Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876.§. 49. Die Bildung des Reichstages. Das Wahlrecht. Prinzipien gemäß auch wirklich gebildet werde. Das durch diein Rede stehenden Vorschriften zu schützende Object ist demnach in erster Reihe nicht die Wahlberechtigung des Einzelnen, sondern die verfassungsmäßige Organisation des Reiches, das allgemeine Wahlrecht als Bestandtheil derselben, als objective Institution des Verfassungsrechts. Hierher gehören folgende Sätze: 1) "Die Wahlberechtigten haben das Recht, zum Betrieb der 1) Wahlges. §. 17 Abs. 1. 2) Wo es gar keine Rechtssätze über Vereine und Versammlungen giebt, ist das sogen. Vereins- und Versammlungsrecht am vollständigsten und unbeschränktesten, weil es eben seinem Inhalte nach überhaupt kein Recht ist. 3) Im Übrigen sind diese Beschränkungen und die auf Verle tzungen der-
selben gesetzten Strafen aufrecht erhalten. Einf.-Ges. zum St.-G.-B. §. 2 Abs. 2. Die Uebertretung solcher Beschränkungen wird hier "Mißbrauch des Vereins- und Versammlungsrechts" genannt. Ebenso Einf.-Ges. für Els.-Lothr. vom 30. Aug. 1871 Art. II. Abs. 2. §. 49. Die Bildung des Reichstages. Das Wahlrecht. Prinzipien gemäß auch wirklich gebildet werde. Das durch diein Rede ſtehenden Vorſchriften zu ſchützende Object iſt demnach in erſter Reihe nicht die Wahlberechtigung des Einzelnen, ſondern die verfaſſungsmäßige Organiſation des Reiches, das allgemeine Wahlrecht als Beſtandtheil derſelben, als objective Inſtitution des Verfaſſungsrechts. Hierher gehören folgende Sätze: 1) „Die Wahlberechtigten haben das Recht, zum Betrieb der 1) Wahlgeſ. §. 17 Abſ. 1. 2) Wo es gar keine Rechtsſätze über Vereine und Verſammlungen giebt, iſt das ſogen. Vereins- und Verſammlungsrecht am vollſtändigſten und unbeſchränkteſten, weil es eben ſeinem Inhalte nach überhaupt kein Recht iſt. 3) Im Übrigen ſind dieſe Beſchränkungen und die auf Verle tzungen der-
ſelben geſetzten Strafen aufrecht erhalten. Einf.-Geſ. zum St.-G.-B. §. 2 Abſ. 2. Die Uebertretung ſolcher Beſchränkungen wird hier „Mißbrauch des Vereins- und Verſammlungsrechts“ genannt. Ebenſo Einf.-Geſ. für Elſ.-Lothr. vom 30. Aug. 1871 Art. II. Abſ. 2. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0568" n="548"/><fw place="top" type="header">§. 49. Die Bildung des Reichstages. Das Wahlrecht.</fw><lb/> Prinzipien gemäß auch wirklich gebildet werde. Das durch die<lb/> in Rede ſtehenden Vorſchriften zu ſchützende Object iſt demnach in<lb/> erſter Reihe nicht die Wahlberechtigung des Einzelnen, ſondern<lb/> die verfaſſungsmäßige Organiſation des Reiches, das allgemeine<lb/> Wahlrecht als Beſtandtheil derſelben, als objective Inſtitution des<lb/> Verfaſſungsrechts.</p><lb/> <p>Hierher gehören folgende Sätze:</p><lb/> <p>1) „Die Wahlberechtigten haben das Recht, zum Betrieb der<lb/> den Reichstag betreffenden Wahl-Angelegenheiten <hi rendition="#g">Vereine</hi> zu<lb/> bilden und in geſchloſſenen Räumen unbewaffnet öffentliche <hi rendition="#g">Ver-<lb/> ſammlungen</hi> zu veranſtalten“ <note place="foot" n="1)">Wahlgeſ. §. 17 Abſ. 1.</note>. Das hier begründete „Recht<lb/> der Wahlberechtigten“ iſt, juriſtiſch ausgedrückt, die durch Reichs-<lb/> geſetz erfolgte theilweiſe Aufhebung der landesgeſetzlichen Beſchrän-<lb/> kungen der natürlichen Fähigkeit, Vereine zu bilden und Verſamm-<lb/> lungen zu veranſtalten. Nicht dieſe Fähigkeit iſt eine Schöpfung<lb/> des Rechts, ſondern ihre Beſchränkung <note place="foot" n="2)">Wo es <hi rendition="#g">gar keine Rechtsſätze</hi> über Vereine und Verſammlungen<lb/> giebt, iſt das ſogen. Vereins- und Verſammlungsrecht am vollſtändigſten und<lb/> unbeſchränkteſten, weil es eben ſeinem Inhalte nach überhaupt kein Recht iſt.</note>. Den Einzelſtaaten iſt<lb/> es demnach durch Reichsgeſetz verboten, in Bezug auf Vereine und<lb/> Verſammlungen, welche zum Betrieb der Reichstags-Wahlangele-<lb/> genheiten gebildet und veranſtaltet werden, dieſe natürliche Hand-<lb/> lungsfähigkeit der Wahlberechtigten zu beſchränken <note place="foot" n="3)">Im Übrigen ſind dieſe Beſchränkungen und die auf Verle tzungen der-<lb/> ſelben geſetzten Strafen aufrecht erhalten. Einf.-Geſ. zum St.-G.-B. §. 2 Abſ. 2.<lb/> Die Uebertretung ſolcher Beſchränkungen wird hier „Mißbrauch des Vereins-<lb/> und Verſammlungsrechts“ genannt. Ebenſo Einf.-Geſ. für Elſ.-Lothr. vom<lb/> 30. Aug. 1871 Art. <hi rendition="#aq">II.</hi> Abſ. 2.</note>. Abgeſehen<lb/> davon, daß dieſe Beſchränkungen nur für Vereine und für öffentliche<lb/> Verſammlungen, welche in <hi rendition="#g">geſchloſſenen Räumen</hi> und <hi rendition="#g">unbe-<lb/> waffnet</hi> veranſtaltet werden, beſeitigt worden ſind, ſpricht das<lb/> Reichsgeſetz nur von Wahlberechtigten, ſo daß alſo z. B. Perſonen,<lb/> welche das 25. Lebensjahr noch nicht zurückgelegt haben, und Perſonen<lb/> weiblichen Geſchlechts, ſowie Nicht-Reichsangehörige, wenn dieſelben<lb/> an Wahlvereinen und Wahlverſammlungen Theil nehmen, den ge-<lb/> wöhnlichen Vorſchriften der Partikularrechte über Vereine und<lb/> öffentliche Verſammlungen unterliegen.</p><lb/> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [548/0568]
§. 49. Die Bildung des Reichstages. Das Wahlrecht.
Prinzipien gemäß auch wirklich gebildet werde. Das durch die
in Rede ſtehenden Vorſchriften zu ſchützende Object iſt demnach in
erſter Reihe nicht die Wahlberechtigung des Einzelnen, ſondern
die verfaſſungsmäßige Organiſation des Reiches, das allgemeine
Wahlrecht als Beſtandtheil derſelben, als objective Inſtitution des
Verfaſſungsrechts.
Hierher gehören folgende Sätze:
1) „Die Wahlberechtigten haben das Recht, zum Betrieb der
den Reichstag betreffenden Wahl-Angelegenheiten Vereine zu
bilden und in geſchloſſenen Räumen unbewaffnet öffentliche Ver-
ſammlungen zu veranſtalten“ 1). Das hier begründete „Recht
der Wahlberechtigten“ iſt, juriſtiſch ausgedrückt, die durch Reichs-
geſetz erfolgte theilweiſe Aufhebung der landesgeſetzlichen Beſchrän-
kungen der natürlichen Fähigkeit, Vereine zu bilden und Verſamm-
lungen zu veranſtalten. Nicht dieſe Fähigkeit iſt eine Schöpfung
des Rechts, ſondern ihre Beſchränkung 2). Den Einzelſtaaten iſt
es demnach durch Reichsgeſetz verboten, in Bezug auf Vereine und
Verſammlungen, welche zum Betrieb der Reichstags-Wahlangele-
genheiten gebildet und veranſtaltet werden, dieſe natürliche Hand-
lungsfähigkeit der Wahlberechtigten zu beſchränken 3). Abgeſehen
davon, daß dieſe Beſchränkungen nur für Vereine und für öffentliche
Verſammlungen, welche in geſchloſſenen Räumen und unbe-
waffnet veranſtaltet werden, beſeitigt worden ſind, ſpricht das
Reichsgeſetz nur von Wahlberechtigten, ſo daß alſo z. B. Perſonen,
welche das 25. Lebensjahr noch nicht zurückgelegt haben, und Perſonen
weiblichen Geſchlechts, ſowie Nicht-Reichsangehörige, wenn dieſelben
an Wahlvereinen und Wahlverſammlungen Theil nehmen, den ge-
wöhnlichen Vorſchriften der Partikularrechte über Vereine und
öffentliche Verſammlungen unterliegen.
1) Wahlgeſ. §. 17 Abſ. 1.
2) Wo es gar keine Rechtsſätze über Vereine und Verſammlungen
giebt, iſt das ſogen. Vereins- und Verſammlungsrecht am vollſtändigſten und
unbeſchränkteſten, weil es eben ſeinem Inhalte nach überhaupt kein Recht iſt.
3) Im Übrigen ſind dieſe Beſchränkungen und die auf Verle tzungen der-
ſelben geſetzten Strafen aufrecht erhalten. Einf.-Geſ. zum St.-G.-B. §. 2 Abſ. 2.
Die Uebertretung ſolcher Beſchränkungen wird hier „Mißbrauch des Vereins-
und Verſammlungsrechts“ genannt. Ebenſo Einf.-Geſ. für Elſ.-Lothr. vom
30. Aug. 1871 Art. II. Abſ. 2.
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