rendition="#g">Reichsgeſetz</hi> erfolgen müſſe, eine<lb/> Bundesraths-Verordn. iſt vielmehr ausreichend, und auch die eigent-<lb/> lich angemeſſene correcte Form. Jedoch darf der Bundesrath eine<lb/> ſolche Verordnung nur erlaſſen, nachdem der Reichstag zu dem<lb/> Inhalt derſelben ſeine Genehmigung ertheilt hat. Dagegen ent-<lb/> hält §. 6 des Wahlgeſetzes die Anordnung, daß ein <hi rendition="#g">Reichsge-</hi><lb/><note xml:id="seg2pn_59_2" prev="#seg2pn_59_1" place="foot" n="2)">dem formalen Charakter der Genehmigung. Vgl. Stenogr. Berichte des Reichs-<lb/> tages v. 1874/5 S. 123 fg. 139. 141.</note><lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [514/0534]
§. 48. Die Zuſtändigkeit des Reichstages.
durch die Ertheilung der Genehmigung formell keine Verwandlung
in Geſetze ſtatt; ſie werden namentlich nicht nochmals als Geſetze
publizirt; ſie bleiben Verordnungen, die der Kaiſer mit Zuſtim-
mung des Bundesrathes erlaſſen hat. Formell ganz getrennt von
ihnen ſteht die Reſolution des Reichstages, welche die Genehmigung
ausſpricht; durch den Reichskanzler wird im Geſetzblatt für Elſaß-
Lothringen lediglich bekannt gemacht, daß die Genehmigung ertheit
worden iſt 1). Anderſeits ſind ſie nur erlaſſen unter dem Vor-
behalt der Genehmigung; die Verſagung derſelben entzieht ihnen
analog dem Eintritt einer ex nunc wirkenden Reſolutivbedingung
die Geſetzeskraft.
In einzelnen Fällen iſt auch für die Reichsgeſetzgebung eine
ähnliche Anordnung getroffen. So ermächtigt z. B. das Brau-
ſteuer-Geſetz v. 31. Mai 1872 §. 1. den Bundesrath „vorbehaltlich
der nachträglichen Genehmigung des Reichstages“ den gewöhnlichen
Steuerſatz von 1 Thlr. 10 Sgr. von Malzſurrogaten für einzelne
Stoffe nach Maßgabe ihres Brauwerthes zu ermäßigen.
4) Ein beſonders deutliches Beiſpiel für den Unterſchied zwi-
ſchen der Form des Geſetzes und der der Genehmigung des Reichs-
tages liefert ferner das Wahlgeſetz vom 31. Mai 1869. Im
§. 15 iſt dem Bundesrath der Erlaß des Wahlreglements über-
tragen; daſſelbe iſt eine Ausführungs-Verordnung zum Wahlge-
ſetz. Auch die Abänderung deſſelben kann daher in der Form
der Verordnung erfolgen. Aber §. 15 Abſ. 2 des Wahlgeſetzes
beſtimmt, daß das Wahlreglement nur unter Zuſtimmung
des Reichstages abgeändert werden kann. Das heißt nicht, daß
die Abänderung durch ein Reichsgeſetz erfolgen müſſe, eine
Bundesraths-Verordn. iſt vielmehr ausreichend, und auch die eigent-
lich angemeſſene correcte Form. Jedoch darf der Bundesrath eine
ſolche Verordnung nur erlaſſen, nachdem der Reichstag zu dem
Inhalt derſelben ſeine Genehmigung ertheilt hat. Dagegen ent-
hält §. 6 des Wahlgeſetzes die Anordnung, daß ein Reichsge-
2)
1) Vgl. Verordn. v. 17. Sept. 1874 über die Geſchäftsſprache der Gerichte
(Geſetzbl. f. E.-L. S. 31) und dazu die Bekanntmachung vom 15. November
1874 (ebendaſ. S. 52.) Verordn. v. 5. März 1875 (Geſetzbl. S. 61.) und
dazu die Bekanntmachung vom 10. Novemb. 1875 (ebendaſ. S. 188).
2) dem formalen Charakter der Genehmigung. Vgl. Stenogr. Berichte des Reichs-
tages v. 1874/5 S. 123 fg. 139. 141.
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