§. 49. Die Bildung des Reichstages. Das Wahlrecht.
Außerdem hat das Reichsgesetz ausdrücklich in Kraft erhalten die Bestimmungen der Landesgesetze über die Anzeige der Ver- sammlungen und Vereine, sowie über die Überwachung der- selben 1).
2) Sowohl die Wahlhandlung und die Ermittelung des Wahl- ergebnisses in den Wahlbezirken als die Feststellung des Wahl- resultates für die Wahlkreise sind öffentlich2). Es wird da- durch die Ordnungsmäßigkeit und Redlichkeit des Verfahrens unter die Controle der Wahlberechtigten gestellt. Andererseits wird die Ordnung und Ruhe der Wahlhandlung dadurch gesichert, daß während derselben im Wahllokal weder Diskussionen stattfinden, noch Ansprachen gehalten, noch Beschlüsse gefaßt werden dürfen, außer den durch die Leitung des Wahlgeschäfts bedingten Dis- kussionen und Beschlüssen des Wahlvorstandes.
3) Unberechtigten Einwirkungen der Regierung auf die Stim- menabgabe und Feststellung des Wahlergebnisses und der Mög- lichkeit eines Verdachtes, daß dergleichen vorgekommen sei, ist durch die Vorschrift vorgebeugt, daß die Funktion der Vorsteher, Bei- sitzer und Protokollführer bei der Wahlhandlung in den Wahlbe- zirken und der Beisitzer bei der Ermittelung des Wahlergebnisses in den Wahlkreisen ein unentgeltliches Ehrenamt ist und nur von Personen ausgeübt werden kann, welche kein unmittelbares Staats- amt bekleiden 3).
4) Das Reichs-Strafgesetzbuch hat die freie und ordnungs- mäßige Vornahme der Wahlen durch vier spezielle Strafsatzungen geschützt.
a) Wer einen Deutschen durch Gewalt oder durch Bedrohung mit einer strafbaren Handlung verhindert, in Ausübung seiner staatsbürgerlichen Rechte zu wählen oder zu stimmen, wird mit Gefängniß nicht unter 6 Monaten oder mit Festungshaft bis zu 5 Jahren bestraft. Der Versuch ist strafbar. §. 107 4).
b) Ein Beamter unterliegt dieser Bestrafung selbst dann, wenn er die im §. 107 verbotene Handlung ohne Gewalt oder
1) Wahlges. §. 17 Abs. 2.
2) Wahlges. §. 9 Abs. 1. Wahlreglem. § 26 Abs. 3.
3) Wahlges. §. 9 Abs. 2. Wahlreglem. §. 10. 26.
4) Vgl. Drenkmann in Goltdammer's Arch. Bd. 17 S. 168 ff. John in v. Holtzendorff's Handb. des D. Strafr. III. S. 83 ff.
§. 49. Die Bildung des Reichstages. Das Wahlrecht.
Außerdem hat das Reichsgeſetz ausdrücklich in Kraft erhalten die Beſtimmungen der Landesgeſetze über die Anzeige der Ver- ſammlungen und Vereine, ſowie über die Überwachung der- ſelben 1).
2) Sowohl die Wahlhandlung und die Ermittelung des Wahl- ergebniſſes in den Wahlbezirken als die Feſtſtellung des Wahl- reſultates für die Wahlkreiſe ſind öffentlich2). Es wird da- durch die Ordnungsmäßigkeit und Redlichkeit des Verfahrens unter die Controle der Wahlberechtigten geſtellt. Andererſeits wird die Ordnung und Ruhe der Wahlhandlung dadurch geſichert, daß während derſelben im Wahllokal weder Diskuſſionen ſtattfinden, noch Anſprachen gehalten, noch Beſchlüſſe gefaßt werden dürfen, außer den durch die Leitung des Wahlgeſchäfts bedingten Dis- kuſſionen und Beſchlüſſen des Wahlvorſtandes.
3) Unberechtigten Einwirkungen der Regierung auf die Stim- menabgabe und Feſtſtellung des Wahlergebniſſes und der Mög- lichkeit eines Verdachtes, daß dergleichen vorgekommen ſei, iſt durch die Vorſchrift vorgebeugt, daß die Funktion der Vorſteher, Bei- ſitzer und Protokollführer bei der Wahlhandlung in den Wahlbe- zirken und der Beiſitzer bei der Ermittelung des Wahlergebniſſes in den Wahlkreiſen ein unentgeltliches Ehrenamt iſt und nur von Perſonen ausgeübt werden kann, welche kein unmittelbares Staats- amt bekleiden 3).
4) Das Reichs-Strafgeſetzbuch hat die freie und ordnungs- mäßige Vornahme der Wahlen durch vier ſpezielle Strafſatzungen geſchützt.
a) Wer einen Deutſchen durch Gewalt oder durch Bedrohung mit einer ſtrafbaren Handlung verhindert, in Ausübung ſeiner ſtaatsbürgerlichen Rechte zu wählen oder zu ſtimmen, wird mit Gefängniß nicht unter 6 Monaten oder mit Feſtungshaft bis zu 5 Jahren beſtraft. Der Verſuch iſt ſtrafbar. §. 107 4).
b) Ein Beamter unterliegt dieſer Beſtrafung ſelbſt dann, wenn er die im §. 107 verbotene Handlung ohne Gewalt oder
1) Wahlgeſ. §. 17 Abſ. 2.
2) Wahlgeſ. §. 9 Abſ. 1. Wahlreglem. § 26 Abſ. 3.
3) Wahlgeſ. §. 9 Abſ. 2. Wahlreglem. §. 10. 26.
4) Vgl. Drenkmann in Goltdammer’s Arch. Bd. 17 S. 168 ff. John in v. Holtzendorff’s Handb. des D. Strafr. III. S. 83 ff.
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Außerdem hat das Reichsgeſetz ausdrücklich in Kraft erhalten
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ſammlungen und Vereine, ſowie über die Überwachung der-
ſelben 1).
2) Sowohl die Wahlhandlung und die Ermittelung des Wahl-
ergebniſſes in den Wahlbezirken als die Feſtſtellung des Wahl-
reſultates für die Wahlkreiſe ſind öffentlich 2). Es wird da-
durch die Ordnungsmäßigkeit und Redlichkeit des Verfahrens unter
die Controle der Wahlberechtigten geſtellt. Andererſeits wird die
Ordnung und Ruhe der Wahlhandlung dadurch geſichert, daß
während derſelben im Wahllokal weder Diskuſſionen ſtattfinden,
noch Anſprachen gehalten, noch Beſchlüſſe gefaßt werden dürfen,
außer den durch die Leitung des Wahlgeſchäfts bedingten Dis-
kuſſionen und Beſchlüſſen des Wahlvorſtandes.
3) Unberechtigten Einwirkungen der Regierung auf die Stim-
menabgabe und Feſtſtellung des Wahlergebniſſes und der Mög-
lichkeit eines Verdachtes, daß dergleichen vorgekommen ſei, iſt durch
die Vorſchrift vorgebeugt, daß die Funktion der Vorſteher, Bei-
ſitzer und Protokollführer bei der Wahlhandlung in den Wahlbe-
zirken und der Beiſitzer bei der Ermittelung des Wahlergebniſſes
in den Wahlkreiſen ein unentgeltliches Ehrenamt iſt und nur von
Perſonen ausgeübt werden kann, welche kein unmittelbares Staats-
amt bekleiden 3).
4) Das Reichs-Strafgeſetzbuch hat die freie und ordnungs-
mäßige Vornahme der Wahlen durch vier ſpezielle Strafſatzungen
geſchützt.
a) Wer einen Deutſchen durch Gewalt oder durch Bedrohung
mit einer ſtrafbaren Handlung verhindert, in Ausübung ſeiner
ſtaatsbürgerlichen Rechte zu wählen oder zu ſtimmen, wird mit
Gefängniß nicht unter 6 Monaten oder mit Feſtungshaft bis zu
5 Jahren beſtraft. Der Verſuch iſt ſtrafbar. §. 107 4).
b) Ein Beamter unterliegt dieſer Beſtrafung ſelbſt dann,
wenn er die im §. 107 verbotene Handlung ohne Gewalt oder
1) Wahlgeſ. §. 17 Abſ. 2.
2) Wahlgeſ. §. 9 Abſ. 1. Wahlreglem. § 26 Abſ. 3.
3) Wahlgeſ. §. 9 Abſ. 2. Wahlreglem. §. 10. 26.
4) Vgl. Drenkmann in Goltdammer’s Arch. Bd. 17 S. 168 ff. John
in v. Holtzendorff’s Handb. des D. Strafr. III. S. 83 ff.
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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876, S. 549. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht01_1876/569>, abgerufen am 22.11.2024.
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