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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876.

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§. 49. Die Bildung des Reichstages. Das Wahlrecht.
III. Die Zahl der Mitglieder

des Reichstages bestimmt
sich durch den Grundsatz, daß in jedem Bundesstaate auf je 100,000
Seelen der Bevölkerungszahl Ein Abgeordneter gewählt wird. Diese
principielle Regel erleidet aber folgende Modifikationen:

1) Da niemals ein Wahlkreis Gebiete verschiedener Staaten
umfaßt 1), so wird in einem Bundesstaate, dessen Bevölkerung
100,000 Seelen nicht erreicht, Ein Abgeordneter gewählt. Aus
demselben Grunde wird ein Ueberschuß von mindestens 50,000
Seelen der Gesammtbevölkerung eines Bundesstaates vollen 100,000
Seelen gleichgerechnet, während ein Ueberschuß von weniger als
50,000 Seelen unberücksichtigt bleibt 2).

2) In den zum ehemaligen Norddeutschen Bunde gehörigen
Staaten bleibt bis auf weitere gesetzliche Anordnung für die Zahl
der Abgeordneten diejenige Bevölkerungszahl maaßgebend, welche
den Wahlen zum verfassungsgebenden Reichstage zu Grunde gelegen
hat. Wahlges. §. 5. Abs. 1.

In Folge dieser Bestimmung ist für jeden Staat die in dem-
selben zu wählende Zahl von Abgeordneten fixirt, d. h. nicht
von dem Resultate der periodischen Volkszählungen abhängig. Für
die Staaten des Norddeutschen Bundes enthält §. 5 Abs. 2 des
Wahlgesetzes das Register der auf sie kommenden Zahlen 3); die
Gesammt-Summe der Abgeordneten betrug im Norddeutschen
Bunde 297.

3) Diesen im Norddeutschen Bunde zur Geltung gelangten
Grundsätzen entsprechend ist auch für die Süddeutschen Staaten

der Kaiser zugleich König von Preußen ist, ergiebt sich die Verneinung der
Frage. Es ist dies nicht ganz ohne praktische Wichtigkeit; denn wenn es auch
höchst unwahrscheinlich ist, daß jemals ein Wahlkreis den Kaiser oder einen
Landesherrn wählen wird, so können doch eine Anzahl von Stimmzettel für
ihn abgegeben werden und es kann von Bedeutung für das Wahlresultat wer-
den, ob diese Stimmzettel als ungültig zu erklären oder bei der Berech-
nung der absoluten Majorität mit in Ansatz zu bringen sind.
1) Siehe oben S. 502.
2) Wahlges. §. 5 Abs. 1.
3) Nämlich Preußen 235, Sachsen 23, Hessen 3, Mecklenburg-Schwerin 6,
Sachsen-Weimar 3, Mecklenburg-Strelitz 1, Oldenburg 3, Braunschweig 3, Sach-
sen-Meiningen 2, Sachsen-Altenburg 1, Sachsen-Koburg-Gotha 2, Anhalt 2,
Schwarzburg-Rudolstadt 1, Schwarzburg-Sondershausen 1, Waldeck 1, Reuß
ä. L. 1, Reuß j. L. 1, Schaumburg-Lippe 1, Lippe 1, Lauenburg 1, Lübeck 1,
Bremen 1, Hamburg 3.
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§. 49. Die Bildung des Reichstages. Das Wahlrecht.
III. Die Zahl der Mitglieder

des Reichstages beſtimmt
ſich durch den Grundſatz, daß in jedem Bundesſtaate auf je 100,000
Seelen der Bevölkerungszahl Ein Abgeordneter gewählt wird. Dieſe
principielle Regel erleidet aber folgende Modifikationen:

1) Da niemals ein Wahlkreis Gebiete verſchiedener Staaten
umfaßt 1), ſo wird in einem Bundesſtaate, deſſen Bevölkerung
100,000 Seelen nicht erreicht, Ein Abgeordneter gewählt. Aus
demſelben Grunde wird ein Ueberſchuß von mindeſtens 50,000
Seelen der Geſammtbevölkerung eines Bundesſtaates vollen 100,000
Seelen gleichgerechnet, während ein Ueberſchuß von weniger als
50,000 Seelen unberückſichtigt bleibt 2).

2) In den zum ehemaligen Norddeutſchen Bunde gehörigen
Staaten bleibt bis auf weitere geſetzliche Anordnung für die Zahl
der Abgeordneten diejenige Bevölkerungszahl maaßgebend, welche
den Wahlen zum verfaſſungsgebenden Reichstage zu Grunde gelegen
hat. Wahlgeſ. §. 5. Abſ. 1.

In Folge dieſer Beſtimmung iſt für jeden Staat die in dem-
ſelben zu wählende Zahl von Abgeordneten fixirt, d. h. nicht
von dem Reſultate der periodiſchen Volkszählungen abhängig. Für
die Staaten des Norddeutſchen Bundes enthält §. 5 Abſ. 2 des
Wahlgeſetzes das Regiſter der auf ſie kommenden Zahlen 3); die
Geſammt-Summe der Abgeordneten betrug im Norddeutſchen
Bunde 297.

3) Dieſen im Norddeutſchen Bunde zur Geltung gelangten
Grundſätzen entſprechend iſt auch für die Süddeutſchen Staaten

der Kaiſer zugleich König von Preußen iſt, ergiebt ſich die Verneinung der
Frage. Es iſt dies nicht ganz ohne praktiſche Wichtigkeit; denn wenn es auch
höchſt unwahrſcheinlich iſt, daß jemals ein Wahlkreis den Kaiſer oder einen
Landesherrn wählen wird, ſo können doch eine Anzahl von Stimmzettel für
ihn abgegeben werden und es kann von Bedeutung für das Wahlreſultat wer-
den, ob dieſe Stimmzettel als ungültig zu erklären oder bei der Berech-
nung der abſoluten Majorität mit in Anſatz zu bringen ſind.
1) Siehe oben S. 502.
2) Wahlgeſ. §. 5 Abſ. 1.
3) Nämlich Preußen 235, Sachſen 23, Heſſen 3, Mecklenburg-Schwerin 6,
Sachſen-Weimar 3, Mecklenburg-Strelitz 1, Oldenburg 3, Braunſchweig 3, Sach-
ſen-Meiningen 2, Sachſen-Altenburg 1, Sachſen-Koburg-Gotha 2, Anhalt 2,
Schwarzburg-Rudolſtadt 1, Schwarzburg-Sondershauſen 1, Waldeck 1, Reuß
ä. L. 1, Reuß j. L. 1, Schaumburg-Lippe 1, Lippe 1, Lauenburg 1, Lübeck 1,
Bremen 1, Hamburg 3.
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[531/0551] §. 49. Die Bildung des Reichstages. Das Wahlrecht. III. Die Zahl der Mitglieder des Reichstages beſtimmt ſich durch den Grundſatz, daß in jedem Bundesſtaate auf je 100,000 Seelen der Bevölkerungszahl Ein Abgeordneter gewählt wird. Dieſe principielle Regel erleidet aber folgende Modifikationen: 1) Da niemals ein Wahlkreis Gebiete verſchiedener Staaten umfaßt 1), ſo wird in einem Bundesſtaate, deſſen Bevölkerung 100,000 Seelen nicht erreicht, Ein Abgeordneter gewählt. Aus demſelben Grunde wird ein Ueberſchuß von mindeſtens 50,000 Seelen der Geſammtbevölkerung eines Bundesſtaates vollen 100,000 Seelen gleichgerechnet, während ein Ueberſchuß von weniger als 50,000 Seelen unberückſichtigt bleibt 2). 2) In den zum ehemaligen Norddeutſchen Bunde gehörigen Staaten bleibt bis auf weitere geſetzliche Anordnung für die Zahl der Abgeordneten diejenige Bevölkerungszahl maaßgebend, welche den Wahlen zum verfaſſungsgebenden Reichstage zu Grunde gelegen hat. Wahlgeſ. §. 5. Abſ. 1. In Folge dieſer Beſtimmung iſt für jeden Staat die in dem- ſelben zu wählende Zahl von Abgeordneten fixirt, d. h. nicht von dem Reſultate der periodiſchen Volkszählungen abhängig. Für die Staaten des Norddeutſchen Bundes enthält §. 5 Abſ. 2 des Wahlgeſetzes das Regiſter der auf ſie kommenden Zahlen 3); die Geſammt-Summe der Abgeordneten betrug im Norddeutſchen Bunde 297. 3) Dieſen im Norddeutſchen Bunde zur Geltung gelangten Grundſätzen entſprechend iſt auch für die Süddeutſchen Staaten 2) 1) Siehe oben S. 502. 2) Wahlgeſ. §. 5 Abſ. 1. 3) Nämlich Preußen 235, Sachſen 23, Heſſen 3, Mecklenburg-Schwerin 6, Sachſen-Weimar 3, Mecklenburg-Strelitz 1, Oldenburg 3, Braunſchweig 3, Sach- ſen-Meiningen 2, Sachſen-Altenburg 1, Sachſen-Koburg-Gotha 2, Anhalt 2, Schwarzburg-Rudolſtadt 1, Schwarzburg-Sondershauſen 1, Waldeck 1, Reuß ä. L. 1, Reuß j. L. 1, Schaumburg-Lippe 1, Lippe 1, Lauenburg 1, Lübeck 1, Bremen 1, Hamburg 3. 2) der Kaiſer zugleich König von Preußen iſt, ergiebt ſich die Verneinung der Frage. Es iſt dies nicht ganz ohne praktiſche Wichtigkeit; denn wenn es auch höchſt unwahrſcheinlich iſt, daß jemals ein Wahlkreis den Kaiſer oder einen Landesherrn wählen wird, ſo können doch eine Anzahl von Stimmzettel für ihn abgegeben werden und es kann von Bedeutung für das Wahlreſultat wer- den, ob dieſe Stimmzettel als ungültig zu erklären oder bei der Berech- nung der abſoluten Majorität mit in Anſatz zu bringen ſind. 34*

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Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876, S. 531. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht01_1876/551>, abgerufen am 22.11.2024.