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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876.

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§. 49. Die Bildung des Reichstages. Das Wahlrecht.
(B.-G.-Bl. S. 145) gegeben 1). Dasselbe ist in Folge der Bündniß-
Verträge mit den süddeutschen Staaten in den Gebieten derselben
als Reichsgesetz eingeführt 2) und durch den Abs. 2 des Art. 20
der R.-V. hinsichtlich der Zahl der in den süddeutschen Staaten
zu wählenden Abgeordneten ergänzt worden. In der, dem Reichs-
gesetz v. 16. April 1871 entsprechenden Fassung ist sodann das
Wahlgesetz gleichzeitig mit der Reichsverfassung selbst durch das
Ges. v. 25. Juni 1873 §. 6 (R.-G.-Bl. S. 162) in Elsaß-Loth-
ringen eingeführt worden und daselbst am 1. Januar 1874 in
Kraft getreten, indem dasselbe Einführungsgesetz §. 13 die Zahl
der in Elsaß-Lothringen zu wählenden Allgeordneten auf 15 fest-
setzte.

Auf Grund der im §. 15 des Wahlgesetzes ertheilten Ermächti-
gung hat der Bundesrath das Wahlreglement v. 28. Mai
1870 (B.-G.-Bl. S. 275) erlassen. Die durch den Hinzutritt der
süddeutschen Staaten und Elsaß-Lothringens erforderlichen Nach-
träge sind ergangen am 27. Febr. 1871 (R.-G.-Bl. S. 35) und
1. Dez. 1873 (R.-G.-Bl. S. 374 3). Da die Prüfung der Wahlen
dem Reichstage zusteht, so enthalten die Reichstagsverhandlungen
ein sehr umfangreiches Material für die Auslegung und Anwen-
dung des Wahlgesetzes und Wahlreglements, welches in Bezug
auf die Casuistik einen ähnlichen Werth hat, wie Entscheidungen
eines obersten Gerichtshofes, wenngleich der Reichstag bei seinen

1) Dieses Gesetz beruht im Wesentlichen auf dem Reichswahlgesetz vom
12. April 1849, welches in dem Bündniß v. 18. Aug. 1866 als Grundlage
für die Wahlen zum verfassunggebenden Reichstage vereinbart war. Auf dem-
selben beruhen zunächst die Wahlgesetze der Staaten, welche sich zur Gründung
des Nordd. Bundes vereinigt hatten. Siehe oben S. 20 fg. Der Art. 20 der
Verf. des Nordd. Bundes erhielt diese verschiedenen Gesetze in Geltung bis
zum Erlaß eines Reichsgesetzes, welches nunmehr an die Stelle derselben ge-
treten ist.
2) Mit Baden und Hessen vereinbarte Verfassung Art. 80. I. Nro. 13.
Württemb. Vertr. Art. 2 Nro. 6. Bayer. Vertrag III. §. 8. Vgl. Reichsges.
v. 16. April 1871 §. 2. (R.-G.-Bl. S. 63.) Im §. 1 u. §. 4 des Wahlge-
setzes ist in Folge dessen statt "jeder Norddeutsche" "jeder Deutsche" zu ver-
stehen.
3) Außerdem eine redactionelle Abänderung, welche durch eine Verände-
rung der Verwaltungs-Organisation in Lübeck erforderlich wurde, vom 24. Ja-
nuar 1872. (R.-G.Bl. S. 38.)

§. 49. Die Bildung des Reichstages. Das Wahlrecht.
(B.-G.-Bl. S. 145) gegeben 1). Daſſelbe iſt in Folge der Bündniß-
Verträge mit den ſüddeutſchen Staaten in den Gebieten derſelben
als Reichsgeſetz eingeführt 2) und durch den Abſ. 2 des Art. 20
der R.-V. hinſichtlich der Zahl der in den ſüddeutſchen Staaten
zu wählenden Abgeordneten ergänzt worden. In der, dem Reichs-
geſetz v. 16. April 1871 entſprechenden Faſſung iſt ſodann das
Wahlgeſetz gleichzeitig mit der Reichsverfaſſung ſelbſt durch das
Geſ. v. 25. Juni 1873 §. 6 (R.-G.-Bl. S. 162) in Elſaß-Loth-
ringen eingeführt worden und daſelbſt am 1. Januar 1874 in
Kraft getreten, indem daſſelbe Einführungsgeſetz §. 13 die Zahl
der in Elſaß-Lothringen zu wählenden Allgeordneten auf 15 feſt-
ſetzte.

Auf Grund der im §. 15 des Wahlgeſetzes ertheilten Ermächti-
gung hat der Bundesrath das Wahlreglement v. 28. Mai
1870 (B.-G.-Bl. S. 275) erlaſſen. Die durch den Hinzutritt der
ſüddeutſchen Staaten und Elſaß-Lothringens erforderlichen Nach-
träge ſind ergangen am 27. Febr. 1871 (R.-G.-Bl. S. 35) und
1. Dez. 1873 (R.-G.-Bl. S. 374 3). Da die Prüfung der Wahlen
dem Reichstage zuſteht, ſo enthalten die Reichstagsverhandlungen
ein ſehr umfangreiches Material für die Auslegung und Anwen-
dung des Wahlgeſetzes und Wahlreglements, welches in Bezug
auf die Caſuiſtik einen ähnlichen Werth hat, wie Entſcheidungen
eines oberſten Gerichtshofes, wenngleich der Reichstag bei ſeinen

1) Dieſes Geſetz beruht im Weſentlichen auf dem Reichswahlgeſetz vom
12. April 1849, welches in dem Bündniß v. 18. Aug. 1866 als Grundlage
für die Wahlen zum verfaſſunggebenden Reichstage vereinbart war. Auf dem-
ſelben beruhen zunächſt die Wahlgeſetze der Staaten, welche ſich zur Gründung
des Nordd. Bundes vereinigt hatten. Siehe oben S. 20 fg. Der Art. 20 der
Verf. des Nordd. Bundes erhielt dieſe verſchiedenen Geſetze in Geltung bis
zum Erlaß eines Reichsgeſetzes, welches nunmehr an die Stelle derſelben ge-
treten iſt.
2) Mit Baden und Heſſen vereinbarte Verfaſſung Art. 80. I. Nro. 13.
Württemb. Vertr. Art. 2 Nro. 6. Bayer. Vertrag III. §. 8. Vgl. Reichsgeſ.
v. 16. April 1871 §. 2. (R.-G.-Bl. S. 63.) Im §. 1 u. §. 4 des Wahlge-
ſetzes iſt in Folge deſſen ſtatt „jeder Norddeutſche“ „jeder Deutſche“ zu ver-
ſtehen.
3) Außerdem eine redactionelle Abänderung, welche durch eine Verände-
rung der Verwaltungs-Organiſation in Lübeck erforderlich wurde, vom 24. Ja-
nuar 1872. (R.-G.Bl. S. 38.)
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[524/0544] §. 49. Die Bildung des Reichstages. Das Wahlrecht. (B.-G.-Bl. S. 145) gegeben 1). Daſſelbe iſt in Folge der Bündniß- Verträge mit den ſüddeutſchen Staaten in den Gebieten derſelben als Reichsgeſetz eingeführt 2) und durch den Abſ. 2 des Art. 20 der R.-V. hinſichtlich der Zahl der in den ſüddeutſchen Staaten zu wählenden Abgeordneten ergänzt worden. In der, dem Reichs- geſetz v. 16. April 1871 entſprechenden Faſſung iſt ſodann das Wahlgeſetz gleichzeitig mit der Reichsverfaſſung ſelbſt durch das Geſ. v. 25. Juni 1873 §. 6 (R.-G.-Bl. S. 162) in Elſaß-Loth- ringen eingeführt worden und daſelbſt am 1. Januar 1874 in Kraft getreten, indem daſſelbe Einführungsgeſetz §. 13 die Zahl der in Elſaß-Lothringen zu wählenden Allgeordneten auf 15 feſt- ſetzte. Auf Grund der im §. 15 des Wahlgeſetzes ertheilten Ermächti- gung hat der Bundesrath das Wahlreglement v. 28. Mai 1870 (B.-G.-Bl. S. 275) erlaſſen. Die durch den Hinzutritt der ſüddeutſchen Staaten und Elſaß-Lothringens erforderlichen Nach- träge ſind ergangen am 27. Febr. 1871 (R.-G.-Bl. S. 35) und 1. Dez. 1873 (R.-G.-Bl. S. 374 3). Da die Prüfung der Wahlen dem Reichstage zuſteht, ſo enthalten die Reichstagsverhandlungen ein ſehr umfangreiches Material für die Auslegung und Anwen- dung des Wahlgeſetzes und Wahlreglements, welches in Bezug auf die Caſuiſtik einen ähnlichen Werth hat, wie Entſcheidungen eines oberſten Gerichtshofes, wenngleich der Reichstag bei ſeinen 1) Dieſes Geſetz beruht im Weſentlichen auf dem Reichswahlgeſetz vom 12. April 1849, welches in dem Bündniß v. 18. Aug. 1866 als Grundlage für die Wahlen zum verfaſſunggebenden Reichstage vereinbart war. Auf dem- ſelben beruhen zunächſt die Wahlgeſetze der Staaten, welche ſich zur Gründung des Nordd. Bundes vereinigt hatten. Siehe oben S. 20 fg. Der Art. 20 der Verf. des Nordd. Bundes erhielt dieſe verſchiedenen Geſetze in Geltung bis zum Erlaß eines Reichsgeſetzes, welches nunmehr an die Stelle derſelben ge- treten iſt. 2) Mit Baden und Heſſen vereinbarte Verfaſſung Art. 80. I. Nro. 13. Württemb. Vertr. Art. 2 Nro. 6. Bayer. Vertrag III. §. 8. Vgl. Reichsgeſ. v. 16. April 1871 §. 2. (R.-G.-Bl. S. 63.) Im §. 1 u. §. 4 des Wahlge- ſetzes iſt in Folge deſſen ſtatt „jeder Norddeutſche“ „jeder Deutſche“ zu ver- ſtehen. 3) Außerdem eine redactionelle Abänderung, welche durch eine Verände- rung der Verwaltungs-Organiſation in Lübeck erforderlich wurde, vom 24. Ja- nuar 1872. (R.-G.Bl. S. 38.)

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Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876, S. 524. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht01_1876/544>, abgerufen am 22.11.2024.